
++ Update vom 02.10.2025: Die zuvor berichtete Debatte über den Einsatz von künstlicher Intelligenz in Hollywood spitzt sich weiter zu. Im Zentrum der Kontroverse steht die digitale Schauspielerin Tilly Norwood, deren mögliche Vertretung durch führende Talentagenturen für Wirbel sorgt.
SAG-AFTRA-Präsident Sean Astin kündigte Gespräche an, um klare Regeln zu schaffen und die Rechte menschlicher Künstler zu schützen. Kritiker, darunter die Schauspielerinnen Emily Blunt, Melissa Barrera und Whoopi Goldberg, warnen vor der Entwertung menschlicher Kreativität, da Norwood ein Computerprodukt ist, das auf unzähligen realen Darstellerleistungen basiert - ohne deren Zustimmung oder Vergütung.
In diesen Kontext tritt nun der Trailer zu The Sweet Idleness, einem vollständigen Spielfilm, der komplett von einer künstlichen Intelligenz inszeniert wird. Darin entsteht eine dystopische Gesellschaft, in der die Arbeit weitgehend von Maschinen erledigt wird, während der Mensch in den Hintergrund tritt. Der Trailer dient als erster Einblick in das Projekt, das von der K.I. FellinAI geleitet wird, während ein Aufsichtsteam den erzählerischen Zusammenhang sicherstellt.
Produzent Andrea Iervolino, bekannt für internationale Projekte wie Michael Manns Ferrari, beschreibt den Film als Experiment hybrider Produktionsmethoden, nicht als Ablösung menschlicher Kreativität. Digitale Darsteller wie Norwood übernehmen zentrale Rollen und werden dabei aus realen Vorbildern der hauseigenen Agentur Actor+ generiert. Andrea Biglione, Entwickler des Systems, fungiert als Bindeglied zwischen algorithmischer Logik und künstlerischer Intuition.
Die Veröffentlichung des Trailers fällt in eine Phase intensiver Debatten über K.I. im Film. Während SAG-AFTRA vor massiven Jobverlusten für Schauspieler warnt, verfolgen Produzenten wie Iervolino eine ganz andere Vision: Digitale Figuren wie Norwood sollen nicht nur auf der Leinwand, sondern auch in sozialen Medien und interaktiven Formaten weiterleben - ein Konzept, das er als „digitale Existenz des Menschen“ beschreibt.
Rechtliche und organisatorische Fragen begleiten das Projekt: Urheberrechte sowie langfristige Verantwortung für digitale Figuren zeigen die Komplexität solcher hybriden Produktionen. Vertriebspläne für den vollständigen Film stehen noch offen; Iervolino deutet an, dass The Sweet Idleness sowohl auf Festivals als auch auf Streaming-Plattformen gezeigt werden könnte.
Ob K.I.-gesteuerte Regie und digitale Darsteller dauerhaft akzeptiert werden, hängt von Reaktionen der Branche und des Publikums ab. Die Tilly-Norwood-Kontroverse verdeutlicht, dass Innovation auf Widerstände trifft, sobald menschliche Arbeit betroffen ist.
The Sweet Idleness markiert nun die nächste Phase der Auseinandersetzung und zeigt, wie stark Kino und Technologie sich gegenseitig beeinflussen - und welche Fragen der Schutz menschlicher Kreativität in einer digitalisierten Welt aufwirft.
Den Trailer findet ihr in der eingebetteten X-News oder über den untenstehenden Quellenlink.
AI-Directed Movie ’The Sweet Idleness’ Releases Trailer Amid AI Actor Tilly Norwood Controversy: ’The First Movie’ Made by an ’AI Agent’ https://t.co/bPAMHEomoD
— Variety (@Variety) October 1, 2025
++ Update vom 30.09.2025: Erst kürzlich zeigte der in unterer News geschilderte Fall von Lionsgate und Runway, wie schnell Euphorie rund um Künstliche Intelligenz in Hollywood an ihre Grenzen stößt. Nach der Ernüchterung um das gemeinsame K.I.-Projekt, das rechtlich und technisch ins Stocken geraten ist, steht Hollywood schon vor dem nächsten Streitfall.
Diesmal geht es nicht nur um Rechte und Trainingsdaten, sondern auch um die Frage, ob eine künstlich erzeugte Figur überhaupt als Schauspielerin gelten darf. Tilly Norwood heißt die digitale Figur, die plötzlich als „Schauspielerin“ gehandelt wird und von Talentagenturen wie ein echter Mensch vertreten werden soll. Sehr zum Ärger der Gewerkschaft SAG-AFTRA, die im Namen von 160.000 Filmschaffenden klarmacht: Hier ist eine Grenze erreicht.
Die Gewerkschaft erklärte in einem Statement, dass Tilly Norwood keine Schauspielerin sei, sondern ein Computerprodukt. Die Figur sei auf Grundlage unzähliger Auftritte echter Darsteller trainiert worden, ohne deren Zustimmung und ohne Bezahlung. Genau das mache die Sache so problematisch. „Kreativität ist und bleibt menschlich“, heißt es weiter in der Erklärung. „Tilly Norwood‘ hat keine Lebenserfahrung, keine Emotionen, und die Zuschauer wollen keine Figuren sehen, die völlig losgelöst von menschlichem Erleben sind.“
Prominente Stimmen pflichteten der Gewerkschaft bei. Melissa Barrera nannte die digitale Schauspielerin eine Beleidigung für alle, die ihr Leben diesem Beruf widmen. Kiersey Clemons sprach von einer „Entmenschlichung der Erzählkunst“. Whoopi Goldberg warnte vor den Folgen für die Zukunft: „Wir bauen Welten mit Herz und Schweiß - nicht mit Code.“ Und Emily Blunt betonte, dass Kino von echter Emotion lebe, nicht von Programmen.
Hintergrund dieser Reaktionen sind auch die Erfahrungen aus dem Streik von 2023. Damals kämpfte SAG-AFTRA mit den Studios um Schutzrechte gegen den Einsatz von K.I.. Seitdem gilt: Produzenten, die mit der Gewerkschaft Verträge haben, dürfen keine synthetischen Darsteller einsetzen, ohne dies vorher zu melden und auszuhandeln.
Eline van der Velden wollte mit Tilly Norwood eigentlich ein Experiment wagen. Sie argumentierte, dass digitale Figuren Lücken in der Branche schließen könnten, etwa bei schwer zu besetzenden Rollen oder in kostengünstigen Projekten. Doch SAG-AFTRA sieht darin nicht die Lösung, sondern das Problem: Arbeitsplätze würden gefährdet, Kunst werde entwertet, und der kreative Prozess verliere seine menschliche Basis.
Der Fall Tilly Norwood zeigt, wie groß die Spannungen sind. K.I. wird längst in Nachbearbeitung und Effekten eingesetzt. Aber sobald es um die Ersetzung von Schauspielern geht, prallen Innovation und Schutz des Berufs direkt aufeinander.
Noch ist unklar, wie es mit Tilly Norwood weitergeht. Van der Velden will das Projekt als Anstoß für Diskussionen fortsetzen, SAG-AFTRA hat rechtliche Schritte nicht ausgeschlossen. Die Branche muss sich entscheiden: Wie viel Künstliche Intelligenz verträgt das Schauspiel, und wo beginnt die Ausbeutung?
Hollywood’s powerful actors union SAG-AFTRA has responded to controversial news over the weekend that talent agents are looking to sign AI-generated actress Tilly Norwood for representation https://t.co/12xdtU3OTv
— Deadline (@DEADLINE) September 30, 2025
++ News vom 26.09.2025: Als Lionsgate im vergangenen Jahr seine Zusammenarbeit mit dem K.I.-Startup Runway ankündigte, galt der Deal als Pionierschritt in die digitale Zukunft Hollywoods. Ein gesamter Studio-Katalog als Trainingsbasis für eine neue Generation von K.I.-Inhalten - ambitionierter konnte ein Vorhaben kaum klingen. Zwölf Monate später ist von der anfänglichen Euphorie wenig übrig. Statt produktiver Durchbrüche dominieren Ernüchterung und rechtliche Fragezeichen.
Die Idee war einfach, die Umsetzung komplex: Runways generative K.I. sollte den Lionsgate-Katalog - Tausende von Filmen und Serien - nutzen, um kreative Modelle für neue Produktionen zu entwickeln. Trailer, Serienepisoden, gar ganze Spielfilme sollten mithilfe der Datenbasis effizienter entstehen. Doch nach einem Jahr zeigt sich: Weder die Menge des Materials noch die rechtliche Lage bieten eine tragfähige Grundlage.
Insider berichten, dass die Datenmenge schlicht nicht reicht. „Der Lionsgate-Katalog ist zu klein, um ein Modell zu erzeugen“, heißt es von einer Person, die dem Projekt nahesteht. Selbst ein Riese wie Disney, so wird spekuliert, könnte mit seinem Katalog kein ausreichend belastbares Modell hervorbringen. Runways Technologie selbst ist funktionsfähig, aber limitiert - geeignet für kleine Anwendungen, nicht für die groß angekündigten Sprünge in Richtung ganzer Szenen oder Trailer.
Erschwerend kommen die juristischen Unsicherheiten hinzu. Rechte an Filmen sind kleinteilig verteilt - Studios, Regisseure, Gewerkschaften, Schauspieler, oft mit Beteiligungen über mehrere Ebenen hinweg. Anwalt Ray Seilie von Kinsella Holley Iser Kump Steinsapir LLP beschreibt es so: „In der Film- und Fernsehbranche hat jede Produktion eine Vielfalt an interessierten Rechteinhabern.“ Die Nutzung dieser Werke für K.I.-Trainings wirft Fragen nach Urheberrechten und Persönlichkeitsrechten auf. Ohne klare rechtliche Leitplanken bleibt Vorsicht geboten.
Diese Realität steht im Kontrast zu den Verheißungen bei der Ankündigung. Lionsgate-Vizechef Michael Burns nannte Runway damals einen „visionären Partner“. Noch im Frühjahr fabulierte er in einem Interview, man könne eine John Wick-Reihe mithilfe der Technologie in wenigen Stunden zu einem jugendfreien Anime transformieren. Die Diskrepanz zwischen dieser Vision und der Wirklichkeit könnte deutlicher kaum sein.
Trotz der Rückschläge bleibt die Partnerschaft bestehen - wenn auch mit verschobenen Zielen. Anstelle kompletter Produktionen könnten Prototypen für Effekte, Skripthilfen oder kleine Animationen entstehen. Hollywood tastet sich heran, doch die Technologie ist noch nicht so weit, wie viele hoffen. Ob K.I.in der Filmbranche zum Motor oder eher zum Bremsklotz wird, entscheidet sich in den kommenden Jahren.