
Bewertung: 5 / 5
"Nie wieder!" - Das schwor sich schon so mancher Mitarbeiter von James Cameron. Der als Pedant bekannte Star-Regisseur macht es seinem Team nicht leicht, auch nicht, wenn der Film schon im Kasten ist. Für die 3D-Konvertierung seines Meisterwerks Titanic verrichteten 300 Experten über ein Jahr lang Schwerstarbeit. Den Umwandlungsprozess beschreibt Cameron, der kürzlich zum tiefsten Punkt der Erde tauchte, "als wollte man den Rasen mit einem Nagelknipser mähen". Da sich in diesem Jahr der Untergang der RMS Titanic zum 100. Mal jährt, scheute der 57-Jährige trotzdem keine Kosten und Mühen, den ehemals erfolgreichsten Film aller Zeiten (vor Camerons Avatar - Aufbruch nach Pandora) in konvertierter 3D-Fassung zurück ins Kino zu bringen. Und ja: Die Effekte sind wirklich spektakulär. Jedenfalls stellenweise.
Es ist im Grunde eher untypisch für den Perfektionisten James Cameron, sich auf ein Projekt einzulassen, bei dem von vornherein keine Aussicht auf ein hundertprozentiges Ergebnis besteht. Dass ein in 3D konvertierter Film nie ganz an den Standard eines eigens in 3D gedrehten Films heranreichen kann, war Cameron durchaus bewusst. Als ein erster Teaser der Presse präsentiert wurde, wischte Cameron etwaige Bedenken mit der Behauptung weg, andere konvertierte Filme brächten es maximal auf 2,4D. Sein Team dagegen hätte das maximal Mögliche erreicht, nämlich 2,99D.
Trailer zu Titanic
In dem Argument, die anderen könnten es schließlich auch nicht besser, klingt schon so etwas wie eine Entschuldigung mit. Wenngleich dieser Film zweifelsohne der bestmögliche Kompromiss ist, so bleibt er letztlich eben doch ein Kompromiss. Besonders was die Kameraführung betrifft, ist klar: Die Liebesgeschichte von Jack (Leonardo DiCaprio) und Rose (Kate Winslet) wurde in 2D gedreht. So geht die Durchschlagskraft der 3D-Effekte bei schnellen Schwenks und raumgreifenden Kamerafahrten größtenteils verloren. Unschärfe und verschwommene Konturen machen das Zuschauen besonders bei den Massenszenen im letzten Drittel zur Herausforderung für die Augen.
Am beeindruckendsten ist die 3D-Wirkung immer dann, wenn die Kamera sich Zeit lässt, verharrt. Unter Wasser schwebende Leichen und Schlammteilchen treten extrem plastisch hervor, und die Einstellung mit den majestätisch aus der Tiefe ragenden Schiffsschrauben gewinnt an Bombast. Auch die hereinstürzenden Wassermassen wirken jetzt noch bedrohlicher. Doch nicht nur die Actionszenen profitieren, auch beim Dinner in der ersten Klasse begeistert die räumliche Tiefe der Personen und Gegenstände zueinander und ein gestochen scharfes Bild. Leider sind diese durchaus verblüffenden Momente eher punktuell gesät.
Eines steht außer Frage: Titanic gehört auf die große Leinwand. Die Entscheidung, den Film in 3D wiederzubeleben, ist also nicht abwegig. Geldmacherei könnte man Regisseur und Verleih sicher trotzdem vorwerfen, wobei die neu entstandenen Kosten von 18 Millionen Dollar erst einmal eingespielt sein wollen. Doch für sich genommen ist Titanic schon ein klassischer 5 von 5 Hüten Film, hat die Magie, mit der der Film einst die Massen verzauberte, auch im Jahr 2012 nichts von ihrer Faszination verloren. Trotz aller Häme und Unkenrufe zum Trotz.
(Teresa Groß)
