Bewertung: 4 / 5
Zu Neujahr in den UK bei BBC One und hierzulande via Netflix am 4. Januar ging Dracula als TV-Film-Dreiteiler online, eine Version von Bram Stokers Dracula, die lose darauf basiert und nicht nur so noch nie Gezeigtes breiter ausrollt, sondern den Stoff aus Roman und Film im Verlauf auch noch in die Moderne hievt. Wozu auch gehört, den romantischen Touch der Filmversion wegzulassen. Die Miniserie ist keine Geschichte über einen Gott abschwörenden Witwer voller Trauer und Schmerz auf der Suche nach seiner geliebten Mina. Sie zeigt die Charaktere der Vorlage in ganz neuem Licht.
In einem Kloster erzählt Anwalt Jonathan Harker (John Heffernan) kurz vor der Jahrhundertwende des 19. Jahrhunderts seine Erlebnisse im Schloss von Graf Dracula (Claes Bang) in Transsilvanien einer Nonne (Dolly Wells), die äußerst wissbegierig mehr über den Vampir der Vampire erfahren will. Auf der Suche nach Gott hofft diese, dass die teuflische Kreatur sie entweder zu Gott führt - oder den letzten Beweis einer gottlosen Welt liefert...
Trailer zu Dracula
Kritik Dracula
Es ist schwer, eine Review zu schreiben, ohne zu viel zu verraten, doch wir halten die Spoiler gering: was die Sherlock-Macher Steven Moffat und Mark Gatiss abliefern, ist wahrlich eine spannende neue Version der altbekannten Legende und Romangeschichte. Jede Figur erfährt eine Veränderung, die sich im Laufe der drei Teile noch steigert. Während der erste Teil noch sehr auf das auch aus dem Film Bekannte zurückgreift, zum Teil wörtlich zitiert und auch visuell einige Referenzen bietet, jedoch in wichtigen Punkten schon einige Veränderungen einflechtet, bietet der zweite Teil eine ganz eigene Geschichte über einen Part der Vorlage, der in den früheren Adaptionen nur kurz abgehandelt wird: Die Reise auf der Demeter. Mehr verraten wir hierzu nicht, Buch- und Filmkenner wissen, was wir meinen.
Der dritte Teil von Dracula schließlich verändert alles und lässt Dracula die Moderne erleben mit elektrischem Licht, TV, Handys und Co., und auf die Nachfahren derer treffen, mit denen er es im ersten Teil zu tun hatte. Und einem Ende, das so niemand kommen sah, aber durchaus auch die der Romantik des Films von 1993 Hinterhertrauernden zumindest etwas zu versöhnen vermag.
Claes Bang ist dabei ein hervorragend überzeugender Graf Dracula: Charme, ein gewisser nonchalanter Witz, Verführungskunst und eine adlige und mächtige Ausstrahlung vermag er gut zu vereinen. Denn natürlich bedeutet fehlende Romantik nicht fehlende Verführung und Erotik, doch werden diese hier vollständig auf das Mittel zum Zweck reduziert und der Horror dadurch auch noch etwas horribler in Szene gesetzt. Nichtsdestotrotz ist auch dieser Dracula auf der Suche, wie es auch die nicht fehlen dürfende Van Helsing-Figur ist, doch eben anders als man es kennt.
Die auch gänzlich neue Van Helsing-Interpretation lässt Dracula noch viel mehr als sehr eigenständig erscheinen als Dracula selbst, und das ist spannend und gut. Und das bietet eine Miniserie, die problemlos neben früheren Versionen stehen und gemocht werden kann, da sie weit genug vom Vorherigen wegführt, andererseits es aber gelungen schafft, alle Nostalgiker mit auf diese Reise ins Neuland dieser Version zu nehmen.
Kurz, wir können Dracula nur empfehlen, auch wenn wir die episch-romantische Filmversion von 1993 dennoch über ihr platzieren, da wir die Interpretation des Films einfach sehr mögen - aber das ist Geschmacksache, und darauf reduziert es sich hier auch. Die Miniserie hat einfach einen berechtigt anderen Ansatz, der auch uns gefällt, aber eben nicht völlig begeistert, wie es der Film einst tat.