Bewertung: 4 / 5
Als allererstes möchte ich auf die sehr gute Besprechung des Films von Silencio hinweisen, im Grunde genommen steht dort alles Wesentliche schon drin. Der einzige Grund für dieses Review ist letztendlich der, weil meine Rezeption überraschenderweise etwas anders ausgefallen ist.
Jojo ist ein kleiner Nazi-Junge im zweiten Weltkrieg, dessen alleinstehende Mutter bei sich eine Jüdin versteckt hat. Zudem ist sein imaginärer bester Freund Hitler.
Trailer zu Jojo Rabbit
Wer jetzt nur Thor 3 kennt, und den Trailer zu Jojo sieht, dürfte vielleicht eine quietschbunte gallige treudoof-Platte Burleske erwarten. Und man kann es dem Zuschauer auch gar nicht verdenken, dass dies im Vorfeld angenommen wird. Tatsächlich legt der Film am Anfang diese Ausrichtung vor und geht mit sehr hohem Tempo und extremer Schlagzahl in die Vollen. So wird eine Erwartungshaltung geschürrt, welche anscheinend tatsächlich bei einigen auch dann Nachklang oder Anklang findet. Das ist die Sache mit der Rezeption.
Ich persönlich muss sagen, dass ich das Gefühl hatte, dass der Film ab dem Eintritt von der Mutter deutlich diese Erwartungen unterläuft und statt dessen zu einem zaghaften und mutigen kleinen Coming-of-Age der anderen Art wird. Jegliche Erwartungen, die aufgebaut wurden durch Trailer und aberwitzigem Einstieg, werden nach wie vor zwar IRGENDWIE noch bedient, aber alles ist eine Stufe gedämpfter und irgendwie "Weiser" ausgerichtet. Die lustigsten Szenen sind die aus den Trailern, und Rebel Wilson ist eine unglaubliche neue Art von Frankensteins Braut, aber sonst ist sehr viel Wehmut und Annäherung angesagt.
Der von vielen extrem hervorgehobene Humor verkommt niemals zum Selbstzweck sondern dient immer auch gleichzeitig, um erstens die komplette Groteske der gesamten Situation zu demonstrieren und zweitens ist irgendwann auch gar nicht mehr so klar, was tatsächlich so ist und was irgendwie von Jojo wie verarbeitet wird.
Wenn man den Humor mit irgendwas vergleichen müsste, und die meisten meinen, es handele sich um guten Dumm und Dümmer Humor, so muss ich mich dem komplett entgegenstellen. Die besten beiden Komödien in diesem Subjekt sind Der Große Diktator und Sein oder Nichtsein. Ich persönlich fand schon immer, dass Chaplins Film irgendwann die Puste ausgeht, und Lubitschs Klassiker trotz seiner eigentlich nie endenden Flapsigkeit eben deswegen der bessere Film ist. Das hat beispielsweise auch Mel Brooks so gesehen und irgendwann eine wirklich brauchbare etwas brachialere Komödie remaked. Jojo Rabbit ist tatsächlich näher an Lubitsch als an Brooks und Chaplin. Und das ist meines Erachtens schon mal eine enorme Aussage!
Die ruhigeren Momente des Films hingegen zur Mitte des Films ziehen ihn teilweise etwas in Richtung Durchschnitt, was der Film eigentlich zu jedem Zeitpunkt übertrifft, nur um dann ab einer bestimmten Entwicklung in ganz große Gefilde zu geraten. Das ist ein Glücksfall von Film, der je näher das Ende kommt, desto eindringlicher und besser der Film wird.
Und dazu trägt neben der Entscheidung, komplett alles aus der Sicht des Jungen zu erzählen (quasi Komm und sieh Light) auch noch Tatsache, dann eben die anderen wichtigen und unwichtigen Handlungsebenen nie ganz auszusprechen sondern es andeutungsweise auslaufen zu lassen. Hinzu kommt ein absolut überragendes Nebendarstellerensemble, in welchem in meinen Augen wirklich keiner den anderen überstrahlt. Sicher Johannson wird - zu Recht- über den Klee gelobt, aber ganz ehrlich: Ein Rockwell demonstriert hier geradezu mit beiläufiger Leichtigkeit, warum er einer der besten seiner Generation ist. Selbst ein Alfie Allen fällt nicht negativ auf.
Im Grunde genommen haben wir einen nachdenklichen, schönen Film über das Erwachen in einer schrecklichen Zeit.
Und noch etwas völlig anderes: Waititi demonstriert hier mit absoluter Leichtigkeit, wie man weibliche Füße dramatisch und richtig in Szene setzt. Move over, Quentin!
Letztendlich war ich während dem Film eher bei 7 Punkten, am Ende bei sackstarken 8 Punkten, und im Nachhinein bei fast 9 Punkten. So großartig ist der Film. Ich muss ihn trotzdem mal sacken lassen und belasse es mal 8 Punkten, mit ganz starker Tendenz zu 9!
Daher jetzt meine inständige Bitte an alle Interessierten: Lässt euch vom vermeintlich dummderben Humor nicht davon abhalten, einen der besten Nazikomödien aller Zeiten zu sehen! Denn wie gesagt, den Humor nimmt man irgendwann so nicht mehr wahr, dafür ist die erzählte Geschichte einfach zu .-