Bewertung: 4 / 5
Nachdem ich zwischen dem Release der ersten Staffel und der nun auch endlich vorliegenden zweiten Staffel von "Shadow and Bone" auch die Buchreihe(n) nachgeholt habe (zumindest einen großen Teil davon), bin ich dann doch etwas mehr im Bilde, was das große Ganze und den Vergleich zur literarischen Vorlage angeht.
"Shadow and Bone" ist eine Verfilmung der gleichnamigen Buchtrilogie von Leigh Bardugo, welche aber ähnlich wie bei der "The Witcher" Verfilmung, inhaltlich nicht unbedingt den Ablauf der Bücher verfolgt, sondern mehr sein "eigenes Ding" durchzieht und eher als "angelehnt" an die Buchreihe anzusehen ist. Soweit so gut, denn im Prinzip können Adaptionen so natürlich im Medium "Film/Serie" funktionieren und oft sind eben Änderungen vonnöten, welche man nicht direkt umsetzen kann.
Trailer zu Shadow and Bone - Legenden der Grisha
Die größte inhaltliche Änderung ist die Hinzunahme von Kaz Brekker und seiner Gang (bereits seit der ersten Staffel um genau zu sein). Also Inej, Jesper, Wylan und Nina, welche eigentlich erst in der "Six of Crows Duology" eingeführt werden, welche zwei Jahre nach den Ereignissen aus "Shadow and Bone" spielt. Entsprechend entnimmt die Serie auch bereits Inhalte aus dieser "Krähen-Dilogie", aber nicht den eigentlichen Hauptplot.
Im Gegenzug "verliert" die eigentliche Trilogie an Inhalten und Personen und folgt auch nicht unbedingt deren Story akribisch wie in den Büchern. Selbst das Ende der zweiten Staffel, was so ziemlich auch mit dem Ende der Trilogie gleichkommt, ist in bestimmten Punkten schon ziemlich anders gestaltet. Zusätzlich endet das Ganze noch mit mehreren offenen Strängen, welche weitere Möglichkeiten offen lassen.
Klingt jetzt alles recht schwammig, aber ohne in Spoiler-Terrain zu landen, ist dies nicht besser möglich.
Letztendlich ist die Frage... funktioniert die Serie trotz der Änderungen ? Hier kann ich bedenklos mit einem kräftigen "Ja" antworten. Seltsamerweise, denn ähnliche Widrigkeiten haben bereits die zweite Staffel von "The Witcher" Kopf und Kragen gekostet. Im Prinzip ist der entscheidende Unterschied einfach die Drehbücher, welche die eine Serie im Griff hat und die andere Serie eben nicht. Warum diese Änderungen zu den Büchern eigentlich sein mussten, kann ich zwar nicht beantworten, aber man scheint bei "Shadow and Bone" einen wesentlich besseren Überblick über das Geschehen zu haben und hat sich bei etwaigen Änderungen wohl auch Gedanken gemacht, damit das am Ende auch zu einem "pay-off" kommt.
Inhaltlich ist die Serie weiterhin, dank ihrer exzellenten Vorlage von Bardugo, den gegenwärtigen Konkurrenzprodukten wie "The Rings of Power", "House of the Dragon", aber auch einem "Willow" um einige Längen voraus. So kann die Erzählung dank ihrer cleveren und durchdachten Handlung, ihren tiefgründigen und abwechslungsreichen Figuren, sowie einem im Fantasygenre recht unverbrauchten Setting, an allen Fronten glänzen.
Auch den kompletten Cast von Jesse Mei Li als Alina Starkov, über den beeindruckenden Ben Barnes als Aleksander aka "Darkling" bis hin zu dem äußerst charmanten Patrick Gibson als Nikolai, hat man alle Rollen wirklich passend und mit sehr fähigen Leuten besetzt. Besonders hervorheben möchte ich hier noch Freddy Carter als "Kaz Brekker", den ich bisher als Darsteller nicht kannte, der aber durch seine Darstellung dieser sehr introvertierten Figur, bei mir jetzt auf der weiteren Beobachtungsliste stehen wird.
Natürlich geht das hier nicht ohne "Schimpf und Schande" für Netflix zu Ende und so hatte ich bei Sichtung der zweiten Staffel irgendwie den Eindruck, man hat hier eher Budget entfernt als wie üblich bei Folgestaffeln, hinzugefügt. Im Prinzip sieht die Serie aber recht anständig aus. Eine Optik wie bei "The Rings of Power" darf man halt nicht erwarten, mangels des Budgets. Manch VFX Elemente waren zwar schon arg grenzwertig und bei mancher Location hält man doch die Augen nach der Studiotür auf, aber vieles kann eben durch Story und Charaktere aufgefangen werden.
Rundum ist die Mission soweit geglückt. Leider endet die Serie mit mehreren offenen Handlungssträngen und wir reden hier ja über Cancelflix. Sollte es hier zu einer Weiterführung kommen, kann man sowohl bisher fehlende Inhalte noch einfügen, aber auch noch auf die "King of Scars Duology" zugreifen. Ein Spin-Off zur "Six of Crows Duology" scheint wohl zumindest schon in Planung bzw. Vorbereitung zu sein, da hier bereits ein Drehbuchentwurf vorzuliegen scheint. Am Ende werden die harten Zahlen wieder entscheiden, ob diese wunderbare und eigenständige Fantasyerzählung noch um weitere Facetten erweitert wird.
Wer sich nur im entferntesten einen Fan des Genres nennen will und der Serie bisher fernblieb, sollte hier schleunigst seine Lücken füllen.
Bewertung: 8 von 10 Punkten - Hoher Wiederschauwert
