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Philomena

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Prädikat: besonders wertvoll

Philomena Kritik

Philomena Kritik
0 Kommentare - 27.01.2014 von FBW
Hierbei handelt es sich um eine Kritik der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW).

Bewertung: 4 / 5

Martin Sixsmith hat gerade seinen Job als Korrespondent bei der BBC verloren. Er ist depressiv und ohne Perspektive. Da tritt eine Frau auf ihn zu und bittet ihn, über die Geschichte ihrer Mutter Philomena zu berichten. Als junges Mädchen im Irland der 1950er Jahre wurde Philomena schwanger. Abgeschoben von ihren Eltern, brachte sie ihren Sohn in einem Kloster zur Welt. Eines Tages wurde ihr Sohn einfach abgeholt. Von einem reichen amerikanischen Ehepaar. Nie mehr hat Philomena etwas von ihrem Kind gehört. Das Kloster verweigert jede Auskunft, niemand will ihr helfen. Außer Martin, der an der Story interessiert ist. Gemeinsam mit Philomena reist er nach Amerika, um ihren Sohn ausfindig zu machen. Und ihre Geschichte zu erzählen, die kein Einzelfall war.

Philomena, der neue Film von Stephen Frears, basiert auf der wahren Geschichte der Philomena Lee und behandelt ein wichtiges und schockierendes Thema mit spielerischer und zuweilen hinreißend witziger Leichtigkeit. Unzählige junge Frauen wurden in Irland hinter Klostermauern versteckt, um die Schande der "ungewollten" Kinder zu verbergen. Dass die Mütter ihre Kinder für immer und ohne jede Chance auf ein Wiedersehen verloren, ist eine der tragischen Wahrheiten des Films. Doch dank der starken Figuren und der kongenialen Besetzung gelingt es Frears, auch eine Geschichte über Mut, Stärke und die Möglichkeit der Vergebung zu erzählen.

Trailer zu Philomena

Steve Coogan, der den Film produzierte und das Drehbuch mit verfasste, überzeugt als lakonischer Journalist, für den zunächst nur die Story zählt, und dem nach und nach das ganze Ausmaß an Kirchenverfehlungen klar wird. Herz und Seele des Films ist Judi Dench, die Philomena mit Mutterwitz, einer überwältigenden Herzensgüte und Wärme spielt. Frears überhöht sie nicht, zeigt aber immer die Größe und Stärke dieser Frau. Es gelingt ihm, Philomena und andere Frauen mit ähnlichem Schicksal mit diesem warmen und sensibel erzähltem Film zu würdigen. Vier Oscar-Nominierungen, darunter als "Bester Film" und für Judi Dench als "Beste Hauptdarstellerin" zeugen von großer Anerkennung für Frears' Werk.

Die Geschichte ist wahr, und gerade deshalb kann man die Drehbuchautoren Steve Coogan und Jeff Pope gar nicht genug für ihre Arbeit loben. Denn es gelingt ihnen, in einem angenehm natürlichen Fluss die beiden Erzählstränge von Philomena zu verbinden. Da ist zum einen die Suche einer älteren Frau nach ihrem Sohn, und es geht um die Verbindung dieser irischen Frau aus einfachen Verhältnissen zu einem renommierten britischen Fernsehjournalisten, der erst nur zögerlich ihre "human interest story" schreiben will, sich im Laufe der Recherche aber immer mehr seiner Mitreisenden gegenüber öffnet. Beiden Aspekten wird etwa gleichviel Gewicht beigemessen, und dabei entsteht eine feine Balance zwischen dem traurigen Familiendrama und der eher heiteren Buddy-Story.

Die Komik entsteht dabei aus den Missverständnissen, die entstehen, weil die beiden Protagonisten so unterschiedlichen sozialen Schichten entstammen. Es ist sehr britisch, wenn diese Unterschiede hier zwar ironisch hinterfragt, aber dadurch im Grunde auch festgeschrieben werden. Witzig ist die Fallhöhe auch, weil Dame (!) Judi Dench diese Philomena Lee spielt. Bekannt durch Filmfiguren, wie beispielsweis Queen Victoria, die eher höheren Klassen zugehören, spielt sie diese irische Lady, die ihre Kitschromane liebt und immer gerne zugreift, wenn es etwas umsonst gibt, mit der gleichen Intensität, Würde und Komplexität. Coogan der sich sehr für die Verfilmung des Buches engagierte, ist sonst eher ein temperamentvoller Schauspieler. Hier nimmt er sich sehr zurück und ist gerade deshalb so gut wie selten.

Den Kern der intimen, kleinen Geschichte bildet ein großer Skandal. Hier wird auch davon erzählt, wie mittelalterlich die katholische Kirche noch vor wenigen Jahrzehnten in Irland mit wehrlosen jungen Frauen umgegangen ist, und wie viel Kaltherzigkeit auch heute noch den Opfern entgegenschlägt. Da wird nichts beschönigt, und auch wenn Philomena am Ende die menschliche Größe hat, zu verzeihen, ist dies ein Film, der zornig macht.

Prädikat: besonders wertvoll

Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung

Philomena Bewertung
Bewertung des Films
810

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