Ich möchte gar keinen großen Worte zu den Stärken verlieren, es ist im Prinzip ohnehin bereits alles gesagt, ein meisterhafter Abgesang auf den American Dream und die (von der Prohibition profitierende) organisierte Kriminalität, partiell* mit einer deutlichen Kritik an toxischer Männlichkeit und gestörter Sexualität. Noodles Gangmitglieder unter der Erde oder kurz vor dem Karrieretod, er selbst endet als opiumabhängiger, verarmter, Jahrzehnte lang von Schuld zerfressener und sichtlich gealterter Mann, während Deborah - die Noodles in der Jugend noch vom Weg der Kriminalität abbringen wollte - zum jung und schön gebliebenen Schauspielstar, sprichtwörtlich zur Königin (Kleopatra) aufsteigt. Robert De Niro trägt Altersmaske, während sich Elizabeth McGovern als Deborah in der Garderobe die Schauspielmaske abschminkt, bis ihr auch nach 35 Jahren nicht gealtertes Antlitz offenbart wird. Besser lässt sich das wohl kaum umsetzen.
Erfrischend im Genre des Mafia-/Gangsterfilms, bei "Es war einmal in Amerika" handelt sich nicht wie so oft um eine Erzählung aus italo-, irisch- oder hispanoamerikanischer Perspektive, sondern aus jüdisch-amerikanischer Sichtweise. Scott Schutzman Tiler, der die junge Version von De Niros Noodles spielt, finde ich mega süß, sehr schade, dass ihm im Gegenstaz zu Jennifer Connelly, der jungen Deborah, keine große Schauspielkarriere vergönnt gewesen ist.
* Mit dem "partiell" beziehe ich mich auf die Darstellung von Peggy und Carol. Bei Peggy handelt es sich zu Beginn des Films wie bei den anderen Kids um ein minderjähriges Mädchen aus dem jüdischen Immigrantenviertel, welches sich zum Vergnügen gegen Cremetörtchen als Entgelt von gefühlt jedem Mann im Viertel besteigen lässt, seien es halbstarke Jungs wie Noodles und seine Freunde oder 50-jährige Männer. Carol ist eine Bankangestellte, die in Anbetracht der maskierten und gewalttäitgen Bankräuber sexuell erregt wird und sich bereitwillig von Noodles vergewaltigen lässt, ein paar Jahre später ein weiteres Mal auf die Gang trifft, den Täter in fröhlicher Atmosphäre anhand der in Reihe entblößten Penisse zu identifizieren versucht und in Folge dessen schließlich eine Beziehung mit Max eingeht. Soll man dieses Verhalten der Frauen nun als (masochistische) Nymphomanie oder als chauvinistische Altherrenphantasie begreifen? Möglich sind beide Lesarten, in Leones Werk ist das zudem kein Einzelfall, solche Szenen existieren auch in "Spiel mir das Lied vom Tod" (Frank und Jill) und "Todesmelodie" (Juan und die Frau aus der Kutsche). Für mich persönlich verschwimmen hier die Grenzen zwischen Masochismus & Nymphomanie auf der einen und Vergewaltigung & Altherrenphantsie auf der anderen Seite zu stark, auch wegen Leones humorvoller bis poetischer Stilisierung dieser Szenen, aus meiner Sicht mitunter hochgradig unangenehm und im Gesamtkontext der Filme auch unnötige Szenen.
Die Auflösung am Ende des Films lässt sich ebenfalls kritisieren. Max hat mit Hilfe der korrupten Polizei und des Gangstersyndikats seinen eigenen Tod inszeniert, um sich dann in der Heimatstadt New York eine neue Identität als gewerkschaftsnaher Staatssekretär aufzubauen, obendrein mit Noodles Geliebter als Lebenspartnerin, die eine Schauspielerin ist? So in der Öffentlichkeit stehend, da sollte es doch nur eine Frage der Zeit sein, bis er von New Yorkern erkannt wird, erst recht von seinem Freund und Deborahs Bruder Fat Moe oder von Noodles persönlich, der sich zwar im "Exil", aber immer noch in den USA befindet. Aus Sicht der Polizei und des Syndikats eigentlich viel zu riskant, es ist ein Wunder, dass Max 35 Jahre lang damit durchgekommen ist^^
9 von 10 Punkten