Abgehalfterte Cops oder Ermittler kennt man schon zur Genüge, aber eine abgehalfterte Superheldin turned Privatdetektivin ist neu. Alpträume, massig Whiskey, ein ungewöhnlicher Ermittlungs- und Lebensstil - schnell wird schon im Pilot "Ladies' Night" von Marvels Jessica Jones Staffel 1 klar, diese Superheldin (Krysten Ritter) hat so einiges durchgemacht und sich noch lange nicht davon erholt. Was sie vielleicht auch nicht kann, wenn sie sich ihrer Vergangenheit nicht stellt. Gelegenheit bekommt sie dazu mit ihrem neuen Fall, der Entführung eines Mädchens, dem dasselbe droht, was ihr einst widerfuhr.
"Marvels Jessica Jones" Season 1 Trailer 2 (dt.)
Ganz ohne Spoiler geht es nicht, aber wir halten sie möglichst gering. Erfreulich ist die langsame Entwicklung im Pilot von Jessica Jones, man lernt Privatdetektivin Jessica "Jess" Jones gut kennen, wie auch ihr mageres soziales Umfeld, das sie vor allem zu Beginn selten und eher aus beruflichen Gründen zu Gesicht bekommt. Mit einer Ausnahme, ihrem Love Interest Luke Cage (Mike Colter). Auch ihn bekommt man also schon im Pilot zu sehen, er arbeitet in einer Bar, die ihm offensichtlich wichtig ist, wie Jessica feststellt, die ihm aus Gründen, die im Verlauf der Folgen noch klarer werden, nachspioniert. Mit Marvels Luke Cage bekommt er bekanntlich noch seine eigene Soloserie, die derzeit gedreht wird. Im Verlauf entwickelt sich eine spannende, ziemlich komplizierte Beziehung zwischen den beiden.
Auch Matrix-Star Carrie-Anne Moss taucht schon im Pilot von Jessica Jones auf als eine von Jessicas Auftraggeberinnen, sie ist eine knallharte abgebrühte Anwältin und Partnerin einer Kanzlei, die nur auf den Erfolg aus ist. Doch sie ist es nicht, die Jessica Jones den Fall beschert, der sie zu Oberschurke Kilgrave (David Tennant) führt, sondern ein besorgtes Ehepaar, das Tochter Hope vermisst. Dieser Fall dient fast bis zum Ende der Staffel als Rahmenhandlung.
Jessica muss sich bereits im Pilot entscheiden: Konfrontiert sie sich mit ihrem Alptraum oder läuft sie so weit davor weg wie es nur geht? Wie man sich denken kann angesichts von Kilgraves bedeutender Rolle in Staffel 1 und wie man es von einer Superheldin erwartet, entscheidet sie sich letztlich dafür, etwas zu tun statt wegzulaufen, auch dank ihrer Vertrauten Trish (Rachael Taylor), die ihr ins Gewissen redet. Doch dass ihr Kampf gegen Kilgrave aka Purple Man kein leichter wird, macht schon der Ausgang des Pilots schockierend deutlich, auch im Verlauf muss sie neben kleinen Siegen auch immer wieder Niederlagen einstecken.
In Jessica Jones Staffel 1 lernt man nach und nach noch mehr Figuren kennen, unter anderem schräge Nachbarn, die uns an The Punisher denken ließen, einen Cop, der Trishs Love Interest wird und später noch für eine spannende Wendung sorgt, man erfährt immer mehr Hintergrund durch Flashbacks zu nicht nur Jessica Jones und Kilgrave, auch zu anderen. Kilgrave bekommt eine aufgrund seiner Story zwar verrückte, aber dennoch nachvollziehbare Motivation für sein Handeln, die ihn deswegen nicht weniger furchterregend wirken lässt. Verweise auf Marvel-Filme gibt es auch hier und da, wenn zum Beispiel "der grüne Riese und sein Mädchen" erwähnt werden. Ob Matt Murdock aka Daredevil (Charlie Cox) auftaucht, verraten wir euch nicht, aber seid euch sicher, es wird gegen Ende ein Bezug zu Marvels Daredevil überdeutlich hergestellt.
Fazit: Eine eindringliche, düstere und immer wieder auch tragische erste Staffel zu Marvels Jessica Jones, schnell schließt man diese mal ganz andere Art von Superheldin ins Herz und fiebert mit, ob sie den Kampf gegen diesen wahrlich fiesen Schurken Kilgrave bestehen kann. Die Mischung aus Action und Drama ist gut, und auch die Fights fanden wir gelungen. Das Kernteam spielt hervorragend, auch die Nebendarsteller machen ihre Sache gut. Abstriche gibt es höchstens Mal bei selten auftretenden Figuren. Und Kilgrave ist ein Schurke, gegen dessen Kraft und Psychocharakter Jessica wie auch Luke und erst recht Normalsterbliche herzlich wenig ausrichten zu können scheinen. Der ihnen immer einen Schritt voraus zu sein scheint. Wie es ausgeht, verraten wir natürlich nicht. Klare Empfehlung!