Bewertung: 4.5 / 5
Steve Jobs Lebenswerk ist bekannt, der wie nur wenige Personen unser modernes Leben massiv geprägt hat. Er gehört zu den bekanntesten Persönlichkeiten der Computerindustrie - und das auch nach seinem Tode. Am 5. Oktober 2011 starb Steve Jobs und seitdem gab es einige Versuche Filmschaffender, sein Wirken und Wesen zu erfassen. Nach jOBS - Die Erfolgsstory von Steve Jobs versucht sich nun Erfolgsregisseur Danny Boyle (Slumdog Millionär, 127 Hours) am Sujet und Michael Fassbender darf als Jobs glänzen.
Steve Jobs: Wer war dieser Mann? Was hat er geschaffen? Was bewegte ihn? Was für eine Person war er? Hat er unser Leben bereichert? Was war seine Vision? In drei entscheidenden Episoden möchte Steve Jobs den Mythos des kreativen Kopfes greifbar machen, die Person hinter der äußeren Fassade zeigen. Was geschah hinter den Kulissen - und ist der übermenschliche Ruf, den Jobs zu Lebzeiten hatte, auch wirklich gerechtfertigt?
Trailer zu Steve Jobs
Steve Jobs Kritik
Mit Steve Jobs erwartet uns ein ungewöhnlicher Film. Boyle hat es sich nicht zur Aufgabe gemacht, das Leben des Unternehmers akribisch nachzuerzählen, was in einem Film auch kaum möglich wäre. Es ist auch nicht die Geschichte von Apple, selbst wenn diese Firma einen großen Stellenwert einnimmt. Es geht um eine Annäherung an den Menschen Steve Jobs und nicht darum, Punkt für Punkt seine Entwicklung nachzuzeichnen. Dies wird vor allem an der Art der Umsetzung deutlich, denn für seinen Film wählte Boyle drei entscheidende Episoden aus Jobs' Leben: Zum einen die Produkteinführungen des Macintosh im Jahr 1984 und die Bekanntgabe des NeXT im Jahr 1988, zum anderen die Rückkehr von Apple als Big Player mit dem iMac 1998.
Diese Produkteinführungen sind Dreh- und Angelpunkt, um Jobs zu verstehen und auch seine Beziehungen zu Wegbegleitern wie Steve Wozniak (Seth Rogen), John Sculley (Jeff Daniels), Andy Hertzfeld (Michael Stuhlbarg), Joanna Hoffman (Kate Winslet) zu zeigen, aber auch die komplizierte Interaktion mit seiner Tochter Lisa Brennan. Dabei ist nicht davon auszugehen, dass die persönlichen Entwicklungen tatsächlich an diesen Tagen in dieser Form stattgefunden haben. Diesen Anspruch erhebt Boyle nicht und dies ist auch gar nicht nötig, geht es rein um die Charakterzeichnung, die dabei der Realität sehr nahe kommen dürfte. Somit ist Steve Jobs auch keine echte Biographie, viel eher ein Kammerspiel, welches fast der Feder eines Quentin Tarantino entsprungen sein könnte.
Dass dieser gewagte Plan überhaupt aufgeht, ist nicht nur Boyles Verdienst, sondern vor allem der seiner Protagonisten. Boyle schafft es, seine Darsteller in den Rollen aufgehen zu lassen, doch alle verblassen regelrecht im Vergleich zu Michael Fassbender. Dieser ist Steve Jobs und überstrahlt alle an seiner Seite, beinahe dem echten Jobs gleich. Steve Jobs schaut man nicht nur einer interessanten Persönlichkeit wegen, sondern vor allem wegen der darstellerischen Leistung.
Überhaupt leistet dieser Film vieles. Er bietet großartige Schauspieler und spannende Entwicklungen. Boyle offenbart mit Steve Jobs aber noch etwas viel Wichtigeres: Er zeichnet ein Bild jenes Mannes, welcher von vielen nahezu religiös verehrt wird. All jenen sei dieser Film besonders ans Herz gelegt, gelingt es Boyle doch, sowohl Jobs zu würdigen als auch Kritik zu äußern. Jobs war unbestritten ein Visionär, aber sicherlich kein - auf Neudeutsch - Gutmensch. Auf Jobs trifft vieles zu, wobei Despot und Egomane besonders nahe liegen.
Gerade in den Konflikten mit Steve Wozniak wird dies deutlich. Hier treffen Philosophien aufeinander. Während Wozniak der Techniker ist, für Vielfalt und die Möglichkeiten des Endnutzers eintritt, dabei aber die Usability aus den Augen verliert, vertritt Jobs den Standpunkt eines Designers. Dinge müssen schön sein, sie müssen leicht zu bedienen sein. Das Beste aus beiden Welten wäre das Beste für den Kunden. Aber in Steve Jobs wird sehr deutlich, dass sich Jobs nie wirklich für seine Kunden interessierte. Wer sich als Zentrum des Universums betrachtet, schafft mitunter auch ein gefährliches Erbe.
Im Film wird das besonders ersichtlich, wenn Jobs' Angst vor Kontrollverlust thematisiert wird. Er liebt die Kontrolle, will sie nicht verlieren und versteht Menschen nicht, die Kontrollverlust zulassen. Gleichzeitig steht er für eine Philosophie, die andere Menschen jeder Kontrolle beraubt. Jobs sieht sich als Auserwählter, der über das Leben Anderer bestimmt. Wie ein Dirigent im Orchester will er die Musik definieren. Er legt fest, was seine Mitmenschen tun, wie sie zu arbeiten haben. Einem Tyrannen gleich tritt er gegenüber seinen Mitarbeitern und letztlich auch den Kunden auf. Denn so lobenswert seine Visionen für schöne und funktionale Geräte sind, so verachtenswert ist die Politik, die er damit durchsetzt. Beinahe einem trojanischen Pferd gleich ist sein Anspruch an Design nur das Gefährt, um seine Kontrollphantasien in die Tat umzusetzen. Für Jobs ist der Kunde nicht König, er ist ein unmündiges Individuum, über das bestimmt werden muss. Diese gefährliche Philosophie, die im Film angedeutet und später durch Apple salonfähig gemacht wurde, schuf ein technisches Ökosystem, in welchem unzählige Menschen gefangen sind, gefangen sein wollen. Der späte Sieg von Steve Jobs hat uns zwar einfache Geräte beschert, die den Endkunden aber abhängig machen und dem König willige Sklaven schufen. Und so kann man direkt behaupten, nicht nur Beauty killed the Beast, sondern vor allem unsere Freiheit und Autonomie.
Steve Jobs Fazit
Steve Jobs ist ein spannender Film über einen überaus spannenden Menschen. Boyle achtet sehr darauf, die Leistungen von Jobs in seinem Film zu würdigen, aber er setzt auch viel daran, den Menschen zu entmystifizieren und dessen Fehlbarkeit zu zeigen. Es ist auch ein Spiegel für unsere Gesellschaft, die einen Menschen fast in einen gottgleichen Status erhebt. Er war ein Mann mit einigen großartigen Ideen, der in dem, was er tat, einzigartig war - und doch nur ein Mensch wie wir alle, ein Mensch mit vielen Fehlern.