Bewertung: 3.5 / 5
Hochsommer 1944 in Paris. General Dietrich von Choltitz (Niels Arestrup), Kommandierender General von Paris, hat von Hitler den Auftrag, die Stadt bis zum letzten Moment zu verteidigen und wenn nötig nur eine brennende Ruine dem Feind zu hinterlassen. Überzeugt, das Richtige zu tun, lässt er Brücken und Sehenswürdigkeiten verminen und steht den Bitten des Diplomaten Raoul Nordling (André Dussollier) von Anfang an abweisend gegenüber, der ihn gemahnt, die Einwohner zu schonen sowie diese wunderbare Stadt nicht zu zerstören - und damit jahrhundertealte Baukunst für immer zu vernichten...
Notre-Dame, der Eiffelturm, Pont Neuf, die Oper Garnier, der Invalidendom...man könnte die Liste um viele weitere Wahrzeichen erweitern und würde damit doch nur einen Bruchteil der Schönheit von Paris beschreiben, die ganz zu Recht zu einer der großartigsten Hauptstädte der Welt zählt. Es ist das Flair, das diese Metropole umgibt und das einmal mehr das Herz berührt, wenn man in Diplomatie erkennt, wie nah die Stadt am Rand des Abgrunds stand.
Trailer zu Diplomatie
Hitler hatte ja viele kranke Ideen und angeblich gab es sogar das Vorhaben, verschiedene Pariser Bauwerke nach seinem Triumph 1940 in Frankreich auf deutschem Boden wiederaufzubauen. Zu skurril, um wahr zu sein? Vielleicht, aber nicht minder falsch war sein Vorhaben, die Stadt dem Erdboden gleich zu machen und unzählige Einwohner der Flammenhölle zu überantworten, sobald es nicht mehr reibungslos für die Deutschen an der Westfront lief. In dieser deutsch-französischen Koproduktion stehen zwei Männer im Fokus des Geschehens: General von Choltitz und Diplomat Nordling, die nicht anders können, als ihr Vorgehen zu rechtfertigen und Befehl oder Herz folgen. Dabei können wir nicht einschätzen, wie viel in Diplomatie wahren Gegebenheiten entspricht oder frei interpretiert wird, denn ob die intensiven Unterredungen zwischen den beiden wie gezeigt stattgefunden haben und General von Choltitz tatsächlich lange Zeit der unnahbare deutsche Befehlsführer war, wird unterschiedlich interpretiert. Ohne einen Hinweis auf Nordling führt beispielsweise Wikipedia an, dass sich General von Choltitz bewusst mehreren Befehlen Hitlers widersetze, wohingegen laut Film allein die intensive Diskussion beider Herren zur Rettung von Paris führte.
Unabhängig davon erlebt man ein spannendes und gut besetztes Drama bis in die Nebenrollen hinein. In den Hauptrollen die beiden französischen Filmgrößen Arestrup und Dussollier, die inbrünstig ihre Charaktere formen. Im französischen Original, im dem gefühlt zu 50% Französisch als auch Deutsch gesprochen wird, erhält Arestrup in manchen Szenen eine deutsche Synchronstimme, um die Szenen glaubhaft zu spielen, in denen er Befehle ins Telefon bellt oder mit Soldaten spricht. Recht elegant gelöst, aber doch ein bisschen zum Schmunzeln, wenn er sich in diesen Szenen stets etwas vor den Mund hält oder nur von hinten zu sehen ist. Darüber hinaus erleben wir auch einige bekannte deutsche Gesichter in Diplomatie, darunter Robert Stadlober, Burghart Klaußner oder Thomas Arnold, die der Koproduktion Gewicht und Natürlichkeit verleihen.
Viel spielt sich im Amtssitz des Generals im Hôtel Le Meurice an der Rue de Rivoli ab und man muss minutenlange Dialoge um ein immer wiederkehrendes Thema, ein Kammerspiel, mögen, um an Diplomatie Gefallen zu finden. Volker Schlöndorffs geschichtsträchtiges Drama mag klein-europäisch wirken und im Rummel der großen (Hollywood-)Produktionen untergehen, doch gemahnt es uns an die dramatischen Ereignisse vor Jahrzehnten und wie viel Glück wir haben, dass es Paris heute noch in seiner jahrhundertealten Schönheit geben darf. Geschichtsinteressierte Zuschauer sollten sich Diplomatie auf jeden Fall nicht entgehen lassen.