John Wayne, der 1969 in Der Marshall Rauhbein Rooster Cogburn spielte, erhielt ein Jahr später von einer sichtlich nervösen Barbra Streisand den Oscar als Bester Hauptdarsteller. Wird es Jeff Bridges, der erst letztes Jahr den Oscar als Bester Hauptdarsteller für Crazy Heart gewann, gelingen, mit dem Duke gleichzuziehen und dann auch gleich zwei Mal in Folge eine Trophäe zu gewinnen? Oder wird der alles überragende Colin Firth den lang verdienten Preis mit nach Hause nehmen? Wir werden es am 27. Februar erfahren, doch bis dahin sind es noch gut anderthalb Wochen. Genug Zeit, sich alle Oscar-Kandidaten - und dazu zählt True Grit als nominierter Bester Film ebenfalls - anzuschauen.
Der Vater der 14-jährigen Mattie Ross (Hailee Steinfeld) wird wegen einer Nicklichkeit in Fort Smith, Arkansas erschossen und das junge Mädchen will nur eins: Rache nehmen an Tom Chaney (Josh Brolin), dem feigen Mörder. Dieser flieht aus der Gegend ins angrenzende Indianerterritorium, wo der örtliche Sheriff keine Handhabe mehr hat, so wie es der "Indian Intercourse Act" gesetzlich vorschreibt. Doch Mattie will nicht kampflos aufgeben und erfolglos zu ihrer gramgebeugten Mutter und den beiden Geschwistern zurückkehren, sie will Gerechtigkeit. Also macht sie sich auf die Suche nach einem Mitstreiter, der genug Schneid hat ("true grit") ihr zu helfen. Zuerst einmal beeindruckt ihr Verhandlungsgeschick den örtlichen Pferdehändler und Mattie kommt zu Geld. Damit hat sie die Möglichkeit, jemanden zu engagieren und ihre Wahl fällt auf Rooster Cogburn (Jeff Bridges), der zwar ein erfahrenes Rauhbein sein soll, aber auch säuft wie ein Loch, und der es als Marshall im Hinterzimmer eines Chinesen nicht gerade weit gebracht hat. Doch nicht nur Mattie ist auf der Suche nach Tom Chaney, auch Texas Ranger LaBoeuf (Matt Damon) ist ihm auf den Fersen, der den Flüchtigen wegen einer ganz anderen Geschichte verfolgt. LaBoeuf ist aber so gar nicht nach Matties Geschmack, viel zu affektiert und mit allem Schnickschnack nach der neuesten Westernmode gekleidet. Da ist Cogburn schon eher ihr Fall, der sich anfangs zwar ziert, den Auftrag anzunehmen, aber sich dann doch breitschlagen lässt. 100 Dollar sind eben 100 Dollar. Nach einigen Startschwierigkeiten brechen die Drei dann ins Indianerterritorium auf, jeder mit dem Ziel, Chaney für das jeweilige Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen...
Mit True Grit haben die Coens eindrucksvoll eine längst vergangene Zeit wiederauferstehen lassen. Nicht nur, dass Fort Smith tatsächlich wie die Grenze zwischen der Zivilisation und dem Niemandsland wirkt, in das sich nur Verbrecher und Vogelfreie wagen. Auch die Kostümbildner, allen voran Mary Zophres, die mit den Coens bereits viele Jahre zusammenarbeitet, haben ganze Arbeit geleistet. Doch wie jeder Western lebt auch True Grit besonders von eindrucksvollen Landschaftsaufnahmen und den Orten, die vom Hörensagen und alten Geschichten eine Eigendynamik entwickeln, wo einen der sichere Tod erwartet. Die einsame Gegend, in die Mattie und ihre Mitstreiter ziehen, wirkt im Film Ehrfurcht einflößend und es scheint, als wechseln sich die Jahreszeiten stündlich ab, Sonne und Schneefall, doch eins ist es immer, kalt. Das alte Sprichwort "Westlich von St. Louis gibt es kein Gesetz mehr, und westlich von Fort Smith auch keinen Gott." ist meisterhaft in Szene gesetzt worden.
Daneben ist auch jeder Darsteller eine großartige Bereicherung des Films. Über Jeff Bridges, der als alter Hase im Geschäft eine beeindruckende Leistung abliefert, muss kein Wort verloren werden. Die Oscar-Nominierung der erst 14-jährigen Hailee Steinfeld ist dagegen eine auffallende und dennoch konsequente Entscheidung, deren Wahl erst kurz vor Drehstart als Glücksgriff bezeichnet werden kann. Steinfeld, die in True Grit ihr Kinodebüt gibt, spielt mit einer derartigen Innbrunst und Lockerheit, der man ohne Umschweife abnimmt, dass sie trotz ihrer jungen Jahre mit allen Wassern gewaschen ist. Der macht so schnell keiner was vor und unsere Oma hätte wohl gesagt, ein patentes Ding. Auch die Nebendarsteller wie zum Beispiel Matt Damon oder Barry Pepper, die beide in Der Soldat James Ryan dabei waren, spielen ihre jeweils sehr eigene Rolle ausdrucksstark und geben dem Film den nötigen Beigeschmack. Schade, dass Josh Brolin nicht wirklich viel Leinwandzeit vergönnt ist, der ebenfalls ein toller Darsteller ist und in der Rolle des Mörders die nötige Ehrfurcht vor seiner Figur verströmt. Auch wenn dieser weniger gerissen daherkommt als man es im ersten Moment erwartet.
Hier liegt, wenn man so will, auch das eigentliche Manko des Films. True Grit schafft es in etwas über 100 Minuten eine sehr stimmige Geschichte zu erzählen und fast jeder Figur den nötigen Raum zur Entfaltung zu bieten. Andererseits bleibt das Gefühl, dass gegen Ende des Films auf die eigentliche Lösung und Tom Chaney recht wenig Zeit verwendet wird. In unseren Augen ein wenig schade, dass neben den sehr überzeugenden Hauptfiguren für die Bösen fast kein Platz bleibt, die in einem Western die Grenze zwischen Engel und Teufel doch erst greifbar machen. Zehn weitere Minuten hätten dem Film wahrlich nicht geschadet.
Trotz dieses kleinen Abers ist es unserer Meinung nach Joel und Ethan Coen gelungen, einen modernen Klassiker zu schaffen. Selbst wenn man kein Fan von Western ist, dürfte der Kinoabend nicht als vertan gelten. Entweder man mag sie, dann muss man True Grit sehen, oder man mag sie nicht und lässt sich zu einem Kinogang überzeugen. Beides eine gute Entscheidung. Und im Gegensatz zu den Filmen mit Wayne, die zwar Klassiker des Genres sind, aber aus heutiger Sicht auch getrost als etwas unterdramatisiert bezeichnet werden können, haben die Coens einen Film geschaffen, der als Außenseiter neben all den zurzeit so angesagten Science-Fiction- und Teeniehorrorfilmen besteht. Und wer einmal sehen will, wie ein Rooster Cogburn mit Kindern umgeht, die ein Maultier quälen, sollte sich unbedingt ins nächste Kino aufmachen. Wir vergeben 4,5 von 5 Hüten für einen gelungenen Film.
Der True Grit Filmstart ist am 24. Februar.