Bewertung: 3.5 / 5
Mit der Entscheidung, die Handlung allein auf der Erde spielen zu lassen und den Mars nur in einer Randnotiz zu erwähnen, haben die Macher eine kluge Entscheidung getroffen. Damit begeben sie sich näher an Dicks Vorlage und lassen die heutigen computergrafischen Möglichkeiten, wenn man so will, den Star des Films sein. Verhoevens Film lebte vom Marssetting und hatte eine besondere Atmosphäre durch die Mutanten, das hat Wiseman nicht nötig und das hebt den Film auch wohltuend vom Original ab. Total Recall nimmt sich Zeit zu Beginn, um gerade Douglas Quaid und seine Zerrissenheit vorzustellen, startet dann aber rasant. Das Tempo wird bis auf ein, zwei Momente, in denen die Handlung zu Quaids Ungunsten zu kippen droht, hoch gehalten. Viele Szenen sind bekannt, aber es entsteht nie das Gefühl, dass 1:1 kopiert wurde und wenn Total Recall eins zugutegehalten werden kann, sind es manche Ideen. Alles ist etwas cooler, angefangen bei den "Robocops" (die wahren Storm Trooper!) bis hin zum Aufspürmechanismus bei Quaid und der technischen Raffinesse, sein Aussehen zu ändern. Zudem gefällt die bereits zu Beginn getätigte Feststellung des Rekall-Mitarbeiters, warum eine "Doppelimplantation" im Gehirn zu solchen Schäden führen würde. Jedoch fragt man sich schon, wie realistisch es ist, bei Rekall reinzuspazieren und sofort ohne Anmeldung behandelt zu werden, wenn doch die Terminfindung beim Zahnarzt heutzutage schon ein Abenteuer sein kann...
Man könnte den Eindruck gewinnen, das neue Total Recall wäre der bessere Film, doch mitnichten. Beide sind eigenständig durch ihre jeweilige Inszenierung und wo Verhoeven alles etwas comicesquer, aber mit höherem Bodycount und blutiger inszenierte, punktet Wiseman mit dem Setting und dem Darstellerteam um Cranston/Farrell/Beckinsale. Colin Farrell (Brügge sehen... und sterben?) spielt die Rolle des Quaid/Hauser überzeugend und was Bryan Cranston (Breaking Bad) angeht, müssen wir sicherlich keinen Leser von seinen Fähigkeiten bequatschen. Kate Beckinsale, Wisemans Ehefrau und Haus- und Hofdarstellerin, ersetzt Sharon Stone überzeugend und bekommt als Lori noch mehr Kontur, die hier auch den Part von Michael Ironside übernimmt. Sie macht beiden mit ihrer hartnäckigen Attitüde alle Ehre, soweit das gerade bei Ironside möglich ist. Auf der anderen Seite bleibt Bill Nighy (Tatsächlich... Liebe) als Rebell Matthias mit seinem Kurzauftritt relativ blass, was erneut schade ist für den geheimen Anführer einer weltumspannenden Revolte. Leider sind wir auch hier enttäuscht worden, was die darstellerischen Fähigkeiten von Jessica Biel angeht, deren Mimik durchweg hölzern bleibt und die bis auf ein sportliches Äußeres die große Fehlbesetzung im Film ist.
Trailer zu Total Recall
Was Total Recall gerade zum Ende hin etwas schadet, sind manche Szenen, in denen der durchaus realistische Touch dieser Zukunftsvision leidet. Wenn ein Hochgeschwindigkeitszug in weniger als 20 Minuten von einem Ende der Welt zum anderen durch den Erdkern rast, wird jeder, aber auch jeder, der sich auf der Front ein Stelldichein gibt, zu Boden gedrückt oder Schlimmeres. Zudem wirken sowohl Quaid und Lori als auch Beckinsale regelrecht übermenschlich, was bestimmte Fähigkeiten angeht. Kann man wieder als Überzeichnung durchgehen lassen, stört aber dann doch ein wenig den bis dahin stimmigen realen Anspruch. Positiv ist die actionreiche Inszenierung, doch wenn Gegner mitunter schießen wie die Anfänger oder warten, bis der Protagonist die Waffe aufgenommen hat, dann kann das nur als üblicher Hollywood-Quatsch durchgehen. Zudem hätte ein wahrhaft markanter Soundtrack dem Film gut getan, doch leider ist uns nichts von Harry Gregson-Williams in Erinnerung geblieben.
Die Diskussion, wer nun den besseren Film abgeliefert hat, wird berechtigterweise nach dem Kinostart geführt werden, doch tatsächlich ist Wisemans Total Recall ein unterhaltsamer Sci-Fi-Actioner mit einer guten Besetzung. Es ist ihm eine zum Großteil stimmige Neuauflage gelungen, die auf ihre eigene Art Spaß macht und Gesellschaftskritik übt. Beim nächsten Remake erleben wir dann vielleicht die anspruchsvolle Version fürs gehobene Publikum. Wir vergeben 3,5 von 5 Hüten.