Rings um das Osthaus Museum in Hagen liegt eine besondere Stimmung in der Luft, als der Morgen am 3. Dezember graut. Schließlich soll heute kein Geringerer als Superstar Sylvester Stallone, der wohl durch seine Bandbreite an Kino-Auftritten jeder Altersgruppe zumindest ein Begriff ist, in Hagen bei Dortmund tatsächlich persönlich erscheinen.
In den Fußgängerzonen Hagens ist sich wohl kaum jemand bewusst, was in unmittelbarer Nähe geschehen würde. Je näher man dem Museum kommt, desto öfter sind jedoch Personen zu beobachten, die "Etwas" zu wissen scheinen.
Wir sind extra früh angereist und tatsächlich die ersten Pressevertreter vor Ort. Nach dem Check-in und der Einweisung im Pressesaal, dürfen wir uns zunächst in aller Ruhe Slys Ausstellung widmen. Zeitgenössische Kunst ist zwar sehr vielfältig, aber sicher nicht jedermanns Sache. Wir sind trotz Kenntnisse über Stallones malerisches Schaffen überwältigt von der Wucht, Kraft und Energie, die seine, zum Teil sehr großformatigen Werke, ausstrahlen. Sie verstehen es, den Betrachter ohne Umschweife in den Bann zu ziehen.
Die Sammlung mit Stücken aus fast 60 Jahren zeigt deutlich die verschiedenen Phasen und Stilrichtungen, die der Künstler durch- und ausgelebt hat. "Das Malen ist die reinste Form der Kunst", wird Sly in der anschließenden Pressekonferenz sagen.
Kunstinteressierten können wir die Ausstellung, die in den Räumen des altehrwürdigen Osthaus Museums in toller Atmosphäre präsentiert wird, auf jeden Fall ans Herz legen.
Stallones Galerist Mathias Rasthofer, der die Werke schon 2013 in Sankt Petersburg und 2015 in Nizza ausstellte, ist von Slys Werken überzeugt und Museumsdirektor Tayfun Belgin schlägt in die gleiche Kerbe: "Die Kraft der Malerei zeigt den gleichen Vollblutmaler, so wie er in seinen Filmen ein Vollblutschauspieler ist."
Zurück im Presseraum heißt es nun gespannt warten. Nach 20-minütiger Verspätung raunt plötzlich eine tiefe Stimme "Good Morning" in den Raum, dass man meint, jemand hätte eine Bassbox angeworfen. Stallone ist da! Er sieht gut aus. Unauffällig, aber lässig gekleidet, durchtrainiert und wach. Von seiner, noch nicht so lang zurückliegenden Rückenoperation, ist nicht viel zu spüren.
Nur Augenblicke später steht er auf der Bühne. Allein die Art, wie er seine Jacke auszieht und über den Stuhl hängt, macht ihn augenblicklich so greifbar und natürlich, dass auch dem letzten Anwesenden klar sein muss, hier ist einfach "nur" ein Mensch zu Gast, ein Künstler und kein Hollywood-Star, der sein Werk vorstellen möchte, und der selbst beeindruckt ist, hier ausstellen zu dürfen.
"Es ist eine große Ehre für mich, an denselben Wänden zu hängen, wie die größten Künstler der Geschichte, natürlich ohne mich selbst dazuzuzählen", lacht Stallone demütig und schelmisch zugleich. Bereits im Jahre 1902 wurde das Osthaus Museum - damals Museum Folkwang Hagen - eröffnet. Es war weltweit das erste Museum für zeitgenössische Kunst. Hier ausstellen zu dürfen, kommt wohl einem Ritterschlag gleich.
Aus nur wenigen Metern Entfernung erleben wir einen Mann, der nachvollziehbar und intensiv vermittelt, was ihm die Malerei bedeutet und welche Herausforderungen sie mit sich bringt. "Ich will nicht einfach nur als Celebrity Maler angesehen werden. Ich war schon lange Maler, lange bevor ich Schauspieler wurde. [..] Es ist nicht so, als ob man in einem Film mitspielt, mit einer 500-Mann-Crew, Regisseur, Beleuchter usw., bei dem am Ende sehr viele Leute für das Ergebnis verantwortlich sind... Nein, bei der Malerei fühlt man sich, als wäre man gerade nackt und allein geboren, und nur man selbst entscheidet über Schuld, Schande oder Ruhm."
Stallone trägt seine Worte zwar mit Bedacht, aber mit der gleichen Wucht und Eindringlichkeit vor, die wir zuvor in den knalligen Farben und plastischen Ausführungen seiner Werke gesehen haben. Vor unserem geistigen Auge können wir ihn regelrecht mit Pinsel und Spachtel bis zur Erschöpfung wüten sehen. Der Mann ist mit seinen 75 Jahren eine im positivsten Sinne Urgewalt mit Talent, Verstand und Charme.
Und manchmal vernimmt man dann doch von der Bühne ein paar Worte, die ihm sein Alter-Ego Rocky hätte in den Mund gelegt haben können. "Furcht und Angst bringen dich in der Malerei vorwärts. Sie pushen dich auf ein immer höheres Level. Aber die beste Art zu lernen, bleibt für mich das Scheitern." Gänsehaut!
Immer wieder würzt er seine Ausführungen auch mit Anekdoten seiner Anfangszeiten. "Ich kaufte billige Leinwände für 2 Dollar, bemalte sie und verkaufte sie dann für 5 Dollar weiter, um mir Bustickets kaufen zu können." oder "Meine ersten richtigen Versuche machte ich auf den Pappkartons, in denen mein Vater die Hemden von der Reinigung holte. Ich malte Massai-Krieger mit hocherhobenen Speeren und sämtlichen Details. Als ich meinen Vater fragte, wie er es findet, wurde er wütend: "Zur Hölle damit! Wo ist die Wäsche?".
Und wenn heute hier in Hagen ein Sylvester Stallone sagt "Für mich ist das hier auch ein bisschen eine neue Welt" und sich dabei demütig in der Halle umsieht, sollte selbst bei denen das Eis brechen, die ihn immer für einen oberflächlichen Raufbold hielten.
Ich war nicht nur als Journalist, sondern auch als lebenslanger Fan vor Ort, dem Sylvester Stallones Werk, insbesondere Rocky sehr viel bedeutet. Es war ein unbeschreibliches Erlebnis. Mein Idol, das mich seit meiner Kindheit begleitet und tatsächlich auch mein Leben mitgeprägt hat, aus nächster Nähe erleben zu dürfen, war für mich ein Geschenk. Dass es mir dann auch noch vergönnt war, mir meine Original-Replik eines Rocky-Boxhandschuhs (ein Geburtstagsgeschenk meiner Tochter) von Sly signieren zu lassen, und ihm später kurz sagen zu können, was er für mein Leben bedeutet, das er mit einem charmanten Lächeln und einer wohlwollenden Handbewegung kommentierte (sein Zeitplan war sehr straff), war die Krönung. Und als ich dann auch noch selbst von Kolleginnen im Saal interviewt wurde und am nächsten Tag auch noch mit Foto neben Stallone in der Tageszeitung erschien, war die Freude kaum noch in Worte zu fassen.
An dieser Stelle möchten wir uns von Moviejones noch einmal ausdrücklich bei Herrn Schwarz bedanken, der er es uns unkompliziert möglich machte, trotz so vieler Anfragen und Absagen an Agenturen, bei dieser außergewöhnlichen Veranstaltung dabei sein und davon berichten zu können. Ebenso geht unser Dank an die hervorragende Pressebetreuung vor Ort.
Sylvester Stallone
Retrospektive zum 75. Geburtstag
Osthaus Museum Hagen
4. Dezember 2021 - 20. Februar 2022