War Shakespeare ein Genie – oder ein genialer Bluff? Diese Frage stellt Roland Emmerichs Historienfilm Anonymus aus dem Jahr 2011, der sich mit einer der umstrittensten Theorien der Literaturgeschichte beschäftigt: der sogenannten Oxford-Theorie. Laut dieser war nicht William Shakespeare der Autor der berühmten Dramen, sondern Edward de Vere, 17. Earl of Oxford – ein adliger Intellektueller, der seine Werke aus politischen Gründen nicht unter eigenem Namen veröffentlichen konnte.
Der Film ist nur noch heute (10. November) in der ARTE-Mediathek verfügbar. Wer ihn verpasst, kann ihn am Donnerstag, 14. November um 14:00 Uhr im linearen TV auf ARTE sehen.
Intrigen, Theater und die Macht der Worte
London um 1600: Edward de Vere lebt im Schatten des Hofes, verbannt nach einer Affäre mit Königin Elisabeth I. Heimlich schreibt er Theaterstücke, die politische Botschaften transportieren und das Volk beeinflussen sollen. Doch als Adliger darf er nicht öffentlich auftreten. Stattdessen engagiert er den Bühnenautor Ben Jonson – und indirekt den ungebildeten Schauspieler William Shakespeare, der bald als vermeintlicher Autor gefeiert wird.
Parallel entfaltet sich ein Machtkampf um die Thronfolge: William Cecil und sein Sohn Robert wollen den schottischen König James als Nachfolger installieren – gegen den Willen der alternden Königin. Edward versucht, über seine Stücke Einfluss zu nehmen, unterschätzt jedoch die Intrigen seiner Gegner.
Emmerichs Ausflug ins Historienkino
Anonymus ist ein seltener Ausflug des Blockbuster-Regisseurs Roland Emmerich ins politische Kostümdrama. Gedreht wurde in den Studios Babelsberg und im Berliner Hebbel-Theater. Die visuelle Gestaltung ist opulent, die Atmosphäre düster und die Kameraarbeit von Anna J. Foerster präzise und elegant. Die Musik stammt von Harald Kloser und Thomas Wander, die bereits bei 2012 und The Day After Tomorrow mit Emmerich zusammenarbeiteten.
Die Besetzung von Anonymus vereint Shakespeare-Stoff mit echter Starpower. Rhys Ifans übernimmt die Rolle des Edward de Vere, während Vanessa Redgrave und Joely Richardson Königin Elisabeth I. in unterschiedlichen Lebensphasen verkörpern. David Thewlis spielt den einflussreichen Politiker William Cecil, und Rafe Spall tritt als William Shakespeare auf. In weiteren Rollen glänzen Mark Rylance, Jamie Campbell Bower, Vicky Krieps und Derek Jacobi.
Die aufwendige Produktion wurde mit sechs Deutschen Filmpreisen ausgezeichnet und erhielt eine Oscar-Nominierung für das beste Kostümbild.
Zwischen Fiktion und Provokation
Anonymus spaltete Kritiker und Publikum. Während einige die mutige These und die visuelle Umsetzung lobten, kritisierten andere die historische Ungenauigkeit und die dramaturgische Überzeichnung. Doch gerade diese Mischung aus Fakt und Fiktion macht den Film zu einem spannenden Beitrag zur Debatte um Autorschaft, Macht und Manipulation. Wer sich selbst eine Meinung bilden möchte, hat heute noch und am Donnerstag im linearen TV die Chance dazu.
