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3096 Tage

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Ein sensibler Film

3096 Tage Kritik

3096 Tage Kritik
1 Kommentar - 01.03.2013 von Moviejones
Wir haben uns "3096 Tage" für euch angeschaut und verraten euch in unserer Kritik, ob sich dieser Film lohnt.

Bewertung: 4 / 5

3096 Tage - ein Countdown, der beginnt, als die 10-jährige Natascha Kampusch (Amelia Pidgeon, später Antonia Campbell-Hughes) am 2. März 1998 in Wien nach einem Streit mit ihrer Mutter (Trine Dyrholm) das erste Mal allein zur Schule geht. Der arbeitslose Nachrichtentechniker Wolfgang Priklopil (Thure Lindhardt) lauert ihr in einem weißen Lieferwagen auf, schnappt sie kurzerhand und nimmt sie mit sich fort, nicht um Lösegeld zu erpressen, sondern um sie zu besitzen. Gesperrt in ein 2 mal 3 Meter kleines Kellerloch, verbringt sie über achteinhalb Jahre mit wenigen Ausflügen in die eigentliche gutbürgerliche Wohnung darüber, dafür unter ständiger psychischer wie auch körperlicher Kontrolle, Misshandlung und Gehirnwäsche. Duschen zu dürfen, etwas zu essen zu bekommen, ein Märchenbuch, Stifte, ein Gute-Nacht-Kuss werden für sie wie für andere Weihnachten und Geburtstag an einem Tag.

Und sie gewöhnt sich über diese lange Zeit daran, dass sie besser lebt, wenn sie ihm gehorcht. Ihm zu Willen ist, und nicht nur das, nett zu ihm ist. Und über die langen Jahre entwickelt sich eine verquere Beziehung zwischen Täter und Opfer, abhängig Machendem und Abhängiger. Versuche der Gegenwehr gibt es - doch die Folgen führen dazu, es besser zu lassen...

Die wahre Geschichte der Natascha Kampusch, die lange und immer wieder durch die Presse geisterte und ein durch die Medien verzerrtes Bild der Geschehnisse und gespalten Lager ihr gegenüber zur Folge hatte, inszeniert Sherry Hormanns 3096 Tage so sensibel wie irgend möglich. Möglichst frei von fiktional aufgebauschter Dramatik, um so realistisch wie nötig zu erzählen, was wirklich geschah. Bernd Eichingers Drehbuch, das er mit großer Hingabe begann nach vielen Gesprächen mit Kampusch und Recherchen, brachte Ruth Thoma nach seinem plötzlichen Tod 2011 zu Ende.

Es braucht keine dramatische oder melancholische Musik, keine Gewaltorgien in 3096 Tage, um dieses Grauen, das Natascha durchleben musste, in Szene zu setzen. Fast alltäglich rollen die wenig alltäglichen, im wahrsten Sinne des Wortes beklemmenden und dennoch gekonnt von Kameragröße Michael Ballhaus eingefangenen Szenerien vor dem Zuschauer ab. Für Natascha war dies über acht Jahre ihr zumeist eintöniger, einsamer, stiller, quälerisch langsam vergehender Alltag. Weder Effekt- noch Affekthascherei wird hier betrieben, sondern einfühlsam dargestellt, welche Form von Beziehung sich nach und nach über die Jahre zwischen Täter und Opfer entwickelte: Wie ein kleines Kind während der übermächtigen Gefangenschaft bei einem Psychopathen erwachsen wurde. Der Zuschauer kann die beiden nur beobachten wie ein Voyeur - denn mehr wäre auch in der Realität nicht möglich. Wir können tatsächlich weder in ihre noch seine Haut schlüpfen.

Doch der Zuschauer lernt genug beim Zuschauen: Wie quälend vor allem eines ist - Warten. In einem winzigen Raum hocken und warten. Warten, dass Wolfgang einem etwas zu essen bringt. Mit einem redet. Egal was. Es passiert nicht ständig etwas Krasses, sondern es passiert vor allem lange nichts oder nur hier und da gewechselte Worte, verweigertes Essen, eine erlaubte, aber unter seinen Blicken zu vollziehende Dusche, wie bei einem KZ-Häftling abrasierte Haare und vor allem - warten, warten, warten. Ausbrüche von Verzweiflung und Wut, und dann wieder diese lange Stille. Ein nettes Wort, dann wieder Schläge, Weihnachten und Geburtstag spielen und ihn ja bloß nicht enttäuschen, sich dankbar und glücklich zeigen, für alles, was er einem zugesteht: Licht. Ein Radio. Statt im Kellerloch mit ihm in einem Bett schlafen dürfen. Und nach vielen Jahren statt kellerlochgrau und vergammelter Fliesen wie in einer Waschküche tatsächlich ein Zimmer mit rosa Wänden, einem Bett statt einer Matratze und statt zu großer Hosen ein zu großes Kleid. Für den Zuschauer gibt es einen Countdown, man sieht immer wieder zwischendurch eingeblendet die wachsende Anzahl der Tage, der Zuschauer weiß von Beginn an wie es endet - nur nicht, wann genau diese Szene wohl kommen wird. Doch für Natascha gab es diesen Countdown nicht, sie lebte damit, so gut sie konnte, glücklich, irgendwann zumindest eine Uhr zu bekommen für so etwas wie ein Zeitgefühl.

Antonia Campbell-Hughes (Albert NobbsBright Star) als Natascha und Thure Lindhardt (IlluminatiInto the Wild) als Entführer leisten hier Großartiges in ihrer authentisch wirkenden Natürlichkeit, beide sind so fern aller Klischees, die man in jeglichen Filmen zumindest annähernd ähnlicher Thematik gesehen hat und erfüllen es dennoch. Das von der zuvor schauspiel-unerfahrenen Amelia Pidgeon dargestellte eingeschüchterte kleine Mädchen mit wenig Ego, dessen Ego noch weitaus beklemmender als zuvor kleingehalten wird, das von Campbell-Hughes als ihr Leinwanddebüt dargestellte zerbrechlich-starke Teenager-Mädchen und die schüchtern-trotzige junge Erwachsene, der von Lindhardt verkörperte auf den ersten Blick sympathische, wenn auch etwas nach Mamas bravem Sohnemann aussehende Wolfgang. Was er auch ist. Die Wechsel zu seinen bedrohlichen Handlungen wirken nie wie das plötzlich so ganz andere Gesicht eines Durchgeknallten, sondern ebenfalls erschreckend normal. Durch die Selbstverständlichkeit, mit der er so handelt, wie er eben handelt, wie er mit ihr umgeht im Sinne von Zuckerbrot und Peitsche, wie er mit ihr redet.

Nach diesem Film dürfte sich jeder fragen, wie hätte man selbst reagiert, was für einen Charakter hatte man als Kind, wie wuchs man auf, wie hätte man selbst diese langen Jahre überlebt. Und wie anders wäre zudem das Leben danach anstelle des eigenen Lebens, das man aufgrund eigener Erfahrungen und Charakteranlagen seit dem 18. Lebensjahr führt - soweit es das Leben denn zulässt, es führen zu dürfen und nicht all zu fremdbestimmt ertragen zu müssen. Nicht zu vergessen dabei, das auf gleiche Situationen ein anderer Mensch eben auch anders reagiert. Niemand kann wirklich nachempfinden, was Natascha durchlebt hat. Man kann nur sagen, Gott sei dank hat man nicht selbst diese 3096 Tage erleben müssen.

Jeder sollte 3096 Tage von Regisseurin Sherry Hormann, die schon mit Wüstenblume ein sensibles Drama umsetzte, einmal gesehen haben. Schon aus dem einen Grund, nicht all zu vorschnell über 3096 Tage des Lebens von Natascha Kampusch zu urteilen, die neben ihrer Verfilmung auch als gleichnamige Autobiografie von Kampusch nachlesbar, aber sicher niemals wirklich nacherlebbar sind.

3096 Tage Bewertung
Bewertung des Films
810

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1 Kommentar
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Chewbacca : : Copilot
05.10.2013 18:31 Uhr
0
Dabei seit: 21.04.13 | Posts: 2.380 | Reviews: 8 | Hüte: 66
Erschütterndes Schicksal. Weltbekannt. Der Film wird durch zwei brillante Darsteller geprägt. Leider konnte der Film mich in seiner Dramatik nicht abholen. Mein Empfinden. Aber sehenswert. Stimme den beidebn letzten Absätzen der Kritik zu.
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