Es ist nie leicht, bei einer Serie mit einer ganz neuen Geschichte und neuem Cast noch einmal zu überzeugen, vor allem, wenn Staffel 1 auf hohem Level vorgelegt hat. Das gilt nicht nur für True Detective, dessen neue Runde durchaus sehenswert ist, aber nicht mehr an das Level von Staffel 1 herankommt. Anders bei Fargo. Staffel 1 war auch hier eine abgeschlossene schön skurrile, spannende und witzige Krimigeschichte, die auch noch mit Martin Freeman und Billy Bob Thornton in den Hauptrollen aufwarten konnte. Staffel 2 hat wie in True Detective einen ganz anderen Ton und Stil. Wärmere Farben, auch durch die Settings im 70er Jahre-Flair, Splitscreens, ein größerer Cast mit unter anderem Patrick Wilson als jüngere Ausgabe von Lou Solverson, der in Staffel 1 von Keith Carradine gespielt wurde, und Jesse Plemons und Kirsten Dunst als unfreiwilliges Gangsterpärchen. Dazu mehr Spielorte in Minnesota und South Dakota, mehr Verwicklungen und Nebenstränge durch breiter angelegte Mafiastrukturen, die die neue Runde epischer und saftiger wirken lassen.
"Fargo" Season 2 Trailer 1
Fargo Staffel 2 Story
Unfreiwillig gerät ein verheiratetes Pärchen aus Laverne in Minnesota, Metzger Ed Blumquist (Jesse Plemons) und seine Frau, Kellnerin Peggy (Kirsten Dunst), im Jahr 1979 zwischen die Fronten einer lokalen Gangsterfamilie, den Gerhardts, und deren Konkurrenz, einem Verbrechersyndikat aus Kansas City: Peggy, die unzufrieden mit ihrem Leben auf der Suche nach ihrem wahren Ich ist, hätte sich wohl nie träumen lassen, zu was für einem Desaster ein Autounfall sie und ihren Mann führen wird...
Fargo Staffel 2 Kritik
Schon die erste Folge von Fargo Staffel 2 zieht den Zuschauer gleich in seinen Bann. Das liegt zum einen an einem äußerst skurril ablaufenden Mord, der schließlich in einem Autounfall mit Fahrerflucht mündet, wodurch Fahrerin Peggy ins Spiel kommt. Und das Desaster ab dann erst so richtig schräg seinen Lauf zu nehmen beginnt. Zum anderen liegt es am kultigen 70er Jahre-Setting, das wunderbar in Szene gesetzt wird, auch die Musik gefällt uns ausnehmend gut. Trotz des großen Casts von acht Hauptfiguren wird man rasch warm mit den neuen Charakteren, die allesamt auf ihre je eigene Weise äußerst schräg sind, jede Figur hat ihren ganz eigenen kultigen und witzigen Charme. Und ihr ganz eigenes kultiges 70er-Styling. Wüssten wir es nicht besser, hätte die Serie auch von Quentin Tarantino sein können, das betrifft neben dem Ton, Stil, der Charakterzeichnung und der ganzen Inszenierung auch die schrägen Dialoge. Man könnte sagen, Pulp Fiction meets Jackie Brown.
Das ulkige Metzgerpärchen Ed und Peggy sind wiederum mal ein ganz andere Art von schräger Bonnie und Clyde-Paarung, ähnlich wie Martin Freemans unscheinbarer Versicherungsvertreter in Fargo Staffel 1 gerät das unscheinbare Paar hier unfreiwillig in eine Krimistory, in die sie eigentlich nicht reingehören. In ihrem Fall geht es um den Machtkampf zweier Gangsterbanden: Da wäre Lavernes deutsche Einwandererfamilie Gerhardt, die nach dem Schlaganfall des Patriarchen Otto Gerhardt (Michael Hogan, Battlestar Galactica) unter der Führung von Mutter und nun Matriarchin Floyd (Jean Smart, Samantha Who?) um ihre Position in der Unterwelt bangen muss. Die Übernahme droht vom Kansas City-Syndikat unter der Führung von Joe Bulo (Brad Garrett), dessen Interessen Bulos coole rechte Hand Mike Milligan (Bokeem Woodbine, Riddick - Überleben ist seine Rache) mit seinen nicht weniger coolen Buddys durchzusetzen versucht.
Lou Solverson (Patrick Wilson, Conjuring - Die Heimsuchung) ist der deutliche Held und Fels in der Brandung in Fargo Staffel 2, Ted Danson (Cheers) mimt seinen Schwager Hank Larsson, ein Vietnamveteran und nun Sheriff von Rocky Mountain, Lous krebskranke Frau Betsy wird von Cristin Milioti (How I Met Your Mother) gespielt. Tochter Molly Solverson, hier sechs Jahre alt, sahen Fargo-Fans als Erwachsene in Staffel 1, nicht die einzige Verbindung, die Staffel 2 neben dem Sioux Falls-Massaker zur ersten Runde zu bieten hat. Die große Offenbarung im Staffelfinale verraten wir euch nicht, doch sie bietet eine Verlinkung mit einem Charakter aus Staffel 1 in Episode 6. Diese sollte man vorher noch einmal schauen, wer sich nicht gut erinnert, wird die Verlinkung sonst nicht bemerken.
Die Darsteller machen ihre Sache in Fargo Staffel 2 allesamt wirklich hervorragend und hauchen damit den seltsamen Figuren überzeugend und kultig Leben ein. Besonders hervorheben müssen wir Zahn McClarnon (Longmire) als Auftragskiller Hanzee, den alle meist nur den Indianer nennen. Ein schweigsamer äußerst tödlicher Geselle. Auch Kirsten Dunst (Spider-Man-Trilogie) als Kellnerin in Nöten auf Feminismustrip und Jesse Plemons’ (Black Mass) Ed als einfach gestrickter Fleischer mit Herz sind einfach nur herrlich komisch, sowie Jeffrey Donovan (Sicario) als etwas dümmlicher Gangstersohn Dodd Gerhardt - und doch nimmt man all die Figuren auch genügend ernst. Mehr Comedyelemente sind tatsächlich vorhanden, dennoch ist es eher eine Dramedy, in der Balance vergleichbar mit Better Call Saul. Das Blut spritzt reichlich, dennoch nie allzu übertrieben sinnlos, es passt einfach. Wir können nicht mehr wirklich zählen, wie viele Tötungsarten thematisiert werden, aber so ziemlich jede kommt vor, allen voran natürlich die klassischen Bandenschießereien oder Cop-Gangster-Szenerien. Gegen Ende auftauchende dusselige Cops aus South Dakota verstärken zudem das Tarantino-Feeling. Ronald Reagans Wahlkampf kommt tatsächlich vor, spielt aber nur eine untergeordnete Rolle, doch für die Darstellung der Zeitepoche passt der Part gut rein und wird witzig eingebunden, ebenso die Anspielungen auf Watergate und der damalige Hype um UFO-Sichtungen.
Fargo Staffel 2 Fazit
Die zweite Staffel ist witziger als Staffel 1 angelegt, was aber hervorragend zum 70er Jahre-Stil passt. Die Story ist spannend und nicht weniger skurril als in Staffel 1, fühlt sich aber satter und epischer an durch den vergrößerten Cast mit mehr Handlungsspielräumen. Einerseits fühlt sich die Staffel wegen der Neuerungen wie ein eigenständiges Spin-off an, andererseits aber sind genug Ähnlichkeiten und Verlinkungen zur ersten Runde zu erkennen, genau richtig für eine Anthologieserie. Was in True Detective Staffel 2 etwas gekünstelt erneut versucht wurde zu erzeugen, wirkt hier kultig, frisch und einfach nur äußerst unterhaltsam und cool. Absolut gelungen und damit nur zu empfehlen. Sollte man irgendwann über ein Spin-off nachdenken, dann bitte ein Prequel zu Hanzee aka Der Indianer. Staffel 2 des Spin-offs könnte dann ein Sequel zu Staffel 2 von Fargo sein, das wiederum vor Fargos Staffel 1 spielt, wenn ihr die neue Runde gesehen habt, wisst ihr, warum. Staffel 2 ist seit heute komplett bei Netflix anschaubar, auch in der deutschen Fassung.
Ausblick auf Fargo Staffel 3
In einem Interview mit Serienschöpfer Noah Hawley wurde bereits bekannt, dass Fargo-Fans sich bis Frühling 2017 für eine neue Runde gedulden müssen, da der Zeitplan es nicht hergibt, diesen Winter noch eine neue Staffel zu drehen. Da die Serie aber nunmal das Winterambiente braucht, wird sie wohl erst im Winter 2016 produziert. Während das Sioux Falls-Massaker aus Staffel 1 zur Story von Staffel 2 führte, soll Staffel 3 keinen solchen Aufhänger haben. Zuvor wurde auch schon bekannt, dass die neue Runde wieder mehr in der Gegenwart spielt, im Jahr 2010. Also ein paar Jahre nach den Ereignissen von Staffel 1. Thematisch findet Hawley eine Story interessant, in der einfache Menschen in einer narzisstischen Zeit der Selfie-Generation versuchen, ihr Leben zu leben. Es soll zudem keiner der Charaktere der vorherigen Staffeln wiederkehren. Dennoch könnten storybezogene Verlinkungen eingebunden werden. Reichlich Zeit für die Entwicklung einer spannenden neuen Story hat Hawley ja nun.