Bewertung: 3.5 / 5
Einst waren Sido und Bushido Label-Kollegen, dann wurden sie Erzfeinde. Nun haben sie sich wieder lieb und nehmen sogar gemeinsam Platten auf. Ob das auch so bleibt, könnten demnächst die Umsätze an den Kinokassen entscheiden: Während Bushidos unfreiwillig komisches Biopic Zeiten ändern Dich mäßig erfolgreich war - knapp 500.000 Kinobesucher wollten den Werdegang des Bambi-Preisträgers verfolgen - hat Sidos gelungene Komödie Blutzbrüdaz gute Chancen, auch abseits der HipHop-Gemeinde Fans zu finden: Sympathische Figuren, eine nachvollziehbare Story, witzige Verbalakrobatik und nicht immer ganz ernstgemeinte Betrachtungen des Haifischbeckens Musikindustrie ergeben eine Mischung, die bestens unterhält.
Während Bushido wie im echten Leben auch in Zeiten ändern Dich sein Ghetto-Image zelebriert, überrascht Sido in seinem Leinwanddebüt mit einer ordentlichen Portion Humor und Selbstironie: Seine Filmfigur Otis, Tagedieb und Träumer, will unbedingt als Rapper Karriere machen - natürlich nicht ohne seinen besten Freund Eddy (B-Tight, auch im wahren Leben ein guter Kumpel von Sido). Sie versuchen sich wie einst Eminem in 8 Mile in Rap-Battles auf der Bühne, kassieren jedoch regelmäßig verbale Niederlagen.
Das Milieu, in dem die beiden unterwegs sind, wirkt authentisch und vermittelt eine lebendige Idee davon, was sich um die Jahrtausendwende im Berliner HipHop-Untergrund entwickelte: Eine neue Richtung des Deutschrap, der die bisherigen Genregrößen wie Die Fantastischen Vier, Freundeskreis oder Absolute Beginner an den Rand drängte und den Weg für das - häufig zu Recht - umstrittene Label Aggro Berlin ebnete.
Die Plattenfirma machte auch Sido bekannt. Allerdings geht es in Blutzbrüdaz trotz gewisser biografischer Parallelen zwischen Sido und Otis nicht um die Karriere des "Mein Block"-Rappers. Es geht um die Musik, um das, was HipHop ausmacht: Credibility, Glaubwürdigkeit - denn nur, wer für sich, für seine Musik und seine Werte einsteht, ist auch ein ernstzunehmender Künstler. Genau das ist der Punkt, der Eddy und Otis schließlich auseinanderbringt.
Nachdem sie sich mithilfe von Szenegröße Fusco (unglaublich präsent: Milton Welsh) und einem Mixtape einen Namen im Untergrund machten, winkt der dicke Deal mit Sony. Plattenboss Facher, von Tim Wilde so plakativ als Ekel dargestellt, dass es schon fast an eine Parodie grenzt, will die Freunde ganz groß rausbringen. Allerdings modelt er die Blutzbrüdaz, wie sich das Duo inzwischen nennt, in eine Art hampelnde Rap-Boygroup um und rückt Eddy als Mädchenschwarm in den Mittelpunkt. Für Otis ist das alles nicht mehr "real". Er schmeißt hin und versucht, als Solokünstler Fuß zu fassen.
Der Mainstream als Killer der wahren Ideale des HipHop - wäre dieses Element das Leitmotiv von Blutzbrüdaz geworden, wäre der Film vermutlich sehr schnell in einer mit Pathos gepflasterten Sackgasse gelandet. Die Komödie schrammt glücklicherweise nur knapp daran vorbei, in der zweiten Hälfte ein platter Abgesang auf die Tücken und Zwänge des Musikbusiness zu werden: Pointierte Situationskomik und die augenzwinkernde Inszenierung von Aktionen wie dem ersten Videodreh oder den Aufnahmen zum Debütalbum reißen das Ruder regelmäßig herum.
Neben dem guten Gespür für den richtigen Moment hatte Regisseur Özgür Yildirim (Chiko) offenbar auch eine genaue Vorstellung davon, wie er seine Laiendarsteller anleiten muss: Sido und B-Tight wirken unverkrampft und authentisch. Sicherlich spielen sie quasi sich selbst - aber auch das verlangt eine gewisse Unbefangenheit, da die Figuren ansonsten sehr schnell aufgesetzt anmuten können. Was Bushido bei seinem Ausflug in die Schauspielerei eindrucksvoll bewies.
Blutzbrüdaz bekommt 3,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Christina Freko)
