Bewertung: 4.5 / 5
Marcela (Magaly Solier) und ihr Mann Nelson (Pietro Sibille) leben in einer tristen Wohnsiedlung am Rande Madrids und kommen gerade so über die Runden. Im Kühlschrank teilen sich Butter und Milch den Platz mit Rosen, die Nelson im Abfall des Großhandels stiehlt und auf der Straße verhökert. Doch der Kühlschrank gibt den Geist auf, und Marcela muss einen schlecht bezahlten Job als Pflegerin eines alten, schwerkranken Mannes annehmen, damit die beiden bolivianischen Einwanderer über die Runden kommen. Doch Amador (Celso Bugallo) macht ihr nach wenigen Tagen einen Strich durch die Rechnung: Sensibel und intim erzählt Amador und Marcelas Rosen von einem Toten, der nicht gestorben sein darf, um ein neues Leben zu ermöglichen.
Das Leben sei wie ein Puzzle, hatte Amador seiner neuen Pflegerin noch erklärt. "Bei der Geburt bekommt man alle Teile und muss sie dann selbst zusammenfügen." Für Marcela ist das eine Sisyphusaufgabe. Eigentlich wollte sie schon längst ihren Mann verlassen haben - mit dem sie es zwar aushält, den sie aber nicht liebt. Der Koffer war gepackt, der Abschiedsbrief geschrieben. Aber Marcela ist schwanger, also kehrte sie um. Dann passierte die Sache mit dem Kühlschrank.
Nun kümmert sie sich um diesen alten Mann. Für 500 Euro im Monat. Das ist nicht viel Geld, aber Marcela kann es gut gebrauchen. Aber der alte Mann stirbt schon nach wenigen Tagen: Marcela verschweigt seiner Familie den Tod: aus Angst, nicht bezahlt zu werden. Sie geht weiterhin jeden Tag in Amadors Wohnung, richtet seine Medikamente her, lüftet das Totenzimmer, wäscht und bügelt.
Das Leben ist hart im Spanien der Krisenzeit. Aber Regisseur und Drehbuchautor Fernando León de Aranoa stellt nicht die sozialkritische Zustandsbeschreibung in den Vordergrund seines wunderbaren, ruhigen Films. Er kommentiert die Wirklichkeit eher, als dass er sie anprangert und kümmert sich um die Menschen, die damit zurechtkommen müssen - wie er es auch in Montags in der Sonne - los lunes al sol (2002) und Princesas (2005) tat - und ist mit seinem humanistischen Sozialrealismus dem Briten Ken Loach nicht unähnlich.
Was tun, wenn moralische Zweifel auf knallharte Existenzängste treffen? Marcela taumelt durch ihr Leben mit dem Toten, sie leidet und sucht nach dem richtigen Weg. Den können der tiefgläubigen Katholikin aber weder das Beten zu Gott noch die Gespräche mit der in die Jahre gekommen Prostituierten Puri (Fanny De Castro), die Amador bis zuletzt beglückte, weisen. Aber Marcela muss ihr Puzzle nicht allein fertigstellen: Der tote Amador hilft ihr nach Kräften. Er bestimmt Marcelas Denken und Handeln, ihr Glauben und Fürchten, ihr Suchen und Finden.
Liebe, Leben und der Tod - das ist alles was zählt auf der Welt. Die Probleme von Amadors Familie sind es schließlich, die Marcela die persönliche Freiheit schenken. Sie ist eben doch nicht allein auf der Welt - das ist die ebenso erschütternde, wie hoffnungsfrohe Botschaft dieses magischen und wundersamen Märchens von unvergesslicher Schwermut.
Amador und Marcelas Rosen bekommt 4,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Andreas Fischer)