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Berlin Alexanderplatz

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Eindrücke von der Berlinale

Berlin Alexanderplatz Kritik

Berlin Alexanderplatz Kritik
8 Kommentare - 01.03.2020 von TiiN
In dieser Userkritik verrät euch TiiN, wie gut "Berlin Alexanderplatz" ist.
Berlin Alexanderplatz

Bewertung: 4.5 / 5

Berlin Alexanderplatz ist eine deutsch-niederländische Romanverfilmung des Regisseurs Burhan Qurbani aus dem Jahr 2020. Diese Kritik ist spoilerfrei.

Trailer zu Berlin Alexanderplatz

Alfred Döblin schrieb im Jahr 1929 den erfolgreichen Roman Berlin Alexanderplatz. Rainer Fassbinder setzte in den 1980er Jahren die Geschichte als mehrteilige Fernsehadaption um. Burhan Qurbani erzählte die bekannte Geschichte unter Einbezug aktueller politischer Themen neu und orientierte sicher daher nur lose am Original von Döblin.

Der afrikanische Flüchtling Francis verliert während der Flucht übers Mittelmeer seine Freundin Ida und kommt alleine in Europa an. In einem Flüchtlingslager in Berlin erledigt er einfache Arbeiten und hat enorm mit seinem Flüchtlingsstatus zu kämpfen. Eines Tages kommt ein gewisser Reinhold in das Lager und wirbt um Arbeitskräfte, den ein guter Mann braucht nicht nur ein Bett und Brot sondern er braucht auch eine Wohnung, ein Auto und natürlich eine Frau. Francis willigt ein und unterstützt fortan Reinhold bei seinen illegalen Geschäften.

Berlin Alexanderplatz ist keine leichte Kost, allein seine Laufzeit von 183 Minuten macht dies recht deutlich. Die Geschichte ist in fünf Teile aufgeteilt, welche aber keinen wesentlichen Einfluss auf die Erzählungen haben. Erzählt wird die Geschichte durch eine Figur, welche der der Zuschauer erst nach knapp der Hälfte des Films kennenlernt.
Um mit einem kritischen Punkt anzufangen: Der Film hat sich zu Recht als lose Neuerzählung der bekannten Geschichte betitelt. Denn mit Berlin und insbesondere mit dem Alexanderplatz hat der Streifen relativ wenig zu tun. Es könnte vermutlich auch jeder andere Ort in Deutschland gewesen sein, wobei sich Berlin als eine Art Brennpunkt möglicherweise anbietet. Vom Alex sieht man jedoch leider wirklich nur sehr wenig, dieser nimmt einzig eine symbolische Rolle ein.

Damit ist aber ehrlich gesagt das kritischste erzählt, denn der 39 jährige Burhan Qurbani hat nicht nur eine packende Geschichte geschrieben, sondern diese auch exzellent umgesetzt. Bei deutschen Produktionen gehen verständlicherweise bei vielen Kinogängern die Alarmglocken an, aber dieser Film ist frei von diversen Klischees welche deutsche Filme mit sich bringen, keine Dialoge wirken aufgesetzt, die Inszenierung ist richtig packend mit diversen Kniffen und lassen die gut drei Stunden nicht unnötig lang vorkommen. Stattdessen bekommt der Zuschauer eine offenbar authentische Einschätzung über die Reise des jungen Afrikaners. Während er anfangs beispielsweise nur Englisch kann wird sein Deutsch stetig besser sodass gegen Ende fast nur noch in deutscher Sprache geredet wird. Aber natürlich entwickelt sich der Protagonist nicht nur sprachlich weiter sondern er verändert sein komplettes Auftreten.
Wer jedoch ein Musterbeispiel für Integration erwartet, der wird enttäuscht. Dieser Film ist rau, dreckig, gewalttätig und teilweise sehr freizügig. Man bekommt hier sicher eine sehr extreme (und fiktive) Geschichte eines Flüchtlings erzählt, aber trotzdem wird beim Zuschauer das Nachdenken angeregt, was integrationsmäßig läuft und wie sich Neuankömmlinge hier in Deutschland fühlen könnten.

In der Besetzung finden sich unter anderem Welket Bungué, Jella Haase, Albrecht Schuch sowie Joachim Król. Insbesondere Schuch und Bungué spielen großartig, aber auch ihre Kollegen fügen sich wunderbar in das Gesamtbild ein. Die Filmmusik von Dascha Dauenhauer ist wie ein dicker Mantel welcher sich um das Werk legt und es vereint. Die Kamera von Yoshi Heimrath beinhaltet immer wieder längere Einstellungen, welche eine eindringlichere Wirkung mit sich bringen.

Möglicherweise hätte man das Ende, den Epilog erzählerisch noch anders gestalten können und es ist fraglich, ob sich der Ablauf in der Realität tatsächlich so zugetragen hätte. Andererseits hätte man sonst jedoch die Empfindungen mancher Zuschauer sicher überstrapaziert.

Alles in allem ist Berlin Alexanderplatz ein großartiger Film aus Deutschland geworden, welcher ohne Weltkriegs- bzw. Nachkriegsthemen auskommt, nervige Klischees komplett vermissen lässt und stattdessen eine knallharte, mitreißende und zugleich hollywoodfreie Geschichte aus einem aktuellen politischen Anlass erzählt.

Am 16. April 2020 startet der Film im regulären Kinoprogramm. Im Rahmen der Berlinale war er bereits Ende Februar und am 1. März zu sehen.

Berlin Alexanderplatz Bewertung
Bewertung des Films
910

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8 Kommentare
MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
10.01.2021 01:13 Uhr | Editiert am 10.01.2021 - 02:08 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.340 | Reviews: 180 | Hüte: 634

So, jetzt habe ich den Film auch gesehen.

Inszenatorisch ein berauschendes Meisterwerk mit überraschend kurzweiligen 183 Minuten. Der Film hätte das Potential gehabt, ein astreines deutsches Gangsterepos im klassischen Hollywood-Sinn zu werden, wenn er sich abseits der Rise-and-Fall-Geschichte noch mehr der Kriminalität und der Gangsterwelt gewidmet hätte.

Aber: Dass Francis an seiner kriminellen Laufbahn und den tragischen Ereignissen in erster Linie selbst Schuld trägt, nimmt der Film überhaupt nicht wahr. Gleichzeitig werden die hier dringend notwendigen, äußeren Umstände (z.B. Rassismus in der deutschen Gesellschaft, Immigrations- und Sozialpolitik) nicht aufgezeigt sondern nur behauptet. Aufgrund dieser beinahen Nichtexistenz der äußeren Umstände und des mantraartigen Voice-Overs über die Unausweichlichkeit und das "musste müssen" könnte man fast schon meinen, Francis Weg sei ein deterministischer. Dem Flüchtling bzw. Immigrant sei es also vorherbestimmt, kriminell zu werden. Und das wäre dann ein echtes Problem.

Der Abstieg in die Kriminalität ist daher auch nicht so ganz klar meiner Meinung nach. Francis betont ja oft, er wollte gut und ein aufrichtiger Bürger sein, nur hatte er diese Chance mehrmals, auch die Chance, aus der Kriminalität auszusteigen. Ihm scheint das Gangsterleben wohl doch gefallen zu haben, Francis Charakterzeichnung ist da paradox. Für so einen intelligenten und vorsichtigen Mann ist es auch merkwürdig, dass er auf so einen wahnsinnigen Typen wie Reinhold hereinfällt. Die Gangsterbeziehung zwischen Francis und Reinhold verläuft zudem sprunghaft, das On und Off kommt oft aus dem Nichts, dass ich mich dann fragte, warum Francis auf einmal wieder mit Reinhold zusammenarbeitet, obwohl er ihn kurz zuvor noch verachtet hat.

Ob man sich hier etwas mit der Vorlagenadaption übernommen hat? Den Roman habe ich übrigens zu Weihnachten als Hörbuch geschenkt bekommen, dem werde ich mich ab nächster Woche widmen.

Ich gebe dir ansonsten noch Recht, gäbe es die zwei Shots vom Fernsehturm nicht, könnte dieser "Berlin Alexanderplatz" auch in jeder anderen deutschen Großstadt spielen. Amüsanterweise deuten die "Babylon Berlin"-artigen Party- und Queerszenen mittlerweile mehr auf Berlin hin als die Stadtkulisse im Film selbst.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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TiiN : : Goldkerlchen 2019
18.07.2020 07:49 Uhr
0
Dabei seit: 01.12.13 | Posts: 8.995 | Reviews: 173 | Hüte: 605

Anlässlich des regulären Kinostarts in dieser Woche möchte ich gerne diese Kritik hervorholen und für den Film werben.

Für mich war etwas wenig Berlin in Berlin Alexanderplatz, aber ansonsten war das ein starker und sehr sehenswerter Film.


MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
02.03.2020 17:55 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.340 | Reviews: 180 | Hüte: 634

@TiiN: Er meint die HBO-Serie "The Wire" von David Simon.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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TiiN : : Goldkerlchen 2019
02.03.2020 17:41 Uhr
0
Dabei seit: 01.12.13 | Posts: 8.995 | Reviews: 173 | Hüte: 605

Vielen Dank euch beiden. Die Fassbinder-Serie möchte ich mir auch gerne mal anschauen. Mit The Wire meinst du aber nicht Welt am Draht, oder? Denn diesen Film von Fassbinder mag ich mir auch gerne noch ansehen.

Noch eine kleine Berlinale-Anekdote:

Nach der Vorstellung bin ich auf die Toilette gegangen, beim rausgehen kam mir jemand entgegen, der sah für die 2-3 Sekunden die ich ihn sehen konnte 1:1 aus wie J.J. Abrams laughing Aber ich vermute wenn er ein Festival besucht dann sicher nicht bei der letzten Vorstellung des Films und mit etwas mehr Promibonus.


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MobyDick : : Moviejones-Fan
02.03.2020 10:42 Uhr
0
Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

Übrigens wer die Musse hat, sich eine altbackene Megaserie anzuschauen, der darf sich derzeit gerne an Prime wenden, dort läuft das Fassbinder Werk quasi für lau

Dünyayi Kurtaran Adam
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MobyDick : : Moviejones-Fan
01.03.2020 23:47 Uhr
0
Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

Das freut mich, dass der Film anscheinend wirklich so gut geworden ist, habe den seit dem ersten Trailer fest vor zu schauen.

Übrigens gilt die Serie von Fassbinder für Simon unter anderem als eine Inspiration dafür, wie er an The Wire rangegangen ist.

Hut!

Dünyayi Kurtaran Adam
MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
01.03.2020 23:09 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.340 | Reviews: 180 | Hüte: 634

Sehr schön! Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich Interesse an dem Film habe und ihn mir anschauen werde, aber freue mich, dass der Film auch hier auf Moviejones positive Stimmen findet.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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TiiN : : Goldkerlchen 2019
01.03.2020 22:11 Uhr
2
Dabei seit: 01.12.13 | Posts: 8.995 | Reviews: 173 | Hüte: 605

Die 3 Stunden laufzeit werden manchen möglicherweise abschrecken. Aber es ist einfach nur klasse mal eine deutsche Produktion zu sehen, welche sich nicht so typisch deutsch anfühlt.


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