Bewertung: 4 / 5
Das Kinodebüt Queen & Slim der zweifachen Grammy-Gewinnerin Melina Matsoukas besticht durch zwei herausragende Hauptdarsteller. Daniel Kaluuya (Get Out) und Jodie Turner-Smith (Nightflyers) werden in einen Albtraum geschleudert, brüllend aktuell, und nehmen den Zuschauer mit auf einen packenden Road Trip zwischen ihrem alten Leben und dem Nirgendwo.
Queen & Slim Kritik
Auf dem Rückweg nach einem Date wird ein junges schwarzes Paar von einem weißen Polizisten angehalten. Eine Nichtigkeit führt zu einem Wortwechsel, Missverständnisse heizen die Situation an und plötzlich erschießt Slim (Daniel Kaluuya) den Polizisten in Notwehr. Geschockt fliehen beide, wozu ihn seine Begleiterin, die junge Anwältin Queen (Turner-Smith), anhält. Eine Dashcam nahm die Szenerie auf: Ein Beleg für die Staatsgewalt, die "eindeutigen Polizistenmörder" jagen zu müssen, aber gleichzeitig ein heldenhaftes Symbol der Gegenwehr für viele schwarze Mitmenschen. So beginnt eine verzweifelte und gefährliche Odyssee, auf der die beiden lernen müssen, sich aufeinander einzulassen und den richtigen Menschen zu vertrauen...
Trailer zu Queen & Slim
Polizeigewalt in den USA. Rassenungleichheit. Deine Hautfarbe als Menetekel. Dieses immer wiederkehrende Thema für unzählige Afroamerikaner in den USA bietet regelmäßig Stoff für News, soziale Medien und Filme. Man erinnere sich an den 22-jährigen Oscar Grant, der 2009 erschossen wurde und in den USA landesweit Proteste provozierte. Trayvon Martin, der 2012 starb und dessen Tod die Bewegung "Black Lives matter" initiierte. Michael Brown, der 2014 in Ferguson erschossen wurde. Oder allein die sklavische Symbolik, als im August dieses Jahres ein schwarzer Verdächtiger in Texas von berittenen Polizisten an einem Strick abgeführt wurde.
Basierend auf einer Story von Lena Waithe und Bestseller-Autor James Frey verfasste Waithe ein Drehbuch in Thelma & Louise-Tradition und natürlich Bonnie und Clyde, das von Melina Matsoukas (Master of None) kraftvoll, romantisch und schonungslos verfilmt wurde. In seinen leichten Momenten erinnert das Feeling an die schönen Szenen aus Green Book, in seinen schlimmsten an die elendige Tatsache, dass dieser Film ebenso wie Detroit oder The Hate U Give überhaupt existieren muss und auf echten Missständen beruht, verfilmt in wenigen aufeinander folgenden Jahren.
Dabei müssen, neben dem ganzen großartigen Cast, speziell Daniel Kaluuya und Jodie Turner-Smith hervorgehoben werden. Ein Tinder-Date entwickelt sich anders als erwartet und macht aus zwei Fremden und bisher unauffälligen Bürgern eine Staatsaffäre. Ein weißer Polizist stirbt, das Paar ist auf der Flucht und wird in den sozialen Medien als Symbol und Heilsbringer hochstilisiert. Dabei legt der Film den Fokus vor allem auf Queen und Slim, die parallelen Entwicklungen in den USA werden nur am Rande immer wieder auf ein aktuelles Level gehoben. Das Video, das von der Kontrolle kursiert, der kleine Junge, der von Demos erzählt, die Nachrichten, die minütlich über die Flucht berichten.
So wie aus beiden plötzlich Killer gemacht werden, ist auch die Symbolik, die den Flüchtenden von vielen Schwarzen zugestanden wird, nicht zuletzt ihnen selbst suspekt. Und so wirkt speziell die Szene zwischen dem Jungen und dem schwarzen Polizisten unwirklich, wie von äußeren Umständen entkoppelt, wenn eine Geschichte über sich selbst hinauswächst, eine Eigendynamik entwickelt und Menschen beginnen, unkontrolliert Dinge zu tun. Vielleicht um mitzumachen, vielleicht um Frust zu entsagen, vielleicht um etwas zu ändern, aber nicht immer skeptisch und überlegt.
Mitunter vermittelt der Film den Eindruck, als laufe es aufgrund der breiten Unterstützung in der schwarzen Bevölkerung fast zu easy, doch Queen & Slim verspricht keinen Goldpott am Ende des Regenbogens, auch keine Absolution. Die Frage steht im Raum, inwieweit das Geschehene selbst provoziert war, ein Gedanke, dem sich Slim eher stellt als viele schwarze Supporter, die in beiden nur "Black Power" sehen. Er, der schmatzende Normalo, sie die erfolgreiche junge Anwältin mit emotionalem Ballast. Queen & Slims Stärke liegt dabei im Wechselspiel zwischen Fluchtreflex und stillen Momenten, z.B. stark inszeniert in der Bar beim Tanz. Wer ist Freund, wer womöglich Feind? Wo schlafen? Und, wohin überhaupt?
Doch die Route ist klar und das zeigt auch Queen & Slim auf dramatische Weise. Nicht selten führen Überreaktionen und ein gehöriges Maß an Unverhältnismäßigkeit amerikanischer Polizisten zu diesen Geschichten, die wir regelmäßig in den Nachrichten verfolgen können. Vielleicht geschieht nicht jeder Fall aus rassistischen Beweggründen, aber das Muster erschrickt und die Angst, der sich viele Schwarze konfrontiert sehen, ist spürbar. Die ganzen 132 Minuten lang.