Die Award-Saison 2015 wird ohne Martin Scorsese über die Bühne gehen. So weit, so schade. 2016 könnte aber wieder sein Jahr werden, dann endlich soll sein Wunschfilm Silence, eine Adaption von Shusaku Endos historischem Roman "Schweigen" und seit fast zwei Jahrzehnten geplant, in die Kinos kommen. Zuerst aber wohl zu den Internationalen Filmfestspielen von Cannes, einem geeigneten Rahmen für die Weltpremiere.
Es war eine schwere Geburt, eine, die viel Durchhaltevermögen gebraucht und viel Kraft gekostet hat. Nicht nur bei Scorsese, sondern auch seitens seiner Darsteller. Nach Abschluss der Dreharbeiten in Taiwan ist man bei der Postproduktion angelangt, und das zweite Bild aus dem Film macht einen ähnlich emotionalen Eindruck wie das erste. Dass Liam Neeson ausgemergelt wirkt, täuscht nicht: Er hat für die Rolle zwanzig Pfund verloren, also etwa neun Kilo, erklärt Neeson. Als der Perfektionist, der er ist, wollte Scorsese schlanke (um nicht zu sagen dürre) Stars. Andrew Garfield sei sowieso schon drahtig, Adam Driver habe es auf die Spitze getrieben und wie jemand aus Auschwitz ausgesehen.
Davon handelt Silence: Pater Sebastião Rodrigues (Garfield), ein portugiesischer Jesuiten-Missionar, reist 1638 nach Japan, um geistlichen Beistand zu leisten und Berichten nachzugehen, wonach sein Mentor Cristóvão Ferreira (Neeson) vom Glauben abgefallen sei - zu einer Zeit, in der die Christenverfolgung das Land beherrscht. Wer sich widersetzt, wird festgenommen und getötet. Driver spielt Francisco Garrpe, Garfields Begleiter. Die zentrale Frage lautet: Gibt es einen Gott?