
Bewertung: 3.5 / 5
So schön eine eigenständige Geschichte von Snyder auch ist, so sehr merkt man Sucker Punch aber auch an, dass der Film nicht ganz zu Ende gedacht ist. Schon immer war Snyder ein Visionär, der seinen eigenen Stil verfolgte und Filmszenen ins rechte Bild rückte. Doch 300 oder Watchmen hatten den Vorteil, dass sie Snyder das nötige Fundament lieferten, den berauschenden Stil auch mit inhaltlicher Substanz zu füllen. Dies fehlt Sucker Punch, obwohl die Story sehr viel mehr hergeben würde, was Snyder nicht auszunutzen weiß. So ist den ganzen Film über hinweg kein Entwicklungsprozess erkennbar, Ereignisse geschehen, aber für den Zuschauer oft in nicht nachzuvollziehender Weise. Vieles wird zu schnell abgehandelt, wie die Einweisung von Baby Doll, und ehe es sich der Zuschauer versieht, befindet man sich auch schon in der ersten Traumebene - einem Bordell, in dem Dr. Gorski nichts weiter als eine Puffmutter ist, während die wahre Schreckensherrschaft von Mr. Jones ausgeht. Kein Wunder, dass die Mädchen fliehen wollen - und Baby Doll dann noch eine Ebene weiterträumt. Der Bruch im Film von der Klinik zum Freudenhaus ist nicht nachvollziehbar, ebenso wenig, wieso sich Baby Doll gerade in die diese recht abgedrehten Traumwelten flüchtet, die im Film vorkommen. Sie stehen in keinem Zusammenhang zu ihr als Figur. Hätte Snyder auch die Passagen zwischen den Traumwelten dazu genutzt, die Story zu vertiefen, die Figuren und Motivationen besser auszuarbeiten, vor allem aber auch versucht, dort zentrale Themen zu vermitteln, Sucker Punch wäre ein deutlich runderer Film geworden.
Überraschend ist auch, dass Sucker Punch mit einer Botschaft anfängt und auch mit einer endet, dazwischen jedoch viel ungenutzter Raum liegt, in der die Handlung teils sprunghaft und ohne wirkliche Erklärungen für den Zuschauer dahinrumpelt. Soviel mehr wäre möglich gewesen, hätte Snyder die vielen vorhandenen Ansätze auch wirklich ausgearbeitet, aber das erwähnten wir bereits. Hier dürfte die Veröffentlichungspolitik von Warner Bros. eine große Rolle gespielt haben, denn in der vorliegenden Form ist Sucker Punch sicher nicht das, was Snyder ins Kino bringen wollte. Der Druck des Geldgebers, Szenen zu schneiden - die einem 13-jährigen weder in den USA noch im Rest der Welt zuzumuten sind! - haben Sucker Punch streckenweise kaputt gemacht, geradezu kastriert. Dies ist kein Film für Kinder, doch die Verantwortlichen haben leider nicht erkannt, was für ein Elend hinter den hübsch abgedrehten Traumwelten der Protagonisten lauert. Selbst in der aktuellen Kinofassung deutet Snyder die Vergewaltigung einer Minderjährigen und den massiven sexuellen Missbrauch von Frauen an, wenn auch in abgeschwächter Form. Da Snyder vieles nicht zeigen darf, verlieren viele Szenen an Bedeutung und emotionalem Gewicht. Hier zählte einmal mehr nicht der Anspruch, sondern das finanzielle Kalkül. Dass dies nach hinten losging, zeigten die Kinoeinnahmen in den USA. Wie viel Snyder jedoch wirklich schneiden musste, ist unklar. Von 18 Minuten ist die Rede, wobei hier auch Actionszenen geschnitten worden sein sollen. Davon braucht Sucker Punch jedoch nicht noch mehr - die enthaltenden Sequenzen sind in der Länge und im Ablauf völlig ausreichend, fast schon ein wenig zuviel, doch an der Substanz hapert es.
Trailer zu Sucker Punch
Leider ist Sucker Punch in der Kinofassung nicht der große Wurf geworden, aber es ist ein mutiger Film und allein das rechtfertigt schon den Kinobesuch. Schön zu sehen, dass sich auch in Zeiten der Remakes und Fortsetzungen mit Warner ein Filmstudio fand, dass solch eine Idee finanziell unterschützt. Dies wurde nur durch eine verfehlte Veröffentlichungspolitik teilweise kaputtgemacht. Dennoch wäre es falsch, von einem Totalausfall wie vielerorts zu sprechen, das hat der Film nicht verdient. Die wirkliche Zielgruppe für Sucker Punch ist klein, doch dies ist nicht dem Film anzulasten. Will man den Fantasyfilm genießen, muss man sich mit einigen Schwächen abfinden, viel wichtiger aber ist, sich auf den Film einzulassen. Nur wer die Story und die fiktiven Welten akzeptiert, wird auch den Film mögen - und insofern dürfte jeder, der den Ratschlag des Films "Befreie deinen Geist!" befolgt, einen schönen Abend verleben. 3,5 von 5 Hüten geben wir Snyders mutigem Film - und sollte es eines Tages einen Director's Cut geben, der die richtigen Akzente setzt, ist nach oben noch einiges an Luft.
