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Civil War

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Über Macht und Missbrauch von Bildern:

Civil War Kritik

Civil War Kritik
1 Kommentar - 04.11.2024 von Entenverlag
In dieser Userkritik verrät euch Entenverlag, wie gut "Civil War" ist.
Civil War

Bewertung: 3.5 / 5

Spoiler- & Contentwarnung:
Gewalt, Krieg, Tod

Über Macht und Missbrauch von Bildern:
"Civil War" von Alex Garland
Eine (sensationsgeile) Analyse.

Trailer zu Civil War

Film ist Voyeurismus, Film ist Verharmlosung. Gleichsam jede Dokumentation, jeder Bericht, jedes Foto. Schließlich müssen die Nachrichten, die uns erreichen, erst von jemandem aufgenommen werden; müssen die Lebewesen, um die es darin geht, erst ihr aufmerksamkeitserregendes Schicksal erlitten haben. Jemand vor und hinter der Kamera, vor und hinter dem Mikrofon. Und wir Zuschauer weit, weit entfernt davon. Wer empfindet angesichts der sterbenden Zivilisten nach dem Massaker vom 07. Oktober in Israel oder im Gazastreifen schon dasselbe Leid? Klar, Bilder machen betroffen, aber deswegen gehört man noch lang nicht zu den Betroffenen. Schließlich verleiht Film der Realität auch dann einen anderen Kontext, wenn er ihr entspricht. Eine Tatsache, welche die Protagonisten in "Civil War", dem neuen Film von Alex Garland, am eigenen Leib erfahren müssen.

Der titelgebende Krieg ist dabei mehr Schauplatz als Thema. Seine Hintergründe werden zwar angedeutet - Auflösung des FBI, Bombardierung von Zivilisten und ein Massaker an antifaschistischen Demonstranten -, spiegeln sich sonst aber eher im Worldbuilding als in der Handlung wieder. Zerstörte Städte, tausende Flüchtlinge, verschiedene USA-Flaggen und kanadische statt wertlose amerikanische Dollars. Warum gekämpft wird, lässt der Film offen - unpolitisch ist er deshalb jedoch nicht.
Denn wenngleich "Civil War" keine Geschichtsstunde darstellt, zieht er sehr wohl einen Zusammenhang zwischen Kriegsjournalismus und Kriegsfilm. Es ist die Lust am Spektakel, die Alex Garland sowohl inszeniert als auch bricht, welche uns mit den Protagonisten verbindet. Die Action, die Immersion, der Rausch. Desorientierung schon in den ersten Tönen. Schwanken die Figuren zu Beginn noch zwischen Trauma und Begeisterung, auf der Jagd nach Adrenalin, so gleitet der Film irgendwann vom Traumartigen ins Wahnhafte. Mehrere Facetten des Krieges, festgehalten in einem Roadtrip durch das dystopische Amerika. Und doch dreht sich die Geschichte im Kreis: Sie beginnt und schließt mit einer Aufnahme des amtierenden Präsidenten in seiner dritten Amtszeit. Zunächst heroisch und überzeugt, am Ende ungläubig und ängstlich. Abseits der Kamera sind eben auch die Herrschenden nur Menschen, nur gebrochene Figuren, die dort ankommen, wo andere schon von Anfang an waren, und die genauso handeln wie der Film selbst - voyeuristisch und verfremdend.
Genau wie "Civil War" richten sie ihre Kamera darauf, wenn Soldaten verbrennen, verbluten, vergehen. Genau wie "Civil War" reihen sie sich an forderster Front ein, wenn die Einsatztrupps vorrücken. Und genau wie "Civil War" verstecken sie sich hinter ihren Bildern, wenn die Erlebnisse zu schlimm werden. Nicht, dass der Film abseits seiner Aufnahmen nichts zu bieten hätte, doch wahrt er ganz vorsätzlich die Distanz, welche er ohnehin nicht durchbrechen kann. Immer wieder weicht die Inszenierung Szenen auf, ehe sie zu intensiv werden, sei es mit passend unpassenden Songs oder den Bildfluss pausierenden Fotoaufnahmen. Tode werden kaschiert, tragische Momente übertrieben; "Civil War" sträubt sich in jeder Hinsicht vor der Lüge, wahr zu sein.

Schließlich kann Film zwar immersiv sein, hat darin jedoch keinerlei Wirklichkeitsanspruch. Viel mehr steht und fällt seine Wirksamkeit mit der Gestaltung, mit der Kongruenz von Ausdruck und Thema. Im Falle von "Civil War" heißt das, anders als vom Titel angekündigt, mittels Farbgebung und Bildkomposition Fotomotive zu inszenieren. Eine Unterscheidung zu treffen, zwischen Bewegt- und Standbild. So ahmt die Kamera kontinuierlich die Handlungen der Figuren nach; das Kriegsgeschehen begleitet eine dynamische Handkamera, die Idylle eines unberührten Dorfes wird hingegen in detailverliebten, ruhigen Shots eingefangen. Wirklich still steht das Bild jedoch nur selten: Wenn es jede Tiefenunschärfe abgibt und die Fotografien der Protagonisten einblendet. Ganz gezielt wechselt der Film so die Medien, vom Dreidimensionalen ins Zweidimensionale.
"Civil War" versteht sich insofern als Kommentar auf die Macht sowie den Missbrauch von Bildern, setzt sich wieder und wieder mit den Aufnahmen seiner Figuren gleich. Sei es, dass er dem Zeitpunkt des Fotografierens einen einzelnen, statischen Shot gegenüberschneidet, der die Perspektive des Fotoapparats spiegelt, oder sei es, dass der Moment der Aufnahme jenes Bildes, welches die Protagonistin später aus Pietätsgründen aus ihrem Fotoalbum löscht, im Film fehlt. Und wenn die Figuren nach einer Explosion in Stille gefangen sind, unterbricht nur das Klicken ihrer Kamera das Schweigen - die Ruhe vor und nach dem Sturm. "Civil War" bespricht die Kraft von Bildern somit nicht nur, sondern demonstriert sie in seiner ausgefeilten Ästhetik, der hypnotischen Inszenierung und den überwältigenden Schlachtenszenen selbst.

7,5 von 10 Enten.

Civil War Bewertung
Bewertung des Films
710

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Entenverlag : : Moviejones-Fan
04.11.2024 18:27 Uhr | Editiert am 04.11.2024 - 18:27 Uhr
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Dabei seit: 20.02.23 | Posts: 133 | Reviews: 28 | Hüte: 21

Eines der krassesten Kinoerlebnisse, die ich bisher hatte uwu

"Je poetischer, je wahrer."
~Novalis

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