Bewertung: 5 / 5
Jackie Brown ist Tarantinos Folgewerk zu seinem Jahrhundertfilm Pulp Fiction. Und in diesem Film zeigt Tarantino erst- und letztmalig sein volles Potential, indem er einen Film dreht, der sowohl alle vor den Kopf stösst als auch alle abholt, und auch so etwas bei Tarantino aufzeigt, das als Zeichen von Wachstum angesehen werden könnte. Doch leider geht der Film im Vergleich mit dem Vorgänger derart unter, dass es bei diesem einen letzten Aufbäumen bleibt?
Tarantino war schon seit jeher ein Fan von B-Movies, Arthouse-Filmen, Asien-Krachern und eben halt Pulp Novels. Nirgendwo hat er das so perfekt in einen Film gepackt wie vielleicht in Pulp Fiction - manche mögen auch Kill Bill nennen - aber tatsächlich hat er es nirgendwo so nonchalant und unaufgeregt, so gediegen, clever und reif äsentiert wie in Jackie Brown.
Offensichtlich ist Jackie Brown eine Hommage an all seine Idole der Kindheit, sei es Elmore Leonard, sei es Robert Forster, sei es Pam Grier (die hier übrigens niemals als letzte genannt werden dürfte), sei es die coole 70s Music. Der Film ist gleichzeitig aber auch eine Hommage an die Filme seiner Kindheit, die eben den typischen Leonard-Style haben: Ein intelligenter Gauner legt sich mit einem sadistischen überlegenen Gegner an und muss über sich hinaus wachsen um selbst zu überleben. Dabei ist das Prunkstück der Erzählung auch immer, dass die Dialoge und Handlungen immer glaubwürdig und nachvollziehbar bleiben und unser Held in der Regel eher aus der unteren Mittelschicht kommt. Da werden dann auch zarte Bande geknüpft, die allerdings eher vage Hoffnungen bleiben als realistische Gedankenspiele.
Jackie Brown macht all das richtig gut, der Film serviert uns ein Panoptikum an Figuren und lässt sie allesamt irgendwie gegen die Wand fahren in einem Film, der zu einer Zeit raus kommt, als Tarantino und solche Namen wie Ritchie gerade das Gangster-Kino neu aufstellen. Da wirkt Jackie Brown einerseits wie eine Weiterentwicklung und könnte tatsächlich in einen Topf wie Snatch gepackt werden, andererseits ist der Film aber auch gar nicht daran interessiert, diese Tropen zu bedienen oder zu verherrlichen, sondern eher daran gelegen, dieses Narrativ zu unterwandern und eine stimmige stringente Geschichte zu erzählen. So paradox es klingt, der Film kommt sowohl zu spät als auch zu früh, er ist ein tatsächlicher Abgesang als auch eine Ehrerbietung. Das spiegelt sich auch im Bildformat wieder, welches komplett typisch auf 70s Niveau ist und Technicolor und Panavision den Stinkefinger zeigt.
Inhaltlich, inszenatorisch, schauspielrisch gibt es nicht einen Aussetzer, Tarantino ist hauptsächlich daran gelegen, die beiden B-Movie-Ikonen von einst perfekt in Szene zu setzen, und ähnlich wie Pacino und DeNiro in Heat in ihren wenigen gemeinsamen Szenen die Leinwand entflammen tun es die wenigen gemeinsamen Szenen mit Grier und Forster auch, mit einem Finale, das sich richtig gewaschen hat.
Jackie Brown ist der mit Abstand reifste Film von Tarantino und fernab seinem mittlerweile selbst auferlegten Stilge-Hüstel-hüstel a la Once Upon a Time in Hollywood oder Hateful Eight, wo er zwar wirklich hervorragende Filme abliefert, aber eben dann doch nur in einem bestimmten selbst auferlegten Korsett gefangen ist. Keiner seiner Filme, die Jackie Brown folgten hat jemals wieder so etwas geatmet, wo man meinen könnte, Tarantino hat sich weiter entwickelt. Bei Inglorious Basterds war das Medienecho einhellig: Da isser endlich wieder!
Ja, das stimmte, aber wenn man ehrlich ist, ist dies auch ein trauriges Echo für einen Künstler dieses Kalibers.
Mit Jackie Brown ist er damit auf der Höhe seines Schaffens und Könnens und zumindest hier stehen ihm alle Türen offen in jegliche Richtung. JEGLICHE!
Dass er retrospektiv dann nur in eine Richtung gefahren ist, macht Tarantino jetzt objektiv nicht schlechter (für mich irgendwie schon), aber vergrößert meinen Respekt vor diesem vielleicht unterbewertetsten Film des Mannes doch sehr. (Und ich lege mich jetzt schon fest, sein letzter Film wird es ebenfalls nicht schaffen, diesen Film zu entthronen)
Meisterwerk: 10 Punkte
