Hier dreht sich alles um die Blond von PaulLeger. Tausch dich mit anderen Filmfans aus.
PaulLeger:
Mache gerade noch einen Bogen um Kritiken, zumindest die Details, weil ich den Film gerne komplett ohne Erwartung sehen möchte. Mich wundert aber bei den Bewertungen und den jeweiligen Titeln, dass du nicht in der Kommentarsektion der MJ Kritik bist und die mit Molotow-Cocktails bewirfst
"Fanatical legions worshipping at the shrine of my father’s skull."
@MB80
In dem Fall keine Ausnahme, bei Kritikern (IMDB, Rottentomatoes) wird der Film genauso kontrovers aufgenommen wie beim Publikum.
Tomatometer 45% und Metascore 49
"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."
@ MB80
War so spät als ich die Kritik eingetragen hab, dass ich die von MJ gar nicht mehr gelesen hab. Schau sie mir später vielleicht mal an. Bin gespannt wie du den Film findest.
@ luhp92
Danke für den Hut. War zu erwarten, gehe stark davon aus, dass ich beim Tomatometer-Tippspiel am nächsten dran sein dürfte.^^ Wobei man eben sagen muss, dass ein guter Teil der US-Kritiken sich weniger an filmischen Aspekten stört. Direkt nach der Premiere in Venedig war das Echo zwar auch schon geteilt, aber mehr zum Positiven ausschlagend, und auch bei den deutschsprachigen Kritiken kommt er soweit ich das überblicke besser weg als in den USA. Wie gesagt, nicht so überraschend wenn ein Film gleich zwei US-Ikonen (vermeintlich) von ihrem Sockel stößt.
PaulLeger:
So, gestern gesehen... ich bin sehr gespalten, würde ich eine Kritik schreiben würde sie wohl "The downward spiral" heißen und bemängeln, dass Nine Inch Nails nicht am Soundtrack mitgearbeitet haben. Würde aber sehr passen, da der Film eigentlich zumindest visuell bei mir die richtigen Knöpfe drückt. Ich musste zumindest bei diversen Szenen/ Sequenzen daran denken, dass das auch direkt aus der Feder eines David Lynch kommen könnte (das verschwommene Gesicht, die ins unproportionale verzerrten Münder des Publikums, die bis aufs Ende unkenntlich gemachte und im zeitraffer gespielte Kinovorführung, um mal einige zu nennen). Aber dass das ganze ins surreale mit Horror-flair abdriftet hast du ja bemerkt.
Meine Hauptprobleme finden sich tatsächlich auch in deiner Kritik:
"Der Film versteht sich in erster Linie als eine empathische Annäherung an die Person hinter der Kunstfigur. Man kann Dominik sicher vorwerfen, dass er sich dabei zu sehr auf das Leiden von Norma Jeane versteift und ihre aktiven Versuche, aus den einengenden Strukturen auszubrechen - etwa die Gründung ihres eigenen Produktionsstudios - nicht thematisiert. So wirkt Norma Jeane hier zumeist wie das passive Opfer, das von ihrem Umfeld stetig in Richtung Abgrund getrieben wird.
[...]
Als problematisch erweisen sich die sprunghafte Erzählung und der fehlende narrative Fokus, die zwar gewollt sein dürften, aber bisweilen dafür sorgen, dass manche Szene in der Luft hängt."
Dominik geht das ganze sehr einseitig an, was eine künstlerische Entscheidung ist, aber ich glaube er versucht Marylin als menschlich darzustellen, aber sie wird nur ein Opfer ohne dass man groß Sympathie entwickeln könnte. Böser Take meiner Sofanachbarin: Sie wird als "dümmliches Fickstück" dargestellt. Wenn es Dominiks Ziel war, ein Sammelsurium der Ungerechtigkeiten zusammenzustellen, die ihr zugestoßen sind: fein. Aber die Person Marylin geht dabei verloren finde ich. Ich bin mir auch gar nicht so sicher, wie positiv #me2 auf den Film reagieren würde (wenn #me2 eine Person wäre...), da der Film Marylin quasi keine eigene Agenda gibt. Und die knappen 3 Stunden sind auch grenzwertig bei so einen einseitigen Herangehen. Ana da Armas muss hier als Schauspielerin schon sehr schwitzen, um der Rolle etwas an eigener Persönlichkeit zu geben (klares Highlight des Films). Und dramaturgisch zerfällt der FIlm leider besonders gegen Ende, was allerdings auch eine künstlerische Entscheidung sein dürfte, um den mentalen Zustand einzufangen.
"Der Film wechselt immer wieder von Schwarzweiß zu Farbe und ändert das Seitenverhältnis, womit er den inneren Zustand der Hauptfigur mitteilt."
Inszenatorisch, ich habs ja angedeutet, bin ich sehr angetan. Das Spiel mit der Frame Rate und den Farben war fantastisch, ganz auffällig war es bei der Szene am Strand, ich glaube fast die einzige Szene in der die ganze Leinwand genutzt wurde. Und auch die Szene, in der man das Gefühl hatte, sie ist endlich mal nicht eingeschränkt und sowas wie frei. Das ist schon irgendwo großes Kino...
Also, bin etwas hin und her gerissen. Ich würde mit dem eher seltsamen Urteil "3/5 aber definitiv sehenswert" enden. Aber ich bevorzuge auch einen ambitionierten, aber furchtbar fehlerhaften Film über einem soliden 08/15 Actioner.
"Fanatical legions worshipping at the shrine of my father’s skull."
@ MB80
Huch, erst gar nicht erkannt mit dem Ava, danke für den Hut. Alles legitim was du anführst, vielleicht mit Ausnahme des Einwurfs deiner Sitznachbarin, der ich dann doch widersprechen würde. Eine der für mich schönsten Szenen, das erste Gespräch mit Arthur Miller, widerlegt diesen Vorwurf denke ich schon.
Ich musste zumindest bei diversen Szenen/ Sequenzen daran denken, dass das auch direkt aus der Feder eines David Lynch kommen könnte
Das Gefühl hatte ich auch teilweise, wollte in der Kritik aber keine falschen Erwartungen wecken, weil es sich eher auf vereinzelte Passagen beschränkt.
Dominik geht das ganze sehr einseitig an, was eine künstlerische Entscheidung ist, aber ich glaube er versucht Marylin als menschlich darzustellen, aber sie wird nur ein Opfer ohne dass man groß Sympathie entwickeln könnte.
Ich denke er hat sich da auf De Armas verlassen und die hat es zumindest bei mir ganz gut hinbekommen, die nötige Sympathie zu wecken.
Ich bin mir auch gar nicht so sicher, wie positiv #me2 auf den Film reagieren würde (wenn #me2 eine Person wäre...), da der Film Marylin quasi keine eigene Agenda gibt.
Die hassen ihn, ebenso wie die Pro-Choice-Anhänger, die in den Film eine Anti-Abtreibungsbotschaft hineininterpretieren. Dominik hat es geschafft zumindest in den USA, wo man Kunst offenbar nur noch in zwei Extreme einteilt, so ziemlich alle gegen sich aufzubringen.^^
Den Vorwurf der fehlenden Agenda kann man sicher unterschreiben, aber der Film kann ja trotzdem die strukturelle Misogynie Hollywoods im Speziellen aber auch der Gesellschaft im Gesamten aufzeigen, was er meiner Meinung nach auch recht pointiert tut. So hatte ich die Passage im Text jedenfalls gemeint.
Aber ich bevorzuge auch einen ambitionierten, aber furchtbar fehlerhaften Film über einem soliden 08/15 Actioner.
Da sitzen wir im gleichen Boot. Lieber so einen Ansatz, selbst wenn er alles andere als perfekt exekutiert wird, als irgendein risikoloses 0815-Abklappern von Lebensstationen.
Habe erstmal den Film sacken lassen, grundsätzlich sehe ich vieles Ähnlich, ziehe aber andere Schlüsse, grundsätzlich empfinde ich den Film auch in seinem Fluß eigentlich zusammenhängender als du anscheinend, aber dennoch sind wir schon in der Gesamtwertung trotzdem recht weit entfernt... sehr interessant...
ach ja, Hut
PaulLeger:
"Eine der für mich schönsten Szenen, das erste Gespräch mit Arthur Miller, widerlegt diesen Vorwurf denke ich schon."
Ich würde das auch nicht 100% unterschreiben was sie sagte, fand es aber ganz interessant weil der Film sein Ziel, sich auf der Seite von Marilyn zu verordnen, nur so halb trifft. Die erwähnte Szene hilft da ungemein, eigentlich die ganze Miller Sequenz, aber zu oft kommt Marilyn einfach schlecht oder zumindest schwach weg. Spätestens bei der Szene mit Kennedy dürften sich dann doch viele Zuschauer einfach fragen, warum sie das noch mitmacht. Die Szene ist dann gleichzeitig exploitativ finde ich, und gleichzeitig fehlt da etwas Bindegewebe bei der Handlung, was bei einem fast 3-stündigem Film eigentlich nicht passieren sollte.
"Ich denke er hat sich da auf De Armas verlassen und die hat es zumindest bei mir ganz gut hinbekommen, die nötige Sympathie zu wecken."
Würde ich auch mal wohlwollend unterstellen, aber ich denke auch ohne Armas würde der Film zerfallen.
"Die hassen ihn, ebenso wie die Pro-Choice-Anhänger, die in den Film eine Anti-Abtreibungsbotschaft hineininterpretieren. "
Ufff... joa kann man so sehen, aber fällt mir schwer, vor allem weil die erste ja zumindest am Anfang rational begründet war. Aber wenn es Punkte fürs alle anpissen gibt, würde ich Team America: World Police dann gerne 12/10 Sterne geben ;)
"Den Vorwurf der fehlenden Agenda kann man sicher unterschreiben, aber der Film kann ja trotzdem die strukturelle Misogynie Hollywoods im Speziellen aber auch der Gesellschaft im Gesamten aufzeigen, was er meiner Meinung nach auch recht pointiert tut."
Würde ich mitgehen, aber da bleibt dann auch wieder das Gefühl, dass er damit ein paar Jahre zu spät zur Party kommt. Auf der anderen Seite, wäre der Film 2018 direkt rausgekommen, hätte man ihm auch vorwerfen können, er würde nur "auf den Zug aufspringen". Gutes Timing in der Kunst ist schwer...
"Fanatical legions worshipping at the shrine of my father’s skull."
@ MB80
dürften sich dann doch viele Zuschauer einfach fragen, warum sie das noch mitmacht.
Zu dem Zeitpunkt war sie ja kaum noch sie selbst angesichts der Tablettensucht etc.
Würde ich auch mal wohlwollend unterstellen, aber ich denke auch ohne Armas würde der Film zerfallen.
Das haben aber die meisten Filme, die eine Figur so stark in den Fokus setzen, an sich, dass sie mit der zentralen Performance stehen und fallen.
Würde ich mitgehen, aber da bleibt dann auch wieder das Gefühl, dass er damit ein paar Jahre zu spät zur Party kommt. Auf der anderen Seite, wäre der Film 2018 direkt rausgekommen, hätte man ihm auch vorwerfen können, er würde nur "auf den Zug aufspringen". Gutes Timing in der Kunst ist schwer...
Den Einwand müsstest du erläutern. Das Konzept, dass Filme zu einem bestimmten Thema auf einen festgelegten Zeitraum beschränkt sein sollen, erschließt sich mir gerade nicht.
Demnächst kommen mit "She Said" und "Women Talking" gleich zwei Filme, die sich noch deutlich expliziter auf #metoo beziehen, wandern die dann direkt in die imaginäre Tonne, weil sie zu spät kommen? ;)
@ Moby
Merci für den Hut.
PaulLeger:
"Das haben aber die meisten Filme, die eine Figur so stark in den Fokus setzen, an sich, dass sie mit der zentralen Performance stehen und fallen."
Ja, aber hier gibt sie der Hauptfigur wirklich Nuancen, die ihr vom Drehbuch nicht zugestanden werden. Anders formuliert, ich denke sie rettet den Film eher.
"Den Einwand müsstest du erläutern. Das Konzept, dass Filme zu einem bestimmten Thema auf einen festgelegten Zeitraum beschränkt sein sollen, erschließt sich mir gerade nicht."
Da habe ich vielleicht etwas schnell geschrieben. Sagen wir mal eher, es gibt dem Film keinen Alleinstellungswert mehr, stimmt schon das Thema ist ja bei weitem noch nicht abgeschlossen.
"Fanatical legions worshipping at the shrine of my father’s skull."
Was haben eigentlich alle mit dem sprechenden CGI-Fötus?^^ Weder handelt es sich hier um ungläubwürdige CGI-Animationen oder Lippenbewegungen, noch spricht der Fötus wirklich selbst. Es handelt sich dabei einfach um Normas Gesprächspartner im Telefonat. Ich hatte mich da im Vorhinein echt auf eine merkwürdige Szene eingestellt, am allerehesten mit dem Fuchs aus "Antichrist" vergleichbar, letztendlich handelt es sich sicherlich um einen ungewöhnlichen Einfall, allerdings um keinen, der aus dem Rest des Films heraussticht oder ihm schadet. Da wurde durch mehrere Leute in meinen Augen eine Sau durchs Dorf getrieben.
@PaulLeger
Gute Beobachtungen zum Einsatz der formalen Elemente.
"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."
Kritik: Blond von PaulLeger
PaulLeger | 29.09.2022