Bewertung: 4 / 5
Ein tanzender Hitler. Bücherverbrennung, die Spaß macht. Modebewusste Nazis. Und mittendrin ein kleiner Hitlerjunge, der ein jüdisches Mädchen hasst und lieben lernt. Jojo Rabbit ist eine knallende Ohrfeige, die zugleich zum Lachen als auch Weinen anmutet. Ein tragikomischer Blick zurück, Satire, die schmerzt, und Taika Waititi womöglich einen Oscar für das Beste adaptierte Drehbuch einbringt.
Jojo Rabbit
Johannes "Jojo" Betzler (Roman Griffin Davis) ist ein zehnjähriger begeisterter Hitlerjunge. So begeistert, dass sein imaginärer Freund Adolf Hitler ist, der dem Kleinen souffleusenartig in allerlei Situationen mit Rat und Tat beisteht. Jojos Mutter (Scarlett Johansson) versucht ihrem Jungen mit viel Liebe beizubringen, dass sein Fanatismus in die Irre führt, doch Jojo lässt sich nicht beirren. Eines Tages entdeckt er im Obergeschoss ihres Hauses ein jüdisches Mädchen, das sich vor den Nazis versteckt. Was tun: Abwarten? Oder ein wahrer Deutscher sein und die Brut verpfeifen?
Trailer zu Jojo Rabbit
Jojo Rabbit ist die filmische Adaption des Romans "Caging Skies" von Christine Leunens. Taika Waititi, der bei dem Film auch Regie führt, adaptierte die Buchvorlage und schuf eine Abrechnung mit Hitler, die es so noch nicht gab. Er ist wieder da ist skurril, Das Leben ist schön tragikomisch, aber hier werden auf unverkennbare Weise Klamauk, schicksalhafte Fügungen und grobe Fakten der letzten Kriegsmonate zu einem Potpourri an Blödsinn verarbeitet, das faszinierenderweise ganz viel Herz hat und berührt. So viel Herz, dass man sogar ein bisschen Sympathie für Hitler empfindet, der wie der liebe bärtige Nachbar von nebenan immer dann reinschneit, wenn man sich das Knie aufgeschürft hat oder an seinen Fähigkeiten zweifelt.
Grandios besetzt von Waititi erleben wir eine Persiflage auf den Führer, die sich gewaschen hat. Vor allem bestärkt durch die Dialoge der SS und Gestapo, z.B. wenn von Hitlers (berühmtem) fehlenden Testikel gesprochen wird oder die ganzen Anweisungen wie Bücherverbrennung und Rekrutierung der Jüngsten im Zuge des finalen Aufbäumens die Schande der Bande aus dem Führerbunker so sichtbar machen.
Ein wirklich traumhaftes Ensemble unterstützt Waititi, darunter allen voran die Oscar-nominierte Scarlett Johansson, Sam Rockwell, Stephen Merchant, des Weiteren Rebel Wilson sowie Alfie Allen, und nicht zu vergessen der kleine Hauptdarsteller Roman Griffin Davis sowie sein guter Kumpel Yorkie, absolut knuffig gespielt von Archie Yates. Besonders Rockwell und Merchant haben es uns angetan, die das Tüpfelchen auf dem i sind und mit ihrem ureigenen Understatement die Szenen perfektionieren.
Für 6 Oscars ist Jojo Rabbit nominiert und wir hätten nichts gegen eine Überraschung einzuwenden. Der Film ist lustig, anrührig, ohne kitschig zu sein, und besticht mit einer wundervollen Besetzung. Selten wurde das Dritte Reich so menschlich gezeigt, selten lagen Witz, Schock und Scham so nah beieinander. "Komödie ist Tragödie plus Zeit" wusste schon Woody Allen - und Waititi und Leunens gelingt das Kunststück, die Hitlerzeit in ihrer Absurdität vorzuführen, ohne aber das Ganze als banalen Fliegenschiss der Geschichte abzutun.