Es war einmal eine Zeit, in der wir, die Freunde des audio-visuellen-Genusses, uns auf bestimmte Tage in der Woche gefreut haben. Sei es der Kinotag mit dem Eintritt zum halben Preis, der Donnerstag mit dem Start neuer Filme oder das Wochenende, an dem man sich die Zeit nahm, um mit Partner:innen oder Freunden:innen für wenigstens zwei Stunden abgeschirmt vom Rest der Welt abzutauchen.
Wir flogen mit Han Solo im Millennium Falcon, kauften dummerweise ein Ticket für die Jungfernfahrt der Titanic oder besuchten als Avatar den Planeten Pandora. Und waren wir nicht im Kino, spazierten wir in die nächstgelegene Videothek. Manchmal erschlug uns die Auswahl, aber Spezialist:innen wusste immer, wo sie zu suchen haben. Außerdem kannte man das Sortiment durch unzählige Besuche schon auswendig. Wie einfach es doch war, ein bis zwölf Filme zu finden und an einem Wochenende anzuschauen! Plus, für die Älteren unter uns, sogar zurückzuspulen.
Dann kamen die Streaming-Anbieter. Ob Netflix, Amazon, oder Disney+. Sie alle starteten aus wenigen, einfachen Gründen: Primär natürlich, um Geld zu verdienen. Sekundär, um uns Filmfans und den rudimentären Filmenthusiasten das Leben zu erleichtern. Aber ist es nun leichter geworden? Im kaufmännischen Bereich hat man schnell festgestellt, dass der Kunde überfordert ist, wenn man ihm viele Angebote vorlegt und damit die Entscheidung überlässt. Wie zur Hölle soll sich dann auf Dauer ein Mensch bei mehreren tausend Angeboten entscheiden?!
Lasst es mich so sagen, ich habe daheim viele tausend Filme auf Silberscheibe und die aktuell besten Streaming-Anbieter abonniert, denn nach einem zehn bis zwölf Stunden Tag will man abschalten. Aber je älter wir werden, desto mehr wollen wir unsere Zeit nicht vergeuden. Etwas, das mich als ehemaliger Kino-Dauerbesucher in den 2000er Jahren genervt hat. Plötzlich kamen immer mehr Filme mit mächtig Krawumms ins Kino, aber auch mit immer weniger Substanz. Deshalb ging ich nicht mehr dreimal in der Woche ins Kino, sondern nur noch einmal im Monat. In den 2010er-Jahren fing ich an, sehr zum Missfallen meiner Frau, noch öfter bereits bekannte und zig-mal angesehene Filme anzuschauen, da mich neue Filme fast nur enttäuschten. Und danach war ich doch etwas unzufrieden. Immerhin habe ich zwei Stunden meines Lebens mit einer Kunstform verbracht, die mich früher selten enttäuscht hat.
Es ging also nicht mehr darum, Filme zu machen und die Leute dazu zu bringen, den Alltag für einige Zeit zu vergessen. Es ging mehr und mehr darum, immer lauter, bunter, schriller und auf quälende Weise länger zu werden. Was schließlich dazu führte, dass man keinen Wert mehr auf Figuren und Sprache legte. Nicht selten saß ich im Kino, und wollte mir mit dem Strohhalm die Augen ausstechen und das Trommelfell punktieren. Wenn man nun überlegt, pro Person teils 30 Euro pro Film im Kino zu lassen, fängt man an, die Personen, die einen mit manch auf Zelluloid gebanntem Werk quälen, nicht mehr so lieb zu haben wie früher.
Mit dem stetig erstarkten Netflix schien endlich Rettung in Sicht. Doch was anfangs als Rettung des Films und der freien Arbeitsweise wirkte, warf immer mehr Content auf den Markt. Wie eine dauerblinkende Werbereklame auf dem Sunset Strip in Las Vegas. Meine Watchlist allein auf Netflix ist so lang wie der Strip selbst. Gesehene Filme und Serien davon prozentual: Knapp 20 %. Es ist keine Übersättigung. Vielmehr die Art an Film, die dort verfügbar ist. Es steckt freies Handwerk dahinter, aber wenig bis keine Liebe darin. Es ist Fast Food auf allen Kanälen. Trotzdem will ich keinen der Anbieter missen, ob Amazon, Netflix oder Disney+. Gerade wenn man Kinder hat, sind manche Anbieter überlebenswichtig für Eltern auf der Suche nach zehn Minuten Freiraum (fette Props gehen an dieser Stelle raus an Trotro und Peppa Pig!).
Aber trotz der immensen Fülle an Filmen und Serien, von denen ich manche gern sehe, andere zeitlich nie geschafft habe anzufangen, und jenen, die ich aus Interesse nur via News auf Moviejones verfolge, gibt es doch etwas, was kein Anbieter jemals geschafft hat. Und niemals schaffen wird: Das Gefühl dabei zu sein. In den Film einzutauchen. Abzuschalten. Der Arbeit und dem Chaos unseres Alltags entfliehen zu können.
Das schafft nur Kino!