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Tage die bleiben

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Es passiert mitten im Leben

Tage die bleiben Kritik

Tage die bleiben Kritik
0 Kommentare - 21.01.2012 von FBW
Hierbei handelt es sich um eine Kritik der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW).

Bewertung: 4 / 5

Es ist der Albtraum in Reinkultur: Ein Mann steht auf der Straße und blickt versonnen seiner Frau nach, die ihn gerade aus dem Wagen steigen ließ und nun weiterfährt, um die Ecke biegt ... und ihm ein fürchterliches Aufprallgeräusch später samt Auto wieder entgegengeflogen kommt. Ein LKW hat den BMW gerammt, die Frau ist sofort tot. Regisseurin Pia Strietmann inszeniert diesen Horrorcrash, den einen Moment, der alles ändert und die ganze Fragilität des Lebens eindringlich vor Augen führt, ganz bewusst so realistisch und hart. Das Bild setzt sich im Bewusstsein fest, wo es mindestens die noch folgenden 100 Filmminuten rumort. Auf dass nur keiner vergisst, worum es in Strietmanns überaus bewegenden, aber überhaupt nicht deprimierenden Debüt Tage die bleiben geht: um Trauer und Tod. Und dann eben doch irgendwie auch ums Leben.

Der Tod passiert blöderweise immer mitten im Leben, und die eigentliche Geschichte ist schnell erzählt: Andrea (Lena Stolze), die Mutter einer vierköpfigen Familie aus Münster, stirbt bei einem Verkehrsunfall. Zurückbleiben Vater Christian (Götz Schubert), der in Berlin lebende Sohn (Max Riemelt) und die pubertierende Tochter (Mathilde Bundschuh). Der Film analysiert nun mit unter die Haut gehender Lebensnähe, was in den Tagen zwischen Unfall und Beerdigung mit den Familienmitgliedern passiert. Vordergründig mag das nicht viel sein - Banalitäten allenthalben. Überhaupt: In einem recht gediegenen Münster, wie man es eben aus den Wilsberg- oder Tatort-Krimis kennt, dreht sich das Leben weiter.

Aber für die Dewenters ist nichts mehr wie es war. Der überforderte Vater steht vor dem Nichts: Er verlor die Ehefrau, seine Familie droht zu zerfallen, und auch die Geliebte (Tessa Mittelstaedt) kann jetzt nicht einfach so weitermachen mit ihm, dem notorischen Fremdgänger. Ausgerechnet der vor dem Provinzmief und der Enge der gutbürgerlich situierten Familie geflohene Sohn müsste in die Bresche springen und die Angelegenheiten richten - die kleinen, wie die Frage, welches "Erdmöbel" es denn für Mama sein soll, und die großen, zu denen vor allem Erste Hilfe für verletzte Seelen gehört. Dabei hat er selbst keine Ahnung davon, wie das geht mit der Trauer ...

Es ist erstaunlicherweise Elaine, das Teenie-Girl, die sich trotz Pubertätswahnsinn noch am wackersten durch diese Tage schlägt. Welch eine Rolle für die 17-jährige Mathilde Bundschuh, die neben den gestandenen Schauspielern Schubert und Riemelt beeindruckendes Potenzial offenbart.

Am bewegenden Ende, nach Trauerfeier und Beisetzung, ist man überrascht, wie schnell 106 Minuten doch vergehen können. Es sind 106 Minuten voller Wahrheiten über das Leben und den Tod, voll mit "echtem" Gefühl, aber auch etlichen absurden Momenten: Tage die bleiben ist kein unkommerzielles, bleischweres Stück Kino, sondern ein durchweg eingängiger, überzeugend gespielter Ensemblefilm mit Tempo, hoher Erzähldichte und einer universellen Story - jeder sieht sich früher oder später mit dem Thema "Verlust" konfrontiert. Die Geschichte berührt ohne Frage, aber der Film läuft gleichzeitig mit einigen Hochkarätern an, darunter George Clooneys The Descendants - Familie und andere Angelegenheiten (von Sideways-Regisseur Alexander Payne), ein Streifen, der sich kurioserweise mit dem gleichen Thema auseinandersetzt.

Tage die bleiben bekommt 4 von 5 Hüten.


(Quelle: teleschau - der mediendienst | Frank Rauscher)

Tage die bleiben Bewertung
Bewertung des Films
810

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