Bewertung: 4 / 5
Das Beste kommt bekanntlich immer zum Schluss und Netflix macht hier keine Ausnahme. Sie ließen im Laufe dieses Jahres einige Filme auf uns los, die mal mehr und mal weniger gelungen waren. Doch das Jahr endet erfreulich, denn mit Don’t Look Up liefern sie einen der unterhaltsamsten und besten Filme des Jahres ab.
Don’t Look Up Kritik
Zwei Wissenschaftler (Leonardo DiCaprio & Jennifer Lawrence) entdecken einen Kometen mit direktem Kollisionskurs auf die Erde, der droht, alles Leben auszulöschen. Während die Präsidentin der USA (Meryl Streep) den Ernst der Lage nicht zu begreifen scheint und mehr an ihrer eigenen Wiederwahl interessiert ist, versuchen die beiden mit Hilfe der Medien, die Menschheit zu warnen. Dabei stoßen sie auf Gleichgültigkeit und Verachtung einer Gesellschaft, die vor allem mit sich selbst beschäftigt ist.
Trailer zu Don’t Look Up
Als Parabel auf die heutige Gesellschaft wird Don’t Look Up die unterschiedlichsten Meinungen hervorrufen. Die einen werden ihn lieben, die anderen verachten. Damit sorgt er für genau die Art von Spaltung, die er selbst thematisiert und wird damit in gewisser Weise sogar selbst Teil der erzählten Geschichte.
Der Film dekonstruiert nicht nur den Trumpismus der letzten Jahre, sondern setzt sich auch schlagfertig mit dem auseinander, was wir alle seit zwei Jahren miterleben. Die Auswirkung dessen, wenn sich Parallelgesellschaften bilden und wissenschaftlichen Fakten als Glaube abgetan werden. Die Auswirkungen, die Diskussionen und sogar die Charaktere sind im Film die gleichen wie in der echten Welt.
Regisseur und Drehbuchautor Adam McKay wusste dabei ziemlich sicher, dass er einen bestimmten Teil der Gesellschaft ohnehin nicht erreichen wird, warum es also überhaupt versuchen? So hat er ganz bewusst die Entscheidung getroffen, der Gesellschaft einen Spiegel auf geradezu aggressive und direkte Weise vorzuhalten. Er versucht gar nicht erst, die Geschichte und vor allem die Figuren ausgewogen darzustellen, sondern bezieht ganz klar Stellung.
Das Faszinierende ist, wäre dieser Film nur zwei Jahre früher herausgekommen, man hätte ihn schlicht als abgedrehte und völlig überzeichnete Komödie angesehen. Der Slogan, er basiere auf möglichen wahren Ereignissen, ist dabei mittlerweile erschreckend zutreffend. Die Bedrohung durch den Kometen kann problemlos durch das Coronavirus ersetzt werden.
Das Unglaubliche an dem Ganzen ist, dass das Drehbuch von Adam McKay bereits 2019 geschrieben wurde. Es wäre einfach zu fantastisch, wenn Don’t Look Up damals wirklich schon genau so geplant war, wie er jetzt veröffentlicht wurde. Nahezu alles, was der Film beschreibt, kann mittlerweile nicht mehr nur als Satire, sondern schlicht als unsere Realität angesehen werden. Wirken manche Figuren auf den ersten Blick vielleicht tatsächlich überzeichnet, wird einem auf den zweiten Blick klar, dass sie erschreckend realistisch dargestellt werden.
Der größte Pluspunkt des Films ist der Cast. Bis in die Nebenrollen ist der Film besetzt mit großen Stars und es ist eine wahre Freude, jedem einzelnen bei ihrem Schauspiel zuzusehen. Die Spielfreude ist einfach zu jeder Zeit spürbar. Es ist schwer zu sagen, ob sich hier jemand für einen Award empfiehlt. Dies ist aber schlicht der Tatsache geschuldet, dass sich schauspielerisch niemand wirklich abhebt, was hauptsächlich an der guten Leistung aller liegt.
Am ehesten würden wir wohl auf Leonardo DiCaprio setzten, der eine großartige Performance als unsicheren und teils mit der medialen Aufmerksamkeit überforderten kauzigen Wissenschaftler spielt. Allein für diesen einen Ausraster im Film, bei dem er all seine aufgestauten Gefühle rauslässt und in aller Deutlichkeit das sagt, was nicht wenige von uns selbst seit vielen Monaten denken, verdient er eine Auszeichnung. In jedem Fall aber unsere Dankbarkeit.
Natürlich muss man fast mit einer Nominierung für Meryl Streep rechnen. Allein schon deswegen, weil sie halt nahezu immer nominiert wird. Aber völlig unverdient wäre es nicht. Gerade in ihrer Rolle der Präsidentin ist es nicht leicht, die richtige Balance zwischen Satire und Ernsthaftigkeit zu finden und es ist sicher Streep zu verdanken, dass ihre deutliche Anlehnung an Donald Trump nicht zu einer reinen Karikatur verkommt. So dumm und narzisstisch sie sich auch verhält, wenn man die letzten Jahre die US-Politik mitverfolgt hat, wirkt es traurigerweise zu keinem Zeitpunkt unrealistisch. Was wiederum ziemlich erschreckend ist und einiges über den echten Trump aussagt.
Wir könnten über jeden der Schauspieler eine Lobeshymne schreiben. So ekelhaft die Figur auch ist, so viel Spaß macht es, Jonah Hill dabei zuzusehen, wie er den Stabschef und Sohn der Präsidentin verkörpert. Mark Rylance liefert eine schräge und unterhaltsame Vorstellung als eine Art Steve Jobs ab und selbstverständlich kann sich auch Jennifer Lawrence als Wissenschaftlerin sehen lassen, die immer mehr verzweifelt angesichts des Verhaltens der Menschen. Und das waren immer noch nicht alle Stars, die in Don’t Look Up dabei sind.
Zumindest Melanie Lynskey wollen wir aber noch gesondert erwähnen. Sie ist den meisten wohl immer noch am ehesten als Nachbarin von Charlie Sheen in Two and a Half Men bekannt. Ihre Rolle als Frau von Leonardo DiCaprio ist nicht besonders groß, dennoch hinterlässt sie Eindruck und schafft es zudem, den Film zu erden und ihm das nötige Herz zu verleihen.
Können wir diesen Film jedem empfehlen? Absolut nicht. Wenn ihr zu denen gehört, die der Impfung kritisch gegenüberstehen, die der Wissenschaft reine Panikmache vorwerfen oder gar an der Existenz des Coronavirus zweifeln, dann ist Don’t Look Up definitiv nicht euer Film.
Allen anderen jedoch wird er zutiefst aus dem Herzen sprechen. Adam McKay schafft eine herrliche Persiflage auf die Trump-Ära, auf Fake News und auf die in unserer Zeit aufgetretene Wissenschaftsfeindlichkeit. Und eines solltet ihr unbedingt tun: Bis nach dem Abspann warten, denn es gibt gleich zwei Post-Credit-Szenen.
Wiederschauwert: 75%