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Digitale Schauspielerin unter Kritik

Wie Tilly Norwood in Hollywood für Aufruhr sorgt (Update)

Wie Tilly Norwood in Hollywood für Aufruhr sorgt (Update)
1 Kommentar - Di, 30.09.2025 von MJ-Caminito
Künstliche Intelligenz trifft auf Gewerkschaftsrechte: Die digitale Figur Tilly Norwood sorgt für Debatten über Ethik, Urheberrechte und die Zukunft des Schauspiels in Hollywood.

++ Update vom 30.09.2025: Erst kürzlich zeigte der in unterer News geschilderte Fall von Lionsgate und Runway, wie schnell Euphorie rund um Künstliche Intelligenz in Hollywood an ihre Grenzen stößt. Nach der Ernüchterung um das gemeinsame K.I.-Projekt, das rechtlich und technisch ins Stocken geraten ist, steht Hollywood schon vor dem nächsten Streitfall.

Diesmal geht es nicht nur um Rechte und Trainingsdaten, sondern auch um die Frage, ob eine künstlich erzeugte Figur überhaupt als Schauspielerin gelten darf. Tilly Norwood heißt die digitale Figur, die plötzlich als „Schauspielerin“ gehandelt wird und von Talentagenturen wie ein echter Mensch vertreten werden soll. Sehr zum Ärger der Gewerkschaft SAG-AFTRA, die im Namen von 160.000 Filmschaffenden klarmacht: Hier ist eine Grenze erreicht.

Die Gewerkschaft erklärte in einem Statement, dass Tilly Norwood keine Schauspielerin sei, sondern ein Computerprodukt. Die Figur sei auf Grundlage unzähliger Auftritte echter Darsteller trainiert worden, ohne deren Zustimmung und ohne Bezahlung. Genau das mache die Sache so problematisch. „Kreativität ist und bleibt menschlich“, heißt es weiter in der Erklärung. „Tilly Norwood‘ hat keine Lebenserfahrung, keine Emotionen, und die Zuschauer wollen keine Figuren sehen, die völlig losgelöst von menschlichem Erleben sind.“

Prominente Stimmen pflichteten der Gewerkschaft bei. Melissa Barrera nannte die digitale Schauspielerin eine Beleidigung für alle, die ihr Leben diesem Beruf widmen. Kiersey Clemons sprach von einer „Entmenschlichung der Erzählkunst“. Whoopi Goldberg warnte vor den Folgen für die Zukunft: „Wir bauen Welten mit Herz und Schweiß - nicht mit Code.“ Und Emily Blunt betonte, dass Kino von echter Emotion lebe, nicht von Programmen.

Hintergrund dieser Reaktionen sind auch die Erfahrungen aus dem Streik von 2023. Damals kämpfte SAG-AFTRA mit den Studios um Schutzrechte gegen den Einsatz von K.I.. Seitdem gilt: Produzenten, die mit der Gewerkschaft Verträge haben, dürfen keine synthetischen Darsteller einsetzen, ohne dies vorher zu melden und auszuhandeln.

Eline van der Velden wollte mit Tilly Norwood eigentlich ein Experiment wagen. Sie argumentierte, dass digitale Figuren Lücken in der Branche schließen könnten, etwa bei schwer zu besetzenden Rollen oder in kostengünstigen Projekten. Doch SAG-AFTRA sieht darin nicht die Lösung, sondern das Problem: Arbeitsplätze würden gefährdet, Kunst werde entwertet, und der kreative Prozess verliere seine menschliche Basis.

Der Fall Tilly Norwood zeigt, wie groß die Spannungen sind. K.I. wird längst in Nachbearbeitung und Effekten eingesetzt. Aber sobald es um die Ersetzung von Schauspielern geht, prallen Innovation und Schutz des Berufs direkt aufeinander.

Noch ist unklar, wie es mit Tilly Norwood weitergeht. Van der Velden will das Projekt als Anstoß für Diskussionen fortsetzen, SAG-AFTRA hat rechtliche Schritte nicht ausgeschlossen. Die Branche muss sich entscheiden: Wie viel Künstliche Intelligenz verträgt das Schauspiel, und wo beginnt die Ausbeutung?

++ News vom 26.09.2025: Als Lionsgate im vergangenen Jahr seine Zusammenarbeit mit dem K.I.-Startup Runway ankündigte, galt der Deal als Pionierschritt in die digitale Zukunft Hollywoods. Ein gesamter Studio-Katalog als Trainingsbasis für eine neue Generation von K.I.-Inhalten - ambitionierter konnte ein Vorhaben kaum klingen. Zwölf Monate später ist von der anfänglichen Euphorie wenig übrig. Statt produktiver Durchbrüche dominieren Ernüchterung und rechtliche Fragezeichen.

Die Idee war einfach, die Umsetzung komplex: Runways generative K.I. sollte den Lionsgate-Katalog - Tausende von Filmen und Serien - nutzen, um kreative Modelle für neue Produktionen zu entwickeln. Trailer, Serienepisoden, gar ganze Spielfilme sollten mithilfe der Datenbasis effizienter entstehen. Doch nach einem Jahr zeigt sich: Weder die Menge des Materials noch die rechtliche Lage bieten eine tragfähige Grundlage.

Insider berichten, dass die Datenmenge schlicht nicht reicht. „Der Lionsgate-Katalog ist zu klein, um ein Modell zu erzeugen“, heißt es von einer Person, die dem Projekt nahesteht. Selbst ein Riese wie Disney, so wird spekuliert, könnte mit seinem Katalog kein ausreichend belastbares Modell hervorbringen. Runways Technologie selbst ist funktionsfähig, aber limitiert - geeignet für kleine Anwendungen, nicht für die groß angekündigten Sprünge in Richtung ganzer Szenen oder Trailer.

Erschwerend kommen die juristischen Unsicherheiten hinzu. Rechte an Filmen sind kleinteilig verteilt - Studios, Regisseure, Gewerkschaften, Schauspieler, oft mit Beteiligungen über mehrere Ebenen hinweg. Anwalt Ray Seilie von Kinsella Holley Iser Kump Steinsapir LLP beschreibt es so: „In der Film- und Fernsehbranche hat jede Produktion eine Vielfalt an interessierten Rechteinhabern.“ Die Nutzung dieser Werke für K.I.-Trainings wirft Fragen nach Urheberrechten und Persönlichkeitsrechten auf. Ohne klare rechtliche Leitplanken bleibt Vorsicht geboten.

Diese Realität steht im Kontrast zu den Verheißungen bei der Ankündigung. Lionsgate-Vizechef Michael Burns nannte Runway damals einen „visionären Partner“. Noch im Frühjahr fabulierte er in einem Interview, man könne eine John Wick-Reihe mithilfe der Technologie in wenigen Stunden zu einem jugendfreien Anime transformieren. Die Diskrepanz zwischen dieser Vision und der Wirklichkeit könnte deutlicher kaum sein.

Trotz der Rückschläge bleibt die Partnerschaft bestehen - wenn auch mit verschobenen Zielen. Anstelle kompletter Produktionen könnten Prototypen für Effekte, Skripthilfen oder kleine Animationen entstehen. Hollywood tastet sich heran, doch die Technologie ist noch nicht so weit, wie viele hoffen. Ob K.I.in der Filmbranche zum Motor oder eher zum Bremsklotz wird, entscheidet sich in den kommenden Jahren.

Quelle: Deadline
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1 Kommentar
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MrBond : : Imperialer Agent
30.09.2025 16:39 Uhr
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Dabei seit: 03.12.14 | Posts: 3.868 | Reviews: 24 | Hüte: 607

Hm, schwierig. Die Frage, die letztlich beantwortet werden muss: Wo ist die Grenze? Es ist ja nichts Neues, dass digitale Personen in Filmen auftreten... Seit es Computeranimationen gibt und spätestens, seit es ganze animierte Filme gibt, sind digitale Figuren akzeptiert. Klar: Die Figuren haben heute noch reale Synchronsprecher und real arbeitende CGI Artists, aber wie viel darf automatisiert sein? Wie viel muss direkt vom Menschen gemacht sein? Mimik bei einem CGI-Gesicht wird oft noch mühsam per Motion Capture generiert... aber auch hier lässt sich "weinen, lachen, verärgert, ängstlich, usw." schon lange auch aus vorgefertigten Presets verwirklichen. Nicht immer steckt ein Andy Serkis hinter der digitalen Figur. Wo also zieht man die Grenze zwischen digital und digital? Letztlich ist eine KI generierte Figur etwas, was es bereits lange gibt, nur mit (vermutlich) weniger Aufwand.

Ich denke, genauso, wie der Animationsfilm (damals angefangen mit Toy Story), wird auch der KI-Film der nächste logische Schritt in der Evolution des Films sein - und damit auch als digitale Figur in realen Filmen... ob`s mir passt, oder nicht.

Sehe ich so aus als ob mich das interessiert?!"

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