Bei Filmdrehs kann viel schieflaufen, es ist absolut keine Selbstverständlichkeit, dass eine Produktion reibungslos vonstatten geht. Vorher, währenddessen und auch im Nachhinein lauern etliche Gefahren, die alles ins Wanken oder gar zum Einsturz bringen können, unzählige Faktoren sind zu berücksichtigen. Und wenn nicht jedes Rädchen ins andere greift, kommt man ganz schnell vom Kurs ab.
Das gehört praktisch zum kleinen Hollywood-Einmaleins, aber immer wieder gibt es Filme, die regelrecht vom Pech verfolgt sind. Filme, bei denen wirklich schiefläuft, was nur schieflaufen kann. Mal spielt Mutter Natur nicht mit, mal sind Drehorte unglücklich gewählt, mal explodiert das Budget, mal prallen Egos aufeinander, mal fordern physische Strapazen ihren Tribut, mal ereignen sich Unfälle am Set, und so weiter und so fort. Umso größer das Wunder, wenn zum Schluss doch noch etwas Großartiges dabei rauskommt!
Die meisten Produktionen würden unter so viel Chaos zusammenbrechen oder im Desaster enden, aber nicht alle. Bei einigen hat sich die Leidenszeit mehr als ausgezahlt, sie haben ihre Rückschläge und widrigen Bedingungen erstaunlich gut weggesteckt und trotz allem - oder gerade deswegen? - noch riesigen Erfolg gehabt. Darunter auch Klassiker, von denen man es heute kaum noch denken würde, weil sie so fantastisch geworden sind. Hier stellen wir euch die besten Fälle dieser Art vor, alles Problemfilme mit Happy End. Vielleicht kennt ihr ja noch andere?
Der weiße Hai
Bei der Menge an Scherereien, die ihm Der weiße Hai bereitet hat, hätte Steven Spielbergs noch junge Regiekarriere gleich hier vorbei sein können, wenn die Zuschauer nicht angebissen hätten. Er bestand darauf, wirklich auf offenem Meer zu filmen, und lieferte sich damit dem Wettergott aus. Der meinte es nicht gut mit ihm: Die See war unberechenbar, Boote trieben ins und aus dem Bild heraus, Equipment wurde durch Meerwasser beschädigt. Ständig auf seekranke Crew- und Castmitglieder Rücksicht nehmen zu müssen, war auch nicht sehr hilfreich und verzögerte die Produktion ein ums andere Mal.
So wurde aus einem 55-Tage-Dreh mal eben ein 159-Tage-Dreh, das Budget von Der weiße Hai schwoll um mehr als das Dreifache an. Der mechanische Hai in Lebensgröße hatte zudem die unangenehme Angewohnheit, den Geist aufzugeben, woraus noch weitere Verzögerungen resultierten. Spielberg improvisierte, ließ ihn größtenteils weg und verlegte sich beim Spannungsaufbau auf die "Weniger ist mehr"-Masche. Wir halten fest: Alles richtig gemacht!
Star Wars: Episode IV - Eine neue Hoffnung
Ein Weltraum-Märchen mit Aliens, Raumschiffen, Laserschwertern und mysteriösen "Zauberkräften"? Kannste knicken, dachte sich ganz Hollywood. Ganz Hollywood? Nein! Ein von unbeugsamen Optimisten bevölkertes Filmstudio namens 20th Century Fox glaubte an die Vision von George Lucas und gab ihm das nötige Kleingeld für Star Wars: Episode IV - Eine neue Hoffnung. Was man bald bedauert haben dürfte: Als die Dreharbeiten in Tunesien begannen, hinkte man fast sofort dem Zeitplan hinterher, weil Regenstürme einsetzten, die Ausrüstung buchstäblich Sand im Getriebe hatte und Requisiten nicht funktionieren wollten.
Auch die Postproduktion geriet zum Albtraum. Die Arbeit an den Spezialeffekten schleppte sich dahin, ein Teil davon wurde komplett gestrichen und so das Budget überzogen. Und als wären die technischen Probleme nicht Ärgernis genug gewesen, nahm der Star Wars-Cast den Film nicht für voll. Harrison Ford brachte es gegenüber Lucas auf den Punkt: "You can type this sh*t, but you can’t say it." Lucas selbst verlor den Erfolgsglauben, glücklicherweise wurde er aber - wie alle anderen - eines Besseren belehrt.
Apocalypse Now
Was einer der besten Kriegsfilme und eines der authentischsten Porträts des Vietnamkriegs überhaupt werden sollte, muss der reinste Höllenritt gewesen sein. Apocalypse Now - einfach nur brutal, für alle Beteiligten und besonders für Francis Ford Coppola. Fünf Monate wollte er in Manila auf den Philippinen drehen, doch wegen unvorhersehbarer Wetterschwankungen zog es sich ganze 16 (!) Monate hin. Zwei Monate lang stand alles still, da einige Sets von Taifunen zerfetzt worden waren. Wann immer man filmen konnte, wurden die Schauspieler ein- und wieder ausgeflogen, während die Kosten unerbittlich stiegen.
Auf Cast und Crew wartete ein Bootcamp unter extremen Dschungelbedingungen. Dabei blieb Coppola nichts erspart: Schon nach wenigen Tagen tauschte er Harvey Keitel gegen Martin Sheen aus, der so sehr litt, dass er einen Zusammenbruch und einen Herzinfarkt hatte. Kollege Marlon Brando erschien übergewichtig, unvorbereitet und lustlos am Set, und Coppola musste zusehen, dass er Brandos miserable Verfassung irgendwie kaschierte. Als Apocalypse Now endlich im Kasten war, verbrachte er noch viele Monate mit akribischer Nachbearbeitung. Hat sich ausgezahlt!
Shining
Heute gilt Shining als einer der besten Horrorfilme aller Zeiten, aber auch der Weg dahin war - man kann es nicht anders sagen - horrormäßig. Als Perfektionist, der nicht davor zurückschreckt, Takes so oft wie nötig wiederholen zu lassen, brauchte Stanley Kubrick für die Dreharbeiten über ein Jahr. Seinen Darstellern ging er während dieser Zeit mächtig auf die Nerven, um die Leistungen aus ihnen herauszukitzeln, die er sehen wollte. Beispiele: Jack Nicholson musste drei Tage lang Türen zerkloppen, und Shelley Duvall wurde die Baseballschläger-Szene ganze 127 Mal abverlangt. Schließlich war sie physisch wie mental so fertig, dass sie die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung rüberbringen konnte, die ihre Rolle erforderte.
Erschwerend kam noch hinzu, dass Kubrick sein Shining-Skript ständig änderte. Irgendwann hatte Nicholson es dermaßen satt, jeden Tag neue Texte pauken zu müssen, dass er die Drehbücher einfach in den Müll warf und seine Zeilen lieber wenige Minuten vorm Dreh der jeweiligen Szene lernte (sein "Here’s Jacky" hatte er sicherlich auch so drauf). Aber wie immer bei Kubrick war es Wahnsinn mit Methode, der Erfolg gab ihm Recht.
Blade Runner
Schon bevor Ridley Scott überhaupt an Bord kam, musste Blade Runner einiges durchmachen. Zahlreiche teure Drehbuchüberarbeitungen standen auf dem Programm, bis alle zufrieden waren. Und dann ging es erst richtig los. Scott verkrachte sich mit seiner US-amerikanischen Filmcrew und streute auch noch Salz in die Wunde, als er einer britischen Zeitung erzählte, er ziehe es vor, mit britischen Crews zu arbeiten. Die amerikanischen Crewmitglieder protestierten, Scott protestierte zurück.
Dass er so großen Wert auf die Ästhetik des Films legte, sorgte für furchtbare und furchtbar strapaziöse Drehbedingungen. Scotts Plan, das Budget einzuhalten, ging sollte nicht auf, deshalb und wegen Verzögerungen im Produktionsablauf fing Warner Bros. an, Druck zu machen. Ein erstes Test-Screening floppte auf ganzer Linie, und das Studio zwang Scott, ein überflüssiges Voice-over einzubauen, das sich auch nicht als besonders hilfreich erwies. Es dauerte noch bis 2007, ehe wir endlich Scotts Final Cut - das Blade Runner, wie er es sich immer vorgestellt hatte - zu sehen bekamen. Ende gut, alles gut!
Abyss - Abgrund des Todes
So sehr wir James Cameron als Filmemacher schätzen, man hört gruselige Geschichte über ihn und sein Verhalten am Set. Abyss - Abgrund des Todes ist ein solcher Fall. Aufgrund der vielen Unterwasserszenen wurde in einem stillgelegten Atomkraftwerk gefilmt, wo man zwei riesige (und leider undichte) Wassertanks aufstellte. Was folgte, war ein hartes Stück Arbeit, zermürbend für jeden Einzelnen. Der Dreh dauerte sechs Monate, Cast und Crew schoben 70-Stunden-Wochen, und die meisten Szenen gingen elendig langsam von der Hand. Alle standen Rande des geistigen und körperlichen Zusammenbruchs, zum Stressabbau wurde gerne mal Hotelmobiliar zerlegt.
Und Cameron? Der war ganz er selbst. Seinen Schauspielern soll er befohlen haben, in ihre Neoprenanzüge zu urinieren, statt zur Toilette zu gehen, weil man so zwischen den Takes Zeit sparen konnte. Nachvollziehbar, dass ihm Mary Elizabeth Mastrantonio ein "Wir sind keine Tiere!" entgegenschleuderte. Und als Ed Harris und Leo Burmester lange ohne Atemgerät tauchen mussten, ließ Cameron ihre Atemschläuche sogar noch weiter von ihrem Zielpunkt weglegen, damit die Szene auch ja gut aussieht. Ohne ihnen Bescheid zu sagen, natürlich.
Titanic
Dass James Cameron und Wasserdrehs eine schwierige Kombination sind, haben wir eben schon gesehen. Bei Titanic begann der Spaß wieder von vorne, mit dem Unterschied, dass dieser Film finanziell noch mal in einer ganz anderen Liga spielte. Cameron hatte praktisch freie Hand und konnte machte, was er wollte. Leider bleiben Probleme nicht aus, wenn man große nachgebaute Schiffbruchstücke in noch größeren Wassertanks versenkt. Statt der veranschlagten 138 fraß die Produktion 160 Tage, ständig war jemand krank, da tägliches Drehen in eiskaltem Wasser eben nicht spurlos an einem vorbeigeht.
Obendrein mussten alle mit Camerons Temperament klarkommen. Immer wenn etwas misslang oder ihm nicht passte, rastete er aus, und wie bei Abyss - Abgrund des Todes galt: Es wird keine Zeit damit vertrödelt, das stille Örtchen aufzusuchen! Camerons Launen, der knackige Zeitplan und die schlauchenden Dreharbeiten ärgerten ein Crewmitglied so sehr, dass es heimlich Phencyclidin in die Suppe schüttete. Die Folge: Fünfzig Leute mussten ins Krankenhaus. Ach, und Kate Winslet erklärte später, sie werde nie wieder mit Cameron zusammenarbeiten. Und was wurde aus Titanic? Der bis dahin erfolgreichste Film aller Zeiten!
Mad Max - Fury Road
Als aktueller Abschluss ein Film, wo den Regisseur so gar keine Schuld daran traf, dass er Jahre brauchte, bis er es ins Kino schaffte. Wir sind uns sicher darüber einig, dass sich das Warten auf Mad Max 4 - Fury Road gelohnt hat. Es war ein langes Warten: 2003 gab es (zum ersten Mal) grünes Licht, weit kamen die Arbeiten aber nicht. Der geplante Dreh in Namibia musste abgesagt werden, weil die USA und andere Länder die Einreise- und Schifffahrtsbestimmungen dorthin verschärft hatten, sorgte man sich um die Sicherheit. Als dann der Irakkrieg ausbrach, wurde der Endzeit-Streifen als politisch riskant eingestuft und gänzlich eingestellt. Mel Gibson verlor die Lust und stieg aus.
Nach etlichem Hin und Her kündigte George Miller 2009 an, Anfang 2011 mit der Produktion in Broken Hill, Australien starten zu wollen. Was er nicht ahnen konnte: Unerwartete Regengüsse verwandelten die Wüstenlandschaft in ein Blumenmeer, ungeeignet für den staubigen, kargen Look des Films. Also zog man wohin um? Nach Namibia! Da brachte Miller es zu Ende, allerdings auch nicht ohne Zwischenfälle. Den Produzenten wurde vorgeworfen, die Namib in Mitleidenschaft gezogen und diverse Tier- und Pflanzenarten gefährdet zu haben. Zum Glück ließ sich nichts dergleichen feststellen. Mal ehrlich, wer hätte bei dieser Vorgeschichte gedacht, dass Mad Max 4 - Fury Road noch so furios daherkommen würde?