Bewertung: 4 / 5
Freunde südkoreanischer Filmmomente werden mit dem Namen Sang-ho Yeon etwas anfangen können, dessen Train to Busan nach Animationsfilmen wie The King of Pigs und Seoul Station nun seinen ersten Realfilm darstellt. Dabei geht der Enddreißiger äußert geschickt vor und verwebt das Ende des Letztgenannten, dem etwas später erschienenen Prequel, auf clevere Art und Weise mit dem Festivalfilm aus Cannes. Wir haben Train to Busan in Frankreich geschaut, wo er gerade im regulären Programm läuft, bei uns in Deutschland zurzeit aber nur auf dem Fantasy Filmfest. Hoffen wir mal, dass auch ein regulärer Kinolauf absehbar ist.
Seok-Woo (Yoo Gong) steht als Vermögensverwalter unter hohem Erfolgsdruck und hat eigentlich keine Zeit, seiner Vaterrolle gerecht zu werden. Hätte er seiner kleinen Tochter Soo-An (Soo-an Kim) bloß nicht versprochen, ihre Mutter zu besuchen! Diese wohnt in der Küstenstadt Busan und endlich "opfert" sich Seok-Woo schweren Herzens, um Soo-An diesen einen Wunsch zum Geburtstag zu erfüllen. Beide besteigen einen Hochgeschwindigkeitszug, der die Kleine glücklich machen und ihren Vater gegen Mittag wieder zurück ins Büro in Seoul bringen soll. Doch weder Vater und Tochter noch die anderen Fahrgäste ahnen, was sich an Bord entspinnt, als eine erkennbar kranke Frau mit letzter Kraft den abfahrenden Zug erreicht...
Trailer zu Train to Busan
Train to Busan Filmkritik
Schon als wir den ersten Trailer zu Train to Busan sahen, wussten wir, da müssen wir rein. Und wir wurden nicht enttäuscht. Sicherlich ist das südkoreanische Kino, vor allem im Originalton, etwas gewöhnungsbedürftig, aber wenn eine Geschichte auf engstem Raum über weite Strecke so spannend und beklemmend erzählt wird, dann vergisst man seine westliche Prägung recht schnell. Was sich fast ruhig entspinnt, entwickelt sich innerhalb kürzester Zeit zu einem spannungsgeladenen und vor allem schnellen Schrecken, der eins deutlich macht: Wer langsam ist, hat keine Chance, und auch nicht, wer an Bord nicht über genug Mut verfügt.
Regisseur und Drehbuchautor Sang-ho Yeon macht in seinem ersten Realfilm sehr viel richtig, indem natürlich vordergründig viele beeindruckende und äußerst dynamische Szenen vorhanden sind, die jeden Zombiefan frohlocken werden lassen. Zombies unserer Tage treten halt nicht nur in Massen auf, sondern sind auch äußerst agil - zwar bei Sang-ho nicht gänzlich übermenschlich, jedoch weiterhin arg bedrohlich für die Menschheit. Die angewandten Tricks halten dabei der Erwartungshaltung stand und wenn bei einer Massenszene am Ende doch mal eine Zombieschablone über die Gleise gleitet, nimmt das kurze Schmunzeln dem Film aber auch nichts von seiner Dramatik.
Lässt man jedoch die abseitigen Momente auf sich wirken, wenn die Fahrgäste im Augenblick der Todesgefahr ihre wahre Natur zeigen, entfaltet sich das ganze Potential des Films. Diese teils ruhigen Szenen sind wie so oft ein Spiegel der menschlichen Gesellschaft und Train to Busan legt dies schonungslos offen. Wenn der Vater seiner Tochter gebietet, sich nur um sich selbst zu kümmern, erkennt man zwar die Verzweiflung als Grund seiner hartherzigen Worte, doch das Weinen des Mädchens in diesem Moment spiegelt mehr Menschlichkeit wieder als ein Bruchteil der Fahrgäste zusammen hat. Die Verrohung unserer Gesellschaft, Egozentrik, Stress, Unterwürfigkeit, Obrigkeitshörigkeit und selbst politische Zustände finden sich metaphorisch in Train to Busan wieder und schlussendlich ist dieser bei aller Unterhaltung einer dieser Filme, bei denen man sich ertappt, über das eigene Tun nachzudenken.
Stark werden die Einzelschicksale in den Vordergrund gestellt und selbst wenn wir nicht viel über alle Protagonisten erfahren, entwickelt sich zu vielen eine überaus emotionale Bindung. Im Angesicht der Katastrophe wird nämlich nicht wie sonst oft üblich bloß auf Schauwerte und Action gesetzt, sondern die Psychologie erhält auf weiter Strecke den Vortritt. Musikalisch passend, aber nie aufdringlich und mit einigen wahrhaft ergreifenden stilistischen Mitteln leidet man wahrlich mit den Menschen mit. Überhaupt machen sowohl Haupt- als auch Nebendarsteller einen überzeugenden Job und niemand, der je in einer Extremsituation Angst um sein Leben haben musste, sollte vorschnell über das Verhalten der Figuren urteilen. Und doch ist es nur natürlich, ganz egoistische Zeitgenossen zu hassen und damit ist neben den Zombies auch für weitere Antagonisten auf der Leinwand und ganz menschliche Bedürfnisse im Kinosessel genug Platz.
Train to Busan Bewertung
Geschickt spielt Train to Busan mit dem modernen Horrorgenre und verliert dabei bei aller Action nicht das Leid seiner Protagonisten aus den Augen. Was Serien wie The Walking Dead teils aufgrund der verfügbaren Zeit gelingt, nämlich Geschichten zu erzählen und Zuschauer an die Figuren emotional zu binden, gelingt auch Sang-ho Yeon in 118 Minuten bravourös. Wer ein Faible für das südkoreanische Kino und Momente hat, die aufwühlen und unter der Oberfläche eine deutliche Gesellschaftskritik widerspiegeln, sollte sich Train to Busan unbedingt ansehen, am besten im Originalton. Und als Zombiefan unbedingt.