Bewertung: 3.5 / 5
Routine bedeutet Sicherheit: Sie schließt Unwägbarkeiten aus, gibt den Tagesablauf vor und vermittelt ein beruhigendes Gefühl. Genau das ist es, was Eisenwarenhändler Roberto (Ricardo Darín, In Ihren Augen) will. Außerdem will er seine Ruhe. Menschliche Gesellschaft ist ihm zuwider, am liebsten ist er mit sich, seinen Schrauben und seinen Zeitungen allein. Doch das Leben ist nicht so leicht kontrollierbar. Das muss auch Roberto in der feinsinnigen argentinisch-spanischen Komödie Chinese zum Mitnehmen erfahren.
Wie sein Dasein aussehen könnte, spielt der Eigenbrötler in seiner Fantasie durch. Allerdings lebt er dabei das Leben anderer Menschen - nämlich derer, deren skurrile Geschichten er aus der Zeitung ausschneidet. Mit ironischem Unterton und leicht überzogen lässt Regisseur Sebastian Borensztein seinen Protagonisten beispielsweise in die Rolle eines Mannes schlüpfen, dessen Auto sich verselbständigt und ihn und seine Freundin während des Liebesspiels in den Tod reisst - der Exitus als gekonnt inszenierte Slapstick-Nummer.
Im Alltag ist es Roberto allerdings viel zu anstrengend, Beziehungen aufzubauen. Selbst die herzensgute Mari (Muriel Santa Ana), die Roberto aufrichtig liebt, dringt nicht zu ihm durch. Erst Chinese Jun (Ignacio Huang), den der Eisenwarenhändler am Straßenrand aufliest, bringt die kühle Fassade zum Bröckeln - trotz der Sprachbarriere, die auch das Publikum bewältigen muss. Jun parliert konsequent auf Chinesisch, wird weder untertitelt noch synchronisiert. Robertos verzweifelte Versuche, zu verstehen, was der völlig aufgelöste Mann von sich gibt, werden so am eigenen Leib nachvollziehbar.
Trotz der Kommunikationsschwierigkeiten nimmt sich der passionierte Grantler ein Herz und gewährt dem Gestrandeten Obdach. Sie müssen sich zusammenraufen, diese beiden völlig gegensätzlichen Menschen. Das passiert subtil und kaum wahrnehmbar - Roberto merkt zunächst gar nicht, wie er durch Jun plötzlich in kleinen Schritten am Leben teilnimmt und auch zulässt, dass andere Menschen an seinem Dasein Anteil haben. Diese feinen Nuancen sind es, die Chinese zum Mitnehmen liebenswert machen - und den Film nicht zu einer routiniert, aber langweilig erzählten Geschichte vom langsamen Verlassen des eigenen Schneckenhauses verkommen lassen.
Chinese zum Mitnehmen bekommt 3,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Christina Freko)
