Bewertung: 4.5 / 5
[b]Inhalt:[/b] [i]Derek Cianfrances intimes Lebenswerk über das Suchen, Finden und Verlieren der Liebe.[/i] Deans ([b]Ryan Gosling[/b]) und Cindys ([b]Michelle Williams[/b]) einst von romantischer Leidenschaft dominierte Beziehung scheint nach 6 gemeinsamen Jahren am Ende zu sein und sich zu einem monotonen Eheleben mit Kind entwickelt zu haben. Wie es dazu gekommen ist, kann sich keiner von beiden erklären. Eine gemeinsame Liebesnacht in einem Motel soll die alten Leidenschaften wieder wecken und holt tatsächlich zärtliche Erinnerungen an die anfängliche Zeit als Paar ans Licht zurück. Doch was als letzter Rettungsversuch galt, wird schnell zu einer erschütternden Gewissheit und stellt das Ehepaar vor ihre bisher härteste Entscheidung ihres Lebens... [b]Kritik:[/b] Der Mensch braucht Geschichten. Sei es, um dem Alltag zu entfliehen und sich zu entspannen, oder den eigenen Horizont zu erweitern. Über andere Personen erlebt man aufregende Abenteuer, verzwickte Romanzen und nervenaufreibende Gefahren, doch irgendwann ist das Buch oder der Film zuende erzählt. Das beliebteste Ende – egal wie groß oder wie klein die Geschichte ausgelegt war und wie zermürbend oder schwierig sich der Weg des Protagonisten erwies – ist immernoch das Happy End. Und was wäre ein Happy End, wenn es nicht in der gefundenen großen Liebe gipfeln würde? Die Liebe ist wohl ein Thema, das in sogut wie keinem Film fehlen darf, denn in einer Tatsache ist sich der Mensch einig: Ohne Liebe, egal in welcher Form sie auftritt, wäre das Leben kaum lebenswert. Somit nimmt sie einen gewichtigen Teil in der Filmwelt ein und nach einem romantischen Happy End vermag das gefühlsbeladene Herz nicht an die unumgängliche Frage denken: Was geschieht danach? In Geschichten gibt es nur äußerst selten ein "danach". Sie sind zuende erzählt. Doch das Leben hält unzählige Varianten dessen bereit, was sich für den Menschen nach dem Happy End zuträgt. Daher grenzt es schon an bittersüßer Ironie, dass Regisseur [b]Derek Cianfrances[/b] ([i]"Brother Tied"[/i]) ausgerechnet dieses "danach" zum Thema seines neuesten Films [i]Blue Valentine[/i] gemacht hat. Als ganz so neu stellt sich sein Werk im übrigen gar nicht heraus, denn Derek Cianfrances arbeitet bereits seit elf Jahren an der filmischen Umsetzung. Immer wieder zwangen ihn diverse Rückschläge dazu, seinen Film nach hinten zu verschieben. [i]Blue Valentine[/i] ist und war stets eine Herzensangelegenheit von Regisseur Derek Cianfrances und nun darf sich sein Lebenswerk endlich als intimes, ehrliches und beklemmendes Drama der Filmwelt präsentieren. Erstaunlich ist hierbei, wie Derek Cianfrances die Filmzeit genutzt hat. Die trüben Szenen der Gegenwart ziehen sich zäh und klebrig in die Länge. Geschickt reizt er es aus, dass man dem Alltag der Protagonisten mit möglichst kleinen Zeitsprüngen folgen muss. Ungeschönt, detailreich und mit erschreckend intimer Genauigkeit erleben wir ein Ehepaar, das verzweifelt die letzten Reste ihrer gemeinsamen Liebe zueinander sucht. Diese beinahe in Echtzeit durchgespielte Gegenwart wird in besonders prägnanten Momenten durch Deans und Cindys Erinnerungen unterbrochen. Sie lassen in ihrer zärtlichen Leichtigkeit nicht nur die beiden Protagonisten durchatmen und Wärme tanken. Der Kontrast und die Kluft, die zwischen diesen beiden unterschiedlichen Zeitebenen besteht, wurde eindrucksvoll durch den Einsatz unterschiedlicher Kamerasysteme unterstützt. Moderne Digitalkameras fangen in klaren, hochauflösenden Bildern jeden noch so kleinen Moment der Gegenwart ein und erzeugen ein statisches, beinahe schon klaustrophobisches Bild und eine enge Kulisse, in der die Hauptfiguren regelrecht eingepfercht sind. Dahingehend präsentiert sich die Vergangenheit romantisch, offen und verklärt, eingefangen in einer 16mm Handkamera, die in besonders intimen Momenten teilweise sogar vom Regisseur persönlich geführt wurde, um das Filmteam so klein wie möglich zu halten. Somit werden Gegensätze geschaffen, die offensichtlicher und eindringlicher nicht sein könnten, ohne dass die Szenen dabei gezwungen und aufgesetzt wirken. Die Tatsache, dass die Vergangenheit nicht nur Glücksmomente darstellt, nimmt ihr den naiven Charakter, dass damals alles nur gut war. Dennoch werden gerade die zurückliegenden Probleme mit einer starken Präsenz der Liebe begleitet, die im Hier und Jetzt zwischen den Figuren schmerzlichst vermisst wird. Gegenwart und Vergangenheit werden dabei so verschachtelt ineinander montiert, dass sowohl die Zeit, als auch die Liebe als solche relativiert werden. Die Gegenwart wird in der Vergangenheit zur unaussprechlichen und unvorstellbaren Zukunft und doch ist es so eingetreten, auch wenn wir in den Momenten der Vergangenheit selbst kaum glauben mögen, wohin diese Liebe noch führen wird. Der Zuschauer wird von einer Realität in die andere katapultiert und muss erkennen, dass sich Gefühle ändern werden. So, wie die Zeit niemals stillsteht, so entwickelt sich auch der Mensch weiter. Momente des Glücks und der Liebe stärken den unschuldigen Glauben, davon unberührt zu bleiben und umso bitterer ist die Erkenntnis, dass die Zuneigung für sein Gegenüber erloschen ist. Diesen Prozess vom einen Extrem zum anderen bekommt man meistens nie mit. Somit bleiben auch bei [i]Blue Valentine[/i] sämtliche Zwischenschritte der Beziehung im Dunkeln. [b]Michelle Williams[/b] (oscarnominiert für ihre Rolle als beste Hauptdarstellerin) und [b]Ryan Goslin[/b] spielen in [i]Blue Valentine[/i] eine ihrer bislang stärksten und anspruchsvollsten Rollen. Mit viel Engagement und Leidenschaft schlossen sie sich dem Filmprojekt an und blieben ihm all die Jahre der Verzögerung loyal und begeistert erhalten. Beide Darsteller beweisen mit diesen Rollen, dass sie zu den Hochkarätern der darstellenden Kunst zählen und bereichern das Filmprojekt mit ihrem natürlichen Charme und ihrem authentischen und intensiven Spiel. Die im Großen und Ganzen doch recht handlungsarme Geschichte lebt von ihren ausgereiften und eindrucksvollen Dialogen, die den Film tragen und füllen und eine Lebensphilosophie transportieren, die ungefiltert und auf direktem Wege den Verstand des Zuschauers erreicht, ohne sich penetrant aufzuzwängen. Vielmehr treffen die Worte punktgenau ins Schwarze und offenbaren eine Wahrheit, die weder verleugnet, noch schön geredet werden kann. Der Film verzichtet darauf, Lösungen anhand von beispielhaften Misserfolgen aufzuzeigen, so sehr man sich im Verlauf der Geschichte gerade dies wünscht. Was jeder Einzelne aus diesem zwischenmenschlichen Drama für sich mitnimmt, entscheidet nicht der Regisseur, sondern der Zuschauer. Diese Offenheit und in gewisser Weise sogar Grausamkeit dürfte nicht jedem schmecken und die aufkommende Melancholie wandelt sich nach dem Abspann schnell in Trotz um: Wozu dann das Ganze? Warum verliebt man sich, wenn man am Ende von seinen eigenen Gefühlen verraten wird? Die womöglich besänftigenste Antwort auf diese Frage liefert uns der Regisseur vielleicht sogar selbst, als er den Abspann mit einer bekannten Erinnerungsszene des Films begleiten lässt. [i]Der Moment ist das, worauf man sich verlassen kann und den es zu genießen gilt und egal, welche Veränderungen einhergehen, es ist der Moment, dessen wir uns sicher sein können und der beweist, dass wir in ihm Liebe empfunden haben.[/i] [b]Fazit:[/b] Blue Valentine ist ein kleiner Independent-Film, der nicht das große Publikum sucht. In jeder Faser der Geschichte spürt der Zuschauer, dass es dem Filmteam wichtig war, die Oberfläche aufzudecken und dem Zuschauer einen Spiegel vor das Gesicht zu halten. Dass das eigene Spiegelbild manchmal nicht schön oder spannend anzusehen ist, nimmt der Film in Kauf und so wird dieses kleine Meisterwerk nicht jeden begeistern können. Wer sich aber darauf einlässt, eine tiefgreifende, ehrliche, intime und auch grausame Facette der Liebe kennenzulernen, der wird bei dieser lange nachklingenden Filmperle reich belohnt werden.
Blue Valentine Bewertung