Bewertung: 4 / 5
Der neue Mitschüler Aaron macht sich in der Hockeymannschaft richtig gut. Das stinkt Sam mächtig, denn nicht zuletzt wurde er genau von jenem gerade durch ein böses Foul außer Gefecht gesetzt. Mit seinem eingegipsten Bein ohnehin nicht gerade mobil, vergräbt er sich in seiner Bude und spielt bis zum Umfallen Videospiele. Als einer seiner Kumpels sich einen Scherz erlaubt und sich in Sams Webcam hackt, entschließt er sich, diese Idee für sich zu nutzen. Er beginnt ein unmoralisches, voyeuristisches Hobby, in dem er seine Mitschüler über deren Webcams ausspioniert und heimlich beobachtet. Dabei macht er durch Zufall bei seinem Konkurrenten Aaron eine verdächtige Entdeckung und verstrickt sich, zusammen mit seinem Schwarm Livia, immer tiefer in ein gefährliches Abenteuer.
Tali Barde hat als Autor und Regisseur seinen ersten Langfilm For No Eyes Only als No-Budget Produktion selbst produziert. Bei der Wahl dieses hochbrisanten Themas ist es ihm gelungen, über 97 Minuten die Spannung aufrecht zu halten. Spürbar nah bewegt er sich an der Welt der Jugendlichen, fängt den Schulalltag authentisch ein und trifft mit Witz, adäquatem Musikeinsatz und guten Einfällen genau den richtigen Ton. Geschickt sensibilisiert er die "Generation Facebook" für diese brisante, allgegenwärtige Thematik und zeigt auf, wie gläsern man sich durch die neue Kommunikationskultur macht. Dabei bezieht der Film keine wertende Stellung und konzentriert sich ganz auf die Welt der Jugendlichen.
Trailer zu For No Eyes Only
For No Eyes Only ist eine moderne Fassung von Alfred Hitchcocks Das Fenster zum Hof und Tali Barde hat mit seinem jungen Team und minimalem Budget nicht nur einen gut inszenierten Thriller vorgelegt, der spannend und unterhaltsam ist, sondern ihm ist in seinem Debütfilm das Kunststück gelungen, dem Original treu zu bleiben, ohne es zu kopieren oder zu persiflieren, und gleichzeitig ein vielschichtiges Bild vom webbasierten Alltag heutiger Jugendlicher zu zeichnen. Gleichzeitig leistet er einen wichtigen Beitrag zur aktuellen netzpolitischen Diskussion und wirft hochbrisante Fragen auf nach der Privatsphäre in Zeiten von Facebook und Google. Das Setting ist stimmig, nicht zuletzt weil das Team in den eigenen Jugendzimmern und Elternhäusern drehen musste, die Dialoge sind glaubwürdig, die Musik mit Elektroscore und Klavierklängen ist überzeugend eingesetzt.
Der Film ist von der ersten Szene an packend: Das Hockeyspiel zu Beginn ist gut gefilmt und flott geschnitten. Auch im weiteren Verlauf gelingt es dem Regisseur mit einem guten Gefühl für Suspense und Timing, die Spannung hoch zu halten und im rechten Moment mit witzigen Einfällen und humorvollen Szenen aufzulockern. Einige lakonische Kommentare sorgen für eine selbstironische Brechung des jugendlichen Gebarens, ohne dass einzelne Personen dadurch denunziert oder abgewertet werden. Auch wenn nicht alle Darsteller durchgehend überzeugen, nicht jeder Dialog stimmig ist und nicht jede Pointe zündet, so besticht dieser Film durch seine enorme Authentizität und Originalität, seine Genrebeherrschung und seine Aktualität.
Prädikat: besonders wertvoll
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung