Bewertung: 2.5 / 5
Eiskalte Engel (Originaltitel: Cruel Intentions) ist die Neuauflage des gleichnamigen Kultfilms aus dem Jahr 1999. In acht Episoden zeigt Amazon Prime Video ein Remake, das seinen Ursprung in Choderlos de Laclos’ Roman Gefährliche Liebschaften aus dem Jahr 1782 hat. Wir verraten euch in unserer Kritik, ob sich die neue Serie lohnt oder ob man lieber beim Original bleiben sollte.
Review zu Eiskalte Engel Staffel 1
Die Geschichte spielt an einer noblen Universität in Washington D.C. Auf dem Campus finden sich mehrere Studentenverbindungen, die miteinander konkurrieren. Caroline Merteuil sorgt sich um ihr Haus und führt es als Aushängeschild an. Sie bittet ihren Stiefbruder Lucien Belmont, Annie, die Tochter des Vizepräsidenten, für ihr Haus zu gewinnen. Sollte ihm das gelingen, bekommt der draufgängerische Bruder eine intime Stunde mit seiner Stiefschwester, andernfalls erhält sie sein Auto.
Die Handlung kommt einem bekannt vor. Eiskalte Engel versteckt sich nicht davor, seinen Kultvorgänger in Teilen zu kopieren. Manche Szenen sind nahezu identisch eingefangen und bereits in der ersten Folge wird kurz Bitter Sweet Symphony angespielt. Der Vorgänger aus dem Jahr 1999 dient als Rahmen der Serie.
Eiskalte Engel versucht jedoch teilweise manches anders zu machen - ein Ansatz, der zunächst vielversprechend klingt. Die Handlung wurde von New York in die US-Hauptstadt Washington D.C. verlegt. Unsere drei Hauptfiguren sind Caroline (Sarah Catherine Hook), Annie (Savannah Lee Smith) und Lucien (Zac Burgess).
Leider verliert sich die Serie bereits ab der ersten Episode in scheinintellektuellen Dialogen, die selten zu interessanten Charakterentwicklungen oder -definitionen führen. Besonders Caroline leidet in der ersten Hälfte der Staffel unter diesen schwachen Gesprächen.
Die ersten drei bis vier Episoden wirken allgemein sehr träge. Es wird viel gesprochen und behauptet, aber wenig gesagt oder tatsächlich gezeigt. Ein Lichtblick zu Beginn ist die Figur Blaise Powell, gespielt von John Kim. Er verkörpert einen homosexuellen Studenten, der einen Neuankömmling unter seine Fittiche nimmt, um Zugang zu dessen wohlhabendem Vater zu erhalten.
Darüber hinaus bietet die erste Hälfte der Staffel wenig Spannung, weder in der Charakterentwicklung noch im Handeln der Figuren. Häufig orientiert sich das Geschehen an Eckpunkten des Films von 1999, wird aber immer wieder von gesellschaftspolitischen Themen rund um das Studentenverbindungsleben überlagert. Es geht um das Ansehen der Verbindungen, die Mitgliedergewinnung und auch um Professoren. Auffällig ist jedoch, dass in der gesamten ersten Staffel keine einzige Vorlesung besucht, kein Lernen gezeigt und es generell keinen Fokus auf Wissensgewinnung gibt. Im Vergleich dazu präsentieren Filme wie The Social Network oder Club der Cäsaren zwar ebenfalls die gesellschaftlichen Strukturen an Universitäten, zeigen aber zugleich, wie die Studenten an ihrer Bildung arbeiten.
Der Film Eiskalte Engel von 1999 hat diese Aspekte ebenfalls nicht thematisiert, spielte in seiner kompakten Laufzeit von unter zwei Stunden jedoch komplett zwischen den Schuljahren und musste so keine Bildungseinrichtung betreten. Bei der Serie haben wir jedoch eine Zeitspanne von mindestens drei Monate, da ist das Vorgehen durchaus ungewöhnlich.
Ab etwa der fünften oder sechsten Episode schlägt die Serie einen anderen Weg ein. Die Hauptfiguren treten teilweise in den Hintergrund und es scheint, als könnte Eiskalte Engel eine eigene Identität entwickeln. Diese Episoden gehören zu den besseren Teilen der Staffel und bieten stellenweise ordentliche bis gute Unterhaltung. Allerdings werden die aufgegriffenen Handlungsstränge bis zum Ende der Staffel nicht konsequent weitergeführt. Stattdessen verfällt die Serie in alte Muster zurück: Es wird viel gesprochen, aber wenig gehandelt.
Die schauspielerischen Leistungen lassen sich schwer bewerten, da die Figuren offensichtlich unter einem schwachen Drehbuch leiden. Sarah Catherine Hook (Conjuring 3 - Im Banne des Teufels) bleibt blass und erreicht in keiner Facette die Darstellung von Sarah Michelle Gellar. Zac Burgess (Boy Swallows Universe) wirkt wie eine mäßige Kopie von Ryan Phillippes Verkörperung. Lediglich Savannah Lee Smith (Gossip Girl) als Annie Grover setzt ein paar Akzente und muss sich damit keinem Vergleich mit Witherspoon stellen.
Zu Beginn der Staffel sticht John Kim (9-1-1: Notruf L.A.) positiv hervor, verschwindet jedoch im Verlauf der Handlung zunehmend. Claire Forlani (Rendezvous mit Joe Black) überzeugt als Mutter bzw. Stiefmutter der Hauptfiguren. Ihre Rolle ist leider sehr kurz, doch ihre Ausstrahlung und Präsenz hinterlassen Eindruck. Schade dass man mit ihr nicht mehr gemacht hat.
In der erzählerischen und kreativen Verantwortung stehen bei Eiskalte Engel die beiden Showrunner Phoebe Fisher und Sara Goodman, welche beide gemeinsam zuvor an der Serienadaption Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast gearbeitet haben. Ihnen ist es nicht gelungen, ein gutes Konzept für so eine Neuauflage auf die Beine zu stellen. Ein bisschen vermitteln sie den Eindruck, dass sie in keiner Richtung groß anecken wollten. Zwar strecken sie überall die Fühler aus, aber es wird kein Weg konsequent verfolgt. Wenn man nicht weiter weiß folgen ermüdende Gespräche über die Bedeutung der verschiedenen Studentenvereinigungen.
Während die Haupthandlung sich auf diese gesellschaftspolitischen Spielchen konzentriert, tauchen immer wieder bekannte Elemente des Films von 1999 auf: Lucien und Annie verbringen einen Tag in einem Altersheim oder Luciens Auto wird wiederholt als Szenenanker genutzt – allerdings stets in der gleichen Einstellung auf derselben Straße.
Gelegentlich findet die Serie Zeit für zwischenmenschliche, intime Momente, die jedoch selten ästhetisch ansprechend inszeniert sind und oft frühzeitig weggeschnitten werden. Auch hier kann der bereits erwähnte Mittelteil der Staffel ein paar Akzente setzen.
Modernere Themen wie Social Media oder ähnliche gesellschaftliche Belange werden kaum aufgegriffen, abgesehen davon, dass Lucien seine sexuellen Interaktionen einvernehmlich mit seinen Partnerinnen auf seinem Smartphone festhält.
Musikalisch begleitet die Serie sanfte Töne, ähnlich wie das Original. Diese Hintergrundmelodie ist passend, aber nicht nachhaltig. Zwischendurch werden ruhige Coverversionen von Bitter Sweet Symphony oder Every You Every Me angespielt, die zwar gut klingen, aber abgekupfert daher kommen.
Fazit
Das Serienformat von Eiskalte Engel ist ein zähes Stück, das die meisten soliden Schauspieler durch ein mäßiges, in die Länge gezogenes Drehbuch ausbremst. Die Serie kann keine neuen Facetten gegenüber dem stimmungsvollen Film von 1999 eröffnen und orientiert sich stattdessen stark an diesem, ohne jedoch bei irgendeinem Thema mithalten zu können.
Die Serie erreicht weder die gesellschaftliche noch die erotische Wirkung des Originals. Der zähe Beginn erschwert es, bis zu den etwas interessanteren Episoden im Mittelteil vorzustoßen. Am Ende fühlt es sich an, als hätte man sich das Original auf Sparflamme angeschaut.
Neugierige können einen Blick riskieren, doch empfehlenswerter ist es, den Film von 1999 anzuschauen. In einem Drittel der Zeit wird dort dieselbe Geschichte intensiver und stimmungsvoller erzählt. Lest dazu gerne unsere Retro-Kritik zu Eiskalte Engel.