Bewertung: 4 / 5
[b]Inhalt:[/b] Marisa ([b]Alina Levshin[/b]) ist 20 Jahre jung, lebt gemeinsam mit ihrer Mutter in einer Kleinstadt in Ostdeutschland und gehört mit Leib und Seele einer rechtsextremen Jugendclique an. Ihr Auftreten und Handeln ist geprägt von Hass und als ihr Freund Sandro ([b]Gerdy Zint[/b]) wegen starker Körperverletzung verhaftet wird, regt sie das nicht zum Nachdenken an, sondern macht sie nur noch wütender. Nach einer heftigen Auseinandersetzung mit den zwei Asylanten Jamil und Rasul, fährt sie die beiden hemmungslos mit dem Auto über den Haufen. Doch die Schuldgefühle holen sie eines Tages ein und sie beginnt, sich mit den Problemen Rasuls auseinander zu setzen. Marisa muss erkennen, dass der Weg raus aus der rechtsradikalen Szene sehr hart ist und sich als schwieriger erweist als ursprünglich gedacht... [b]Kritik:[/b] Die Zeiten des Nationalsozialismus hat Deutschland weit hinter sich gelassen und will sich heute mit dieser Weltanschauung nicht mehr identifizieren. Dennoch ist der jährliche Zuwachs in der rechtsextremen Szene, die das antisemitische Gedankengut in politischen Aktionen, ihrem Erscheinungsbild und vor allem ihrer ablehnenden Haltung zu allen Minderheiten nach außen hin transportieren und verbreiten, nicht zu ignorieren, worauf hin sich Regisseur und Drehbuchautor David Wnendt diesem Thema in seinem Regiedebut annahm. Den Mittelpunkt seiner Geschichte widmet er einer jungen Frau, die in dieser männerdominanten, aggressiven Szene ihre Bestimmung findet. Dass dieser Film kein Sonntagsspaziergang wird oder sich aufgrund seiner Thematik in eine sichere, sachliche und dokumentarische Erzählperspektive versetzt, beweist Wnendt bereits mit seiner Einstiegssequenz, die sofort den Ton angibt und unmissverständlich klar macht, welch dramatischen Verlauf das Ganze noch einschlagen wird. Wnendt inszeniert sein Werk mit solcher Eindringlichkeit, dass man schon bald den sicheren Kinosessel verlassen hat und sich mittendrin im Geschehen befindet. Wenn die hasserfüllte Jugend zu Anfang einen Regionalzug aufmischt und in höchster Ekstase ein asiatisches Ehepaar nieder prügelt, so fällt es einem schwer, Marisa, die Protagonistin der Geschichte und Mittäterin der gewalttätigen Exzesse, anzunehmen und zu akzeptieren. Doch der Regisseur geht sogar einen Schritt weiter. Der raffinierte Einsatz der Handykamera bei besonders harten Gewaltausflügen zerrt den Zuschauer regelrecht in die Mitte der Nazi-Clique und degradiert ihn zum passiven, voyeuristischen Mittäter. Dieser Schlag ins Gesicht vom Regisseur selbst tut verdammt weh und hinterlässt noch lange nach dem Kinogang seine Spuren. Dass man der Geschichte dennoch weiterfolgt, ist wohl vor allem Darstellerin [b]Alina Levshin[/b] zu verdanken. Die rohe Gewaltbereitschaft und der unbändige Hass in ihr sind stets greifbar und doch ist ihre Figur mit einer solchen Sensibilität durchzogen, dass man sich ihr nur schwer entziehen kann. Es entsteht eine Hassliebe zwischen Zuschauer und Protagonistin, die in dieser Form nur selten im zumeist konservativen Kino zu finden ist. Ihr Weg hinaus aus der Szene präsentiert die junge Schauspielerin plausibel und stets nachvollziehbar, ohne die Läuterung zu sehr mit Klischees zu bepacken oder das Ganze gar mit einer an den Haaren herbeigezogenen, kitschigen Liebesgeschichte zu rechtfertigen. Stattdessen sind die Begegnungen zwischen der ausländerfeindlichen Marisa und dem jungen Asylanten Rasul stets von einer gereizten Grundstimmung begleitet, die von der kalten, kargen und ungemütlichen Umgebung intensive Unterstützung erhält. Marisa, die bereits ihren etablierten Platz in der Nazi-Szene gefunden hat und sich nun nach und nach daraus befreien will, da sie ihre persönliche Grenze gefunden zu haben scheint, wird eine andere junge Frau zur Seite gestellt. Die gerade mal 15jährige Svenja ist eine hochintelligente Musterschülerin und lebt bei ihrer Mutter und ihrem überaus strengen Stiefvater. Um dem spießigen Umfeld zu entfliehen, das ihr der Stiefvater vorlebt, schließt sie sich der rechtsradikalen Szene an und macht schließlich auch Bekanntschaft mit Marisa. Diese spürt, dass sie einander sehr ähnlich sind und bringt ihr zunächst aggressive Ablehnung entgegen, um sie von der rechtsradikalen Szene fernzuhalten. Nichtsdestotrotz gibt Svenja nicht auf und will sich einen Platz in der fest eingeschworenen Nazi-Clique erkämpfen. Die hoch engagierte Jungschauspielerin [b]Jella Haase[/b] kann der auf höchstem Niveau aufspielenden Alina Levshin sicher nicht das Wasser reichen, dennoch präsentiert sie sich mit einer solch natürlichen Spielfreude, dass sie problemlos an Levshins Seite bestehen kann und sich durchaus als die zweite starke Kriegerin in diesem Film betiteln darf. Aufgrund der durchgängig unangenehmen Atmosphäre in diesem Film, könnte man dem Regisseur vorwerfen, mit seiner Milieustudie „auf Teufel komm raus“ schockieren zu wollen. Doch dieser Vorwurf prallt spätestens an dem Fakt ab, dass es Wnendt vermieden hat, die Opfer der Nazi-Szene zu idealisieren, um die Ungerechtigkeiten zu rechtfertigen und zu unterstreichen. Die Figur des Rasul ist keineswegs in eine unschuldige, wehrlose Gestalt gerückt worden. Ganz im Gegenteil ist Rasul ein kleiner, dreister Rotzbengel ohne nennenswerte Liebenswürdigkeiten, was der Inszenierung einen erschreckend realistischen Unterton verleiht. Um die einzelnen Milieus nicht in ein zu gängiges Schablonenmuster zu pressen, hat sich Regisseur Wnendt sehr lange mit diesen Themen auseinandergesetzt und sich sogar selbst tief in die Nazi-Szene begeben, um diese Anti-Sub-Kultur so ehrlich und wahrhaftig wie möglich zu zeichnen. Dies ist ihm eindrucksvoll gelungen, obwohl er nicht alle Facetten dieser Gesellschaftsschicht in den Film einfließen lassen konnte. Doch das Gezeigte reicht allemal aus, um die entstandene Gänsehaut des Schreckens noch lange nachklingen zu lassen. [b]Fazit:[/b] [i]„Kriegerin“[/i] ist kein Film, der Spaß macht. Ganz im Gegenteil fühlt er sich von vorn bis hinten äußerst unangenehm an und findet keinen Moment der Ruhe und Entspannung. Ohne Umschweife skizziert er das Thema des Rechtsextremismus betont scharf und wenig versöhnlich, vermeidet es dabei aber auch, die Leidtragenden auf ein unantastbares Podest zu heben. Somit erlangt [i]„Kriegerin“[/i] eine erschreckend realistische Note, ohne von hochstilisierten Klischees weichgespült zu werden.
Kriegerin Bewertung