Bewertung: 3 / 5
Die 16-jährige Carrie White (Chloë Grace Moretz) geht durch die Hölle: Das schüchterne Mädchen erlebt jeden Schultag aufs Neue als Tortur, denn ihre Klassenkameradinnen, allen voran Chris (Portia Doubleday), nutzen ihre Schwäche schamlos aus und hänseln sie, wo es nur geht. Carrie, die mit einer überaus religiösen und altmodischen Mutter "gesegnet" ist, kann schon von Haus aus nicht das fröhliche, unbeschwerte Mädchen wie viele Gleichaltrige sein, doch was dann eines Tages in der Sportumkleide passiert, gleicht einer Hexenjagd: Unwissend, dass ihre Periode eingesetzt hat, glaubt Carrie sterben zu müssen und fleht in Todesangst ihre Mitschülerinnen um Hilfe an. Diese amüsieren sich jedoch und ein Video der panischen Carrie findet seinen Weg ins Internet. Durch Zufall entdeckt das Mädchen jedoch, dass es telekinetische Kräfte hat und verfeinert seine Fertigkeiten mit der Zeit. Eines Tages steht der Abschlussball an und Carrie wird vom smarten Tommy Ross (charmant: Ansel Elgort) eingeladen, der damit den Wunsch seiner Freundin Sue (Gabriella White) erfüllt, die sich auf diese Weise wenigstens etwas für die Hänseleien bei Carrie entschuldigen will. Beide ahnen jedoch nicht, dass Chris mit ihrem Freund Billy (Alex Nolan) eine unfassbare Bloßstellung von Carrie auf dem Abschlussball plant. Es kommt wie es kommen muss...
"Carrie" aus dem Jahr 1974 ist Stephen Kings erster kommerzieller Roman, der 1976 von Brian De Palma mit Sissy Spacek, Piper Laurie, Nancy Allen und John Travolta in den Hauptrollen verfilmt wurde. Regisseurin Kimberly Peirce (Boys Don't Cry, Stop-Loss) versuchte, mit Carrie den Horrorklassiker für das moderne Kinopublikum aufzupeppen und im Grunde ist ihr das gelungen, was vielen Horrorremakes der letzten Jahre nicht vergönnt war.
Trailer zu Carrie
Bis auf eine kurze Szene am Ende des Films setzt Carrie im Gegensatz zu vielen Remakes wie Michael Bays Texas Chainsaw Massacre oder Freitag, der 13. nicht auf tumben Splatter und Effekthascherei, sondern beleuchtet die Figuren und stellt sie in den Vordergrund. Leider wird die Tatsache, warum Margaret White (Julianne Moore) derart besessen ist, nicht wirklich erläutert, hier hätte sich die neue Carrie gegen De Palmas Version ein wenig absetzen können, indem deren Motivation beleuchtet wird. Auch Carries Abnabelung, die in einer Sekunde das verschüchterte Ding ist, in der nächsten (mit dem Bewusstsein ihrer telekinetischen Fertigkeiten) gegen ihre Mutter aufbegehrt, kommt ein wenig zu glatt, dem Drehbuch geschuldet daher. Ihr "Freischwimmen" wird nicht ausreichend dargestellt, zudem nimmt man Moretz im Gegensatz zu Spacek auch zu Beginn die Ausgestoßene nur schwer ab. Zu süß, zu blond und girlie kommt sie trotz ihrer altmodischen Aufmachung daher.
Andererseits entwickelt sie gerade im Laufe des Films und zum dramatischen Showdown hin eine Energie, die dem Remake seine Daseinsberechtigung erteilt. Die Tricks sind ok, wenn auch nicht wirklich überzeugend, und wenn Carrie auf ihrem Rachetrip alle, die sie einst mental misshandelten, zur Rechenschaft zieht, spürt man die unterschiedliche Herangehensweise der Regisseure. Wo bei De Palma die zerbrechliche Spacek zur Furie wird, der man den Schmerz mit jeder Pore abnimmt und die keinen Unterschied bei ihrer Rache macht, erstarkt Peirces Carrie noch mehr, die während ihrer Vendetta nicht pauschal jeden im Saal umbringt.
Fest steht, dass Carrie mit Mobbing, Smartphone und Internetpranger überzeugend in die Gegenwart geholt wurde. Zwar wirkt es heutzutage etwas konstruiert, wenn ein 16-jähriges Mädchen noch nie etwas von der Menstruation gehört hat, dennoch ist die Szene beklemmend und Moretz spielt die Rolle recht souverän. Man fragt sich einfach, ob sie nie den Impuls hat, am Computer in der Schulbibliothek zu googeln, worüber die anderen Mädchen eben so plaudern oder ob sie nie an einem Zeitschriftenladen vorbeikam, in dem die üblichen Jugendjournale ausliegen. Zwar wird angedeutet, dass Carrie stets den direkten Heimweg nehmen soll nach der Schule, doch es fällt einfach schwer, ihr diese Neugierde abzusprechen, wenn sie sich prompt nach der Einladung zum Prom in die Stadt aufmacht, um sich Stoff für ein Kleid zu besorgen. Natürlich liegt es nahe, dass diese veränderte Verhalten mit ihren telekinetischen Fähigkeiten und ihrem erstarkten Selbstbewusstsein zu tun hat, dennoch wird eine Figur präsentiert, die 1976 noch plausibler war als heutzutage.
Alles in allem ist Carrie durchaus sehenswert und zeigt eine Protagonistin, die deutlich stärker als im Original daherkommt. Viele Szenen erkennt man wieder und auch wenn es eine gute Adaption für die Neuzeit ist, bleibt das Remake hinter seinen Ambitionen zurück.
