Bewertung: 2.5 / 5
Mehrere Jahrzehnte sind seit den ersten Verfilmungen von Mary Shelleys weltberühmtem Roman über die Erschaffung eines künstlichen Menschen vergangen. Jede Verfilmung hielt sich mal mehr, mal weniger an die klassische Vorlage und auch Paul McGuigan zögert mit allzu genauen Referenzen in seinem Victor Frankenstein - Genie und Wahnsinn. Dafür erleben wir ein bildgewaltiges Spektakel passend für das actionorientierte Publikum der Neuzeit.
Als Krüppel gebrandmarkt, fristet ein junger Mann (Daniel Radcliffe) als Clown und Handlanger in einem Zirkus sein Dasein. Doch niemand ahnt, dass in ihm weitaus mehr schlummert, denn er besitzt umfassende Kenntnisse in menschlicher Anatomie und Zeichenkunst. Der Zufall will es, dass Dr. Victor Frankenstein (James McAvoy) diesen verborgenen "Schatz" entdeckt und den Krüppel unter seine Fittiche nimmt, nicht aus Freundlichkeit, sondern aus bloßer Ahnung, dass ihm Igor - wie er seinen Gehilfen von nun an nennt - seinem Ziel näherbringen kann: Totes Gewebe wiederzubeleben und einen künstlichen Menschen zu erschaffen! Und tatsächlich, die Kooperation der beiden trägt Früchte, doch bald regen sich in Igor Zweifel, ob man sich als Mensch wahrhaftig über Gott erheben sollte...
Trailer zu Victor Frankenstein - Genie und Wahnsinn
Victor Frankenstein - Genie und Wahnsinn Kritik
Gerne würden wir mal wieder über eine Neuverfilmung schreiben, dass sie einen bekannten Stoff überaus sehenswert neuinterpretiert. Das ist nicht leicht, denn als Zuschauer ist man auch Gewohnheitstier und misst an geliebten Klassikern, verteilt also nur allzu gern negative Noten. Jedoch ist es auch wünschenswert, mal überrascht zu werden und zu Beginn von Victor Frankenstein - Genie und Wahnsinn dachten wir auch, dass es dieses Mal wieder gelingen könnte. Einleitend macht Regisseur Paul McGuigan viel richtig, er entführt uns regelrecht in eine vergangene Zeit, die sicher nicht zauberhaft, aber irgendwie ruchlos wirkt. Radcliffe als gezeichneten Krüppel, als traurigen Clown zu sehen, wirkte stimmig und melancholisch, doch schnell driftet der Film zu sehr ins Groteske ab, was mit dem Auftreten von Frankenstein einhergeht. Das muss man nicht gut finden, jedoch ist es McGuigan zugutezuhalten, dass er den eingeschlagenen Weg von da an konsequent verfolgt. Frankenstein wirkt wie ein manisch-depressiver Wissenschaftler, gehetzt von seinen eigenen Illusionen und dem Wunsch, gottgleich einen Homunkulus zu erschaffen - und zu Beginn tote Materie wiederzuerwachen. Es liegt nahe, dass die eine oder andere Ekelszene damit einhergeht, wobei das PG-13-Rating vor allem mit witzigen Sprüchen und mancher Lächerlichkeit erkauft wird.
Das ist schade, denn der ursprüngliche Roman von Mary Shelley gibt so unglaublich viel mehr her als uns so einige Verfilmungen weismachen wollen und kann gut für ein erwachsenes Publikum deutlich stimmiger interpretiert werden. Die Dramatik, die in dieser Geschichte liegt, dem erschaffenen "Monster" sowie seiner Fehlbarkeit und Frankensteins später Erkenntnis, das sind Themen, die nur angeschnitten werden, um einen abendfüllenden Unterhaltungsfilm zu kreieren. Das funktioniert weitestgehend auch, aber nur für Zuschauer, die vom Ursprungsmaterial nichts wissen. Erneut eine verschenkte Chance, eines der berühmtesten Gruselromane passend wiederzubeleben.
Victor Frankenstein - Genie und Wahnsinn wirkt über weite Strecken hinweg auch zu künstlich und auch die Kreatur am Ende erinnert an ein Mischwesen aus Michael Myers und den Konstrukteuren aus Prometheus. Zu banal, um die ganze Dramatik gegen Ende trotz Blitzen und Todesgefahr zu transportieren. Viele gute Szenen in Victor Frankenstein - Genie und Wahnsinn sind dabei tatsächlich Daniel Radcliffe zu verdanken, der sowohl als verkrüppelter Clown als auch Gehilfe Igor dem Film etwas Bodenhaftung verleiht. Die eingestreute Romanze wirkt etwas gestellt, gehört aber offenbar dazu, um aus dem oft fast gesichtslosen Handlanger ein menschliches Wesen zu machen. McAvoy, den wir als Darsteller sonst sehr schätzen, treibt seine Rolle in diesem Film dagegen bis fast an die Schmerzgrenze. Weder seiner Figur noch dem Film ist Tiefe zu entnehmen und das unterstreicht sogar das allzu kitschige Ende.
Victor Frankenstein - Genie und Wahnsinn Fazit
Der Film reiht sich nahtlos neben Van Helsing, Hänsel & Gretel - Hexenjäger und Konsorten ein, die einen alten Stoff modern aufbereiten. Was die Bildgewalt angeht, so muss sich Victor Frankenstein - Genie und Wahnsinn nicht verstecken, der für Freunde actionreicher Szenen und flotter Sprüche in klassischem Gewand ist. Jedoch ist es enttäuschend zu sehen, dass der Film nach dem wirklich guten Start so ins Belanglose abdriftet, der die Story weitgehend verschenkt, auf übliche Details zurückgreift und einen teilweise überaus anstrengenden James McAvoy präsentiert. Ohne Frage ist Victor Frankenstein - Genie und Wahnsinn irgendwie unterhaltsam, der uns buntgemischt komödiantische, gruselige und romantische Momente vor die Füße wirft. Aber genau hier liegt der Hund begraben, denn dramaturgisch ist der Film ausbaufähig, er fügt der bekannten Story nichts mehr hinzu und ist deswegen nur Mittelmaß.