
Bewertung: 4.5 / 5
Wie würde eine Nation eigentlich reagieren, wenn sich aus heiterem Himmel eine Nuklearrakete schnurstracks auf sie zu bewegen würde? Dieses ziemlich beängstigende Szenario thematisiert Regisseurin Kathryn Bigelow (Tödliches Kommando - The Hurt Locker) in ihrem jüngsten Werk mit dem Titel A House of Dynamite, welches seit Freitag, dem 24. Oktober, auf Netflix gestreamt werden kann.
Doch gelingt es der Filmemacherin, die Handhabung dieser prekären Situation mit der einhergehenden Panik authentisch zu skizzieren? Dazu nun mehr in der folgenden Kritik.
Trailer zu A House of Dynamite
In der militärischen Überwachungseinrichtung Fort Greely taucht eines Tages eine Interkontinentalrakete auf den Radarbildschirmen auf, die man anfangs noch für einen Testlauf hält. Nach und nach wird die angehende Bedrohung jedoch immer klarer, da die Nuklearwaffe sich im geraden Anflug auf die USA befindet. Der Situation Room des Weißen Hauses liegt in Alarmbereitschaft, während mehrere Instanzen der Regierung händeringend versuchen, die richtige Antwort auf die sich nähernde Gefahr zu finden …
A House of Dynamite - Kritik
Zu Beginn des Films wird auf die nukleare Aufrüstung der Weltmächte in den letzten Jahrzehnten aufmerksam gemacht, deren Übereinkunft, jene Waffen unter Verschluss zu halten, bis jetzt angedauert hat. Daraufhin gelangt A House of Dynamite erzählerisch relativ schnell zum Ausgangspunkt der Handlung, wobei schnell klar wird, dass nicht die Rakete selbst, sondern die Personen mit dem Entscheidungszwang im Vordergrund stehen.
Obwohl man vielleicht zunächst denken mag, dass für ein solch extremes Szenario ein strikter Fahrplan vorgesehen ist, so stehen am Ende des Tages immer noch Menschen am Nuklearknopf. Menschen, die eben nicht einfach nur rationell entscheiden, sondern versuchen, abzuwägen und sich dabei auch um ihr privates Umfeld sorgen. Diese Ambivalenz der gezeigten Charaktere auch in puncto moralischer Dilemmata, wie das Abwägen von Menschenleben, setzt der Film ausgesprochen gut um und verstärkt jenen Effekt im Folgenden durch die unterschiedlichen Perspektiven, die im Laufe aufgezeigt werden.
Handwerklich betrachtet, arbeitet Kathryn Bigelow für diese gewisse Intimität zu den Figuren oft mit ruckeligen Handkamera-Einstellungen, die den aufkommenden Aufruhr perfekt widerspiegelt. Auch kommt dadurch etwa die Hektik und der Zeitdruck sehr gut zur Geltung, da zwischen Erkennung und Einschlag der Rakete gerade mal knapp 20 Minuten liegen. Generell wird die Ausnahmesituation für die Mitarbeiter des Oval-Office beispielsweise durch viele Schnitte rastlos inszeniert, sodass für den Zuschauer die Anspannung im Raum quasi spürbar ist. Der immer wiederkehrende Score vom deutschen Filmkomponist Volker Bertelmann (Im Westen nichts Neues, Konklave) unterstreicht die Spannung mit einem treibenden Streichermotiv ideal.
Der Cast von A House of Dynamite setzt sich aus mehreren hochkarätigen Darstellern zusammen, die allesamt die Menschlichkeit trotz ihrer beruflichen Professionalität ihrer Figuren zum Vorschein bringen. Besonders hervorheben wollen wir an dieser Stelle die Leistungen von Rebecca Ferguson und Idris Elba, welche mit ihren Rollen als Captain und als US-Präsident überzeugen können und uns in deren Lage hineinversetzen lassen. Natürlich lässt auch der Rest des Ensembles einem den unfassbaren Druck am eigenen Leib durchleben und fesselt somit bis zum Ende.
Ein wenig kritisieren wollen wir vor unserem Fazit allerdings, dass nie aufgeklärt wird, wer eigentlich hinter dem verheerenden Raketenabschuss steckt. Dies mag zwar für den Film keine Rolle spielen, dennoch wirkt es auf die Realität bezogen etwas konstruiert, gerade was die technischen Möglichkeiten anbelangt. So ist der Film vermutlich auch eher als eine Art Gedankenexperiment zu verstehen, weil uns nicht wirklich einleuchtet, wie man den ursprünglichen Abschussort der Rakete nicht einfach hätte lokalisieren können.
Fazit:
Abschließend kann man festhalten, dass Kathryn Bigelow mit A House of Dynamite die Darstellung eines ausgesprochen authentischen Worst-Case-Szenarios gelungen ist, was nicht zuletzt an der durchdachten Inszenierung und den starken Schauspiel-Leistungen liegen dürfte.
Trotz eines inhaltlichen Mankos erwartet euch hier ein nervenaufreibender Thriller, der die menschliche Seite eines scheinbar vorbereiteten Apparats ergründet, während das Thema angesichts der politischen Weltlage erschreckend infrage stellt, ob wir diesem nuklearen Zündstoff überhaupt gewappnet wären.


