Medienfiguren sind für Kinder keine bloße Unterhaltung, sondern Orientierungshilfen. Sie zeigen, wie man mit Herausforderungen umgeht, Haltung zeigt und an sich glaubt. Ob Spongebob, Superman oder Spiderman – Kinder suchen Vorbilder, die Stärke und Eigenständigkeit verkörpern. „Kinder mögen vor allem Figuren, mit denen sie sich identifizieren können oder die Eigenschaften haben, die sie bewundern und gern selbst hätten“, erklärt Dr. Maya Götz vom Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) in einem Interview.
Über Jahrzehnte war Pippi Langstrumpf das Sinnbild für Freiheit und Selbstbestimmung. Sie stellte Autoritäten in Frage, vertraute auf ihre Kraft und tat, was sie für richtig hielt. Doch lange gab es keine moderne Figur, die diese Haltung fortführte. „Jetzt gibt es mit ‚Wednesday Addams‘ zum Glück endlich wieder eine neue Heldin, die ihr ähnlich ist“, sagt Götz.
Die Netflix-Serie Wednesday traf 2022 den Nerv einer neuen Generation. Die erste Staffel wurde zum weltweiten Streaming-Hit, die zweite war zwar weniger spektakulär, aber immer noch äußerst erfolgreich – und Staffel drei ist bereits angekündigt. Wednesday Addams bleibt damit ein fester Bestandteil der Popkultur: klug, unangepasst, kompromisslos sie selbst. Und extrem beliebt.
Vergleichen wir die beiden einmal:
Pippi und Wednesday stehen beide für Unabhängigkeit, wenn auch auf unterschiedliche Weise.
Pippi lehnt Regeln ab, lebt frei und furchtlos. Wednesday hinterfragt Konventionen mit Intellekt und Ironie. Wo Pippi die Grenzen sprengt, zieht Wednesday klare Linien. Beide zeigen Kindern: Stärke hat viele Gesichter – und Anderssein ist kein Makel, sondern Charakter.
Beide müssen vor dem Hintergrund der jeweiligen Zeit betrachtet werden: Pippi widerspricht dem Bild des braven, hilfsbereiten Mädchens der 1940er–50er Jahre, während Wednesday dem heutigen Ideal der empathischen und permanent positiven Jugendlichen entgegentritt.
„Sowohl Pippi als auch Wednesday passen sich nicht an. Sie wissen, wer sie sind, und handeln danach“, betont Götz. „Genau das brauchen Kinder – Figuren, die zeigen, dass man selbstbestimmt leben kann.“
Solche Vorbilder können das Selbstvertrauen von Kindern nachhaltig stärken. Wenn sie sehen, wie ihre Helden Verantwortung übernehmen und schwierige Situationen meistern, lernen sie: Ich kann das auch. Ich bin nicht ausgeliefert, sondern handlungsfähig.
Wichtig ist dabei die Begleitung durch Eltern. Sie sollten mit ihren Kindern über Serien und Figuren sprechen, statt sie nur konsumieren zu lassen. So wird aus Mediennutzung eine gemeinsame Erfahrung, und Kinder lernen, die Botschaften hinter den Geschichten zu verstehen.
Wednesday ist aber keine Figur für jedes Kind bzw. jede Jugendliche. Ihre Welt ist schärfer, ernster und weniger verspielt als die von Pippi Langstrumpf. Doch gerade darin liegt ihr Wert: Sie spricht Kinder und Jugendliche an, die sich nicht in der hellen, perfekten Welt vieler Serien wiederfinden. Wednesday vermittelt, dass Nachdenklichkeit, Eigenwilligkeit und auch Dunkelheit Teil der Persönlichkeit sein dürfen.
Wie seht ihr das: Ist Wednesday für euch die legitime Erbin von Pippi Langstrumpf?
