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Eskiya - Der Bandit

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Autorenkino Marke Yesilcam

Eskiya - Der Bandit Kritik

Eskiya - Der Bandit Kritik
1 Kommentar - 27.01.2022 von MobyDick
In dieser Userkritik verrät euch MobyDick, wie gut "Eskiya - Der Bandit" ist.

Bewertung: 4.5 / 5

Um es komplett vorweg zu nehmen: Dieses Review hier existiert nur, weil ich eigentlich die Netflix Serie Der Club reviewen wollte, jene Serie aber nicht in der MJ DB drin ist und ich einfach nicht so lange warten wollte wie damals darauf, dass der beste jemals gedrehte Film aller Zeiten endlich aufgenommen wird. Also mache ich pseudo-mäßig ein "Vergleichsreview" und lenke dabei das Augenmerk der interessierten Minderheit auf gleich zwei spannende Projekte ;-)

Um den Elefanten im Raum gleich mal heraus zu befördern, der kürzere Review zum Film erstmal vorab:

Eskiya

Es war einmal eine Banditenbande (ist das nicht irgendwie doppelt gemoppelt?), die wurde verraten, kam ins Gefängnis, wo alle starben, bis auf einen. Der kam nach 30 Jahren (plusminus) raus und fand heraus, dass sowohl seine Geliebte von damals als auch der Verräter zusammen verschwunden sind, ab nach Istanbul. Rache schwörend er hinterher. Kaum in Istanbul angekommen, macht der gute Mann die Bekanntschaft mit einem jungen Taugenichts, lernt andere Leute kennen und schliesst Freundschaften. Immer auf der Suche nach dem Verräter von einst. Und dann findet er ihn...

Jaja, hört sich atbacken an und ist es auch. Aber auf eine gute Art. Man kann guten Gewissens sagen, dass der Film sich die Zeit nimmt, die Charaktere auszuloten, ihre Fallhöhen zu etablieren, gewisse offensichtliche Brotkrumen legt, um diese dann säuberlich auch wieder einzusammeln. Dazu wird eine weisere Geschichte über Verfall, Rache, Schuld, Sühne, Vergebung erzählt, die sich bewusst thematisch am Überklassiker "Es war einmal in Amerika" versucht zu orientieren, dabei aber immer seine anatolischen Wurzeln beibehält und seinen Fokus auf etwas völlig anderes lenkt.

Und zwar auf die diversen (Sub-)Kulturen in der Türkei, der Film ist ein mahnendes Plädoyer für Toleranz, Akzeptanz und friedliche Koexistenz, der in seiner finalen Tragik dennoch nicht die Augen vor der Realität verschliesst. nicht unähnlich dem südamerikanischen Äquivalent transzendiert der Film eine Art magischen Realismus, der den Film zu einer Art türkischem popkulturellem Phänomen macht, der ihn in der Türkei seinerzeit zu einem der erfolgreichsten Filme aller Zeiten macht und auch übder die Grenzen der Türkei für sehr positive Resonanz sorgt.

Dabei ist neben der Inszenierung insbesondere die Darsteller-Riege um den alle überragenden Sener Sen besonders hervorzuheben. Einzig muss man objektiverweise sagen, dass der angeblich achso jugendliche Jungspund, als dessen Vaterfigur sich der titelgebende Bandit etabliert ist einfach deutlich zu alt für diese Rolle. Aber das ist dann auch fast nebensächlich im Gesamtkontext. Und der Film kommt nie darüber hinaus etwas billig und behäbig zu wirken: Budgetrestriktionen.

Zum Zeitpunkt des Erscheinens, das nur als zeitliche Einordnung, des Films befand sich die Türkei auf einem absolut westlich orientierten Kuschelkurs, es herrschte eine Art Laissez-Faire- (manche mögen sagen Raubtier-) Kapitalismus, die Privatisierung diverser Sektoren wurde extrem schnell voran getrieben, eine Annäherung und Berücksichtigung diverser Kulturen wurde erstmals auch öffentlich voran getrieben und es wurde eben nicht die einsilbige "Wir sind alles Osmanen"-Parolen der heutigen Zeit herumgeschleudert, welche jegliche Andersartigkeit ablehnt und mit seinen Stiefeln zu zertrampeln versucht. Und das sieht man dem Film einfach in jeglicher Hinsicht auch an, und gerade deswegen ist er in seiner retrospektiven Darstellung und Bewertung vielleicht sogar ein bißchen höher zu bewerten als er es objektiv verdienen täte. Global gesehen kann man dies auch auf eine recht liberale Ära fundieren mit sehr viel Sex, Sleaze, Alkohol (Clinton, Jelzin anyone?)

Das gleiche Team hat übrigens ein paar Jahre später einen etwas weniger erfolgreichen aber dafür nicht minder aussagekräftigen Film gemacht, der das Thema dann auch sehr direkt anspricht, indem er einem Transvestiten ganz klar mehr Arsch in der Hose attestiert als einem Haufen alter Männer, die in der Vegangenheit schwelgen (und solch eine Aussage in solch einem Film aus diesem Land hat durchaus mehr Gewicht als es jetzt auf deutsch wirken mag.)

9 Punkte mit der verklärenden Nostalgiebrille

Der Club

Mittlerweile hat sich aber sehr viel in der Landschaft verändert, die Türkei ist nun in der Hand einer Partei, es herrscht eine allgemeine ablehnende Haltung gegenüber "anderen" (was auch immer das bedeutet) und man orientiert sich nach den alten osmanischen Tugenden: Islam, nur türkisch ist richtig usw. Solche Filme wie die Eroberung von Konstantinopel oder Tal der Wölfe in der x-ten Variierung brechen sämtliche Rekorde, vor allem aber auch außerhalb der Türkei. Dabei wird entweder wissentlich oder ignoranterweise immer wieder unter den Teppich gekehrt, dass sich das osmanische Reich eben so ausbreiten konnte, eben weil es sich divers aufstellte und das Beste aller Kulturen integrierte, und es ursprünglich eigentlich nur aus Machtkalkül dazu kam, dass der Islam zur Staatsreligion erklärt wurde. Das Inklusive durch das Exklsuive zu ersetzen widerspricht also eben genau dem, was gerade überall propagiert und in der mittlerweile aus einem Mund sprechenden Medienlandschaft gelebt wird. Das ist übrigens zu großen Teilen ein globales Problem, das sich irgendwie gefühlt überall auswuchert und auch immer stärker Gehör in der selbst ernannten intellektuellen oder eben auch nicht intellektuellen Elite findet. Sei es in den USA, sei es in Russland, sei es in Deutschland, jedes Land ist quasi irgendwie zwiegespalten zwischen den lautstarken Menschen, die für ihr Verständnis der Demokratie eben über Leichen gehen und einer eigentlich nicht minder großen Menge, die sich aber nicht so vokal formiert. (Um den Vergleich zu oben zu ziehen hier noch die beiden Großmachtpräsidenten dieser Äras: Bush, Trump und Putin). Ich will das jetzt definitiv nicht auf Bildung runter brechen, denn das ist einfach nicht richtig!

Zurück zur Serie: Im Deckmantel einer Retro-Serie über einen Nachtclub im Istanbul der 1950er wird eine recht delikate Geschichte über das türkische Selbstverständnis von heute erzählt und den Umgang mit Minderheiten in diesem Umfeld. All das eskaliert dann schließlich in den finalen zwei Folgen mit dem sogenannten Istanbuler Pogrom.

Das ist hervorragend ausgestattet, sensationell gespielt und hat Dialoge, die nur so vor Gewicht strotzen. Das ist teilweise wieder bestes Autroenkino der späten 1970er und frühen 1980er der Türkei, wo man mühelos von Slapstick in pechschwarze Satire wechseln konnte und sich trotzdem alles organisch, stimmig, kritisch und trotzdem publikumswirksam anfühlte. Der Club geht sehr stark in diese Richtung, und kaschiert all das mit einer offenen Rückwärtsrichtung, die allerdings gerade dadurch umso progressiver wirkt. Dass dann irgendwann gefühlt kein "richtiger" Türke ohne Dreck am Stecken rauszukommen scheint, könnte fast schon als antitürkische Propaganda durchgehen, aber zum einen muss solch eine Serie eben manchmal möglichst platt und plump sein, um auch sein Publikum komplett abholen zu können, und zum anderen gibt es eben keine einfachen Lösungen.

Wenn zum Beispiel beim ähnlich gelagerten indischen Film Bombay am Ende auf ein Zusammenarbeiten hingesteuert wird, um das Land zu retten, gibt es hier selbst in der schlimmsten Nacht keine Annäherung zwischen den parteien, die ja trotzdem das Beste füreinander suchen. das ist auf den ersten Blick unversöhnlich, auf den zweiten Blick gegenüber dem einen guten Türken auch offensichtlich nicht fair, aber auf der anderen seite wahrscheinlich der realistischere Anstrich. Klar, es gibt auch ein versöhnliches alternatives Ende, das auch zeigt, dass es durchaus geht, aber dafür müssen sich alle zusammen raufen.

Die Serie selbst ergeht sich stark im Melodramatischen, was durchaus dem Sujet angebracht ist, und dreht sich teilweise auch mal Folgen lang im Kreis, aber letztendlich sind das alles Elemente, die in solch einer Serie benötigt werden, damit das ahnungslose Publikum erst mal dran bleibt, um dann mit dem tatsächlichen Ziel konfrontiert zu werden. Aber manchmal ist man recht nah am Fremdschämfaktor dran. Andererseits ist alles, was die Serie errreichen will, schon von der ersten Szene an, sehr gut durch strukturiert, wer aufmerksam ist, weiss das sofort. Wenn einer recht früh sagt, dass er sich niemals von Niemandem erpressen lässt, dann ist schon klar, dass da irgendwann etwas passieren wird, wo es eigentlich nur zwei Möglichkeiten gibt, und so viel sei gesagt, beides passiert! Wenn jemand großkotzig etwas behauptet, dann kommt der Bumerang immer mit größtmöglicher Wucht zurück. Wenn die Bilder arrangiert werden, dann sind sie auch immer in gewisser Hinsicht auch Gemälde.

Wenn man gefühlt das letzte Abendmahl in Form einer Einstellung aufgezeigt bekommt, allerdings nur mit 7 Personen im Bild, dann hat das auch immer was damit zu tun, mit welcher Religion wir es gerade zu tun haben. Sprich, wenn sie will, kann die Serie schon sehr schlau sein, sie kann aber auch anders. Eben ein Crowd Pleaser.

Und genau das ist der Serie auch gelungen, trotz der sehr einseitigen Medienlandschaft hat die Serie durchaus ein sehr wohlwollendes Echo erfahren und ist auch recht erfolgreich. Für das Klima in der Türkei ist die Serie durchaus gewagt und teilweise auch ziemlich mutig, vor allem seitens der beteiligten Leute vor der Kamera, alleine dafür muss man Netflix für solch eine Serie dankbar sein.

Gibt es histroische Inakuratessen? ja, zuhauf, aber gerade das macht auch sehr deutlich, dass es sich lediglich um eine getarnte Gegenwartsanalyse handelt.

Auch hier, mit dem Bonus, in welchen Zeiten das Ding raus kommt, gibt es sehr wohlwollende 9 Punkte

Objektiv gesehen sind es wahrscheinlich nur 7-8 Punkte, denn aus anderen Ländern kommen derzeit von Netflix ebenfalls sehr gute Produkte, die dann doch deutlich intelligenter, schonungsloser, radikaler und besser sind, aber da liegt es mit der Freiheit der Medien auch ein bißchen besser, ich denke da etwa an den absolut überragenden Delhi Crime Story, der absolute 10 Punkte ist. (und wenn ich mir das recht überlege: So weit mit der Pressefreiheit ist es auch in Indien nicht, denn nach ein paar mutigen und kritischen erfolgreichen Serien seitens Netflix, die seitens der Machthaber als Nestbeschmutzung wahrgenommen wurden, ist ein Zensurgesetz für Streamingserien in Kraft getreten - tja, so viel dazu - globales Phänomen gerade, wie oben schon geschrieben).

P.S.: Nur nochmal kurz als Erklärung des Titels der Kritik: Yesilcam ist das trükische Äquivalent zu Hollywood, Bollywood, Cinnecitta etc.

Eskiya - Der Bandit Bewertung
Bewertung des Films
910

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MobyDick : : Moviejones-Fan
27.01.2022 11:44 Uhr
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Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

Es ist mal wieder an der Zeit für eine kleine Randgruppenkritik, geht ja nicht immer nur mit Blockbustern Marke Marvel laughing

Dünyayi Kurtaran Adam
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