Bewertung: 4 / 5
Was ist von einem Film zu erwarten, der einen heruntergekommenen Typen als Gott ausgerechnet in Brüssel zeigt und es sich zur Aufgabe gemacht hat, Das brandneue Testament zu erzählen? Eine Menge, denn diese wahrlich originelle Geschichte wartet mit viel Herz auf und hat uns einen der nettesten Kinoabende des Jahres verschafft.
Gott (Benoît Poelvoorde) lebt in einer düsteren Wohnung in Brüssel, an seiner Seite seine stille Frau (Yolande Moreau) und seine kleine Tochter Ea (Pili Groyne). Der Alltag gestaltet sich recht banal, eben ganz so wie auf Erden (kein Wunder, sind wir doch das Ebenbild von Gott!) und viel zu sagen haben sich Gott und Göttin auch nicht. Die einzige Freude für Gott ist es, sich in sein tristes Büro zurückzuziehen, den Rechner anzuwerfen und die Menschheit mit garstigen Geboten und Vorfällen zu gängeln, denn das erheitert ihn. Das kann sich Ea nicht länger mitansehen und so stimmt sie sich mit Bruder JC (David Murgia) ab, das was geschehen muss: Ea sendet von Gottes PC allen Menschen das Datum ihres jeweiligen Todes und begibt sich zur Erde, um die Geschichten einiger Weniger zu erfahren und aufzuzeichnen - für ein ganz neues Testament...
Trailer zu Das brandneue Testament
Das brandneue Testament Kritik
Es gibt diese Filme, in denen Fantasy auf Realität trifft und die beim Zuschauen ein komisches Gefühl hinterlassen, so als ob etwas nicht ganz passt. Und dann gibt Filme wie die Harry Potter-Reihe und eben auch Das brandneue Testament, in denen es ganz vorzüglich harmoniert. Dabei wartet der neue Film von Jaco Van Dormael mitnichten mit fantastischen Welten auf, für die man nur zu gern sein normales Leben hinter sich lassen würde. Es ist die Art, eine altbekannte Geschichte vom Welterschaffer auf eine, sagen wir, moderne Stufe zu heben und das Leben "da oben" mit dem Leben "hier unten" so konsequent rotzig zu verschmelzen. Gott ist nicht anders als wir, zudem ein widerlicher Brutalo, sozial inkompatibel und fähig, uns allen das Leben zur Hölle zu machen, was ihm einen unbändigen Spaß bereitet.
Benoît Poelvoorde spielt diese Rolle mit einer derart garstigen Attitüde und es macht ihm sichtlich Freude. Wir erleben einen jähzornigen Gott, einen eingreifenden Gott, der den biblischen Überlieferungen des Alten Testaments alle Ehre macht. Weniger Freude steht seiner stillen Frau ins Gesicht geschrieben, gespielt von Yolande Moreau, die nicht den Hauch einer Chance hat, sich oder selbst ihre Tochter vor Gottes Zorn zu schützen. Ein Lob an das wundervolle Casting der kleinen Ea, die von Pili Groyne überaus liebenswert und warmherzig dargestellt wird, die keine Vorurteile kennt und unvoreingenommen auf ihre Umwelt zugeht.
Das brandneue Testament hat viele wunde Momente, schon allein wenn man das traurige Familienleben zwischen Gott, seiner Frau und der kleinen Ea sieht, aber er verbindet auf wirklich liebenswerte Weise Drama und Lachen zu einer wahren Tragikomödie. Daran sind auch die traurigen und teils skurrilen Geschichten der "Apostel" Schuld, auf die Ea auf Erden trifft und die für einen Moment die Chance haben, ihre innere Leere mitzuteilen. Da ist Aurelie (Laura Verlinden), eine einsame junge Frau, Martine (Catherine Deneuve), eine einsame alte Frau oder François (François Damiens), der "Killer", der eine wundersame Begegnung macht. Die Geschichten und Wünsche der einzelnen Personen wirken teils bizarr, aber auch nicht lächerlich - und schlussendlich schwebt jedem im Angesicht des Todes, ob nun in 59 Tagen oder erst in fünf Jahren der gleiche Gedanke vor, was mit der verbleibenden Zeit anzufangen ist. Und ob das Leben, das hinter einem liegt, wirklich das ist, was so weitergehen soll.
Besonders erfrischend ist es, wenn scherzhaft moderne Strömungen aufgegriffen werden, etwa wenn in den sozialen Medien Videos die Runde machen, wie sich Leute versuchen umzubringen, die noch ganze Jahrzehnte vor sich haben. Irgendwie ist bei aller Tristesse auch immer ein Moment des Schmunzelns dabei und wenn man so will, hat Gott selbst mit das schlimmste Leben von allen, der allein in seinem Büro hockt und dessen Dasein einfach nur leer ist.
Das brandneue Testament Fazit
Wundervoll, amüsant, dramatisch, sensibel und originell - das sind die Schlagworte, die uns beim Schauen von Das brandneue Testament einfielen. Es ist ein absurder Film über einen absurden Gott mit einem hoffnungsvollen Ende. Allein die Idee, Gotts Appartement und ihn derart heruntergekommen zu zeigen, ihn an einen alten Rechner zu setzen und eben Gott spielen zu lassen, ist traurig und witzig zugleich. Das brandneue Testament ist ein stiller Film, der unterhält und ein bisschen zum Nachdenken anregt - nur leider gibt er keinen Rat, wie man die langsamste Kassenschlange umgehen kann.