
Bewertung: 3 / 5
„Achtung, Glücksspiel kann süchtig machen.“ Wenn sich Colin Farrells Charakter diesen allseits bekannten Warnhinweis zu Herzen genommen hätte, dann wäre der neue Film, Ballad of A Small Player, vom deutschen Regisseur Edward Berger, der seit dem 29. Oktober auf Netflix bereitsteht, wohl nie zustande gekommen.
Umso gespannter dürfte man nun nach Oscar-Erfolgen wie Im Westen nichts Neues und Konklave also sein, ob der Filmemacher an die Qualitäten seiner Vorgängerwerke anschließen kann oder ob man mit dem Casino-Thriller vielleicht doch verzockt hat.
Trailer zu Ballad of A Small Player
Der vom Pech verfolgte Glücksspieler Lord Doyle (Colin Farrell) schlägt sich im chinesischen Glücksspiel-Eldorado Macau die Nächte um die Ohren, hoffend auf den ganz großen Gewinn. Den braucht er auch dringend, schließlich hat er bergeweise Schulden und eine Vergangenheit, die die Privatermittlerin Cynthia Blynthe (Tilda Swinton) auf ihn aufmerksam macht. Jedoch scheint das Schicksal ihm hold zu sein, als er mit der Casino-Angestellten Dao Ming (Fala Chen) eine Frau kennenlernt, die womöglich der Schlüssel zu einem Neuanfang für Doyle ist …
Ballad of a Small Player - Kritik:
Der Film entführt uns, wie eingangs beschrieben, in die unheilvolle Welt des Glücksspiels und stellt mit Lord Doyle direkt zu Beginn eine Figur vor, die trotz seiner Laster noch immer am Traum vom großen Gewinn festhält. Doch schon nach den ersten Minuten kristallisierte sich für uns die eigentliche Stärke von Ballad of A Small Player heraus, nämlich dessen Look. So nimmt sich Edward Berger die Zeit, um das nächtliche Treiben von Macau gekonnt einzufangen, das mit seinen Neonlichtern, emporsteigenden Wasserfontänen und Luxushotels wie aus einer anderen Welt entsprungen scheint. Dies möchten wir noch einmal betonen, da bei Netflix-Produktionen sonst ein einheitliches Produktionsdesign kritisiert wird, was hier jedenfalls nicht zutrifft.
Auch inszenatorisch betrachtet, bekommt man in Ballad of A Small Player einiges geboten. Neben einer auf die Figuren fokussierte Kameraführung arbeitet der Film oft mit Close-ups oder ausgefalleneren Perspektiven. Diese Stilmittel erleichtern es, hinter die Fassade der Figuren zu blicken und der Geschichte im Gesamten zu folgen. Colin Farrell, Fala Chen und Tilda Swinton liefern dementsprechend eine tolle Performance ab und verleihen ihren Rollen etwas Geheimnisvolles.
Der Score, für welchen sich Volker Bertelmann nach den vorherigen Zusammenarbeiten mit Berger erneut verantwortlich zeichnet, hat mit stimmungsvollen Chören oder Streichereinlagen unterstützenden Charakter und fügt sich gut ins Geschehen ein.
Kommen wir zur zu den Charakteren und damit zu dem ersten größeren Kritikpunkt, der uns beim Sichten des Films ins Auge gefallen ist. So sind Lord Doyle und Dao Ming nämlich recht seltsam geschrieben, was auffällt, wenn man einmal den Ausgangspunkt der Figur betrachtet. Doyle etwa, der in einem der Luxushotels wohnt, scheint es angesichts seiner extrem hohen Schulden beispielsweise nicht zu kümmern, auch weiterhin den teuersten Champagner zu bestellen und in Saus und Braus zu leben. Dies ergibt mit Hinblick auf die Charakterentwicklung unserer Meinung nach keinen Sinn, während Dao Mings Entscheidungen im Laufe von Ballad of A Small Player ebenfalls nicht immer einleuchten.
Als zweiten Kritikpunkt sehen wir den späteren Verlauf der Handlung, der, ohne zu viel zu verraten, eine recht spirituelle Wendung nimmt, was insgesamt betrachtet, nicht zur harten Realität des Glücksspiels passt. Eventuell hätte man jene noch plausibel erklären können, allerdings driftet uns der Film da ein wenig ab, was abgesehen davon auch das ein oder andere Logikloch offenlässt. Hier ist es jedoch schwer ins Detail zu gehen, ohne im gleichen Zug das Ende zu spoilern.
Fazit:
Alles in allem erwartet euch mit Ballad of A Small Player ein visuell sehr ansprechender Film, der es schafft, dank guter Darstellerleistungen und einer stimmungsvollen Musik das Flair der chinesischen Metropole zu transportieren. Abzüge müssen wir leider bei der Charakterentwicklung der Hauptfigur vornehmen, während das letzte Drittel des knapp zweistündigen Films vom Glück im Stich gelassen wurde.


