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Das Ereignis

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Das Ereignis Kritik

Das Ereignis Kritik

Das Ereignis Kritik
0 Kommentare - 18.04.2022 von ProfessorX
In dieser Userkritik verrät euch ProfessorX, wie gut "Das Ereignis" ist.
Das Ereignis

Bewertung: 4 / 5

In mitten der 1960er Jahre wird Anne (Anamaria Vartolomei) schwanger. Schlecht für sie, weil sie als Studentin viel zu viel zu tun hat. Also sucht sie nach Mitteln und Wegen, den Fötus abtreiben zu lassen und ist dafür bereit, auch unorthodoxe Methoden zu wählen. Währenddessen gerät sie in einen Moloch aus Gesetzesproblemen und anstehenden Prüfungen, die sie zu meistern hat.

Wo immer man hingeht und über ein Thema wie Abtreibung spricht, dort kann es kein richtig oder falsch geben. Fragt man Gottesdiener, so wird klar, auf wessen Seite sie in jedem Fall stehen dürften. Fragt man andere, so hört man die grausamsten Schicksale, die man erstmal verdauen muss. Doch dafür hat die junge Anne inmitten der 1960er Jahre keine Zeit, denn sie muss als Hoffnungsträger ihrer Arbeiterfamilie dafür sorgen, daß sie ihren Abschluß an der Uni erreichen kann. Das ist zu Teilen etwas zäh, daß kann man dem Film leider nicht absprechen, gerade weil die Hauptfigur versucht ihre Schwangerschaft vor den strengen Augen der Familie geheim zu halten, erwischt man den Film dabei immer die gleichen Handlungsmuster zu wiederholen. Es kann doch nur eine Lösung des ganzen geben. Gerade wenn man mit dieser Form von Angst konfrontiert ist, neigt man aus einer Beobachterposition heraus natürlich auch dazu, es besser zu wissen. Und klar ist es unfair, die Hauptfigur mit dem Wissen zu konfrontieren, doch eine Schwangerschaft ist nun mal nichts, was sich ewig verheimlichen ließe. Daher wirkt auch die Wandlung der Hauptfigur, oder besser gesagt der Umgang mit dem ganzen Leid etwas überstürzt und zu unerklärt, um es letzten Endes vollkommen nachvollziehen zu können.

Trailer zu Das Ereignis

Mit symbolträchtiger Kraft trägt Anne die meiste Zeit über an sich. Die Farbe Blau, in Form von Tops oder Kleidern hat diese Dame, die so viel Ballast in sich trägt immer bei sich. Geht man nach der gängigen Farblehre, dann steht blau natürlich für Sanftmut oder so etwas wie innere Ruhe, was die Figur durchaus eben ausstrahlt, wenngleich der Film ihre Gedankenwelt gut einfängt, ist diese hochkomplexe Person immer recht gut darin. Zumindest den Menschen, die ihr nahe stehen, nicht die komplette Wahrheit zu erzählen. Insofern hat der Zuschauer den Figuren immer etwas voraus, was mitunter recht ermüdend sein kann an der ein oder anderen Stelle. Doch sobald sich Anne mehr und mehr in die moralische Abneigung der Zuschauer begibt, so ändert sich auch ihr äußeres Erscheinen radikal. Nun ist es rot, welches Anne zu ihrem erwählten Symbol ernennt. Und natürlich ist rot eine paradoxe Farbe, weil rot ebenso für Liebe, wie auch für Blut stehen kann. Natürlich gibt es auch da etliche Deutungen und insofern ist rot mit die langweiligste Farbe. Es kann natürlich auch ein Zufall sein, daß sich Auftreten und Erscheinung mit diesen zwielichtigen Methoden der Abtreibung inmitten der 1960er Jahre so wandeln. Doch das sollte man nicht so einfach abschreiben, weil es hierfür im Film einfach zu viele Anhaltspunkte gibt.

Überhaupt ist Das Ereignis nicht nur ein symbolträchtiger Film, sondern auch ein Film, dem die ganze Zeit eine intelligente Schwere anmutet. Während Abtreibung als Thema natürlich immer gesellschaftlicher Zündstoff bleiben wird. Was im übrigen auch gut so ist. So merkt man diesen Umstand auch den Figuren an. Anne hat da nicht viele Möglichkeiten. Ihren Eltern kann sie davon nicht erzählen. Ihrem Arzt muss die davon erzählen und auch, wie sie mit dem Fötus verfahren möchte, doch auch hier merkt man das Unbehagen die ganze Zeit über. Sicherlich macht das Alter da auch einen Teil zu, doch dieser ist marginal. Insgesamt gibt es im Film kaum eine Schamgrenze. Der Körper und das Verständnis darüber, wem er nun eigentlich gehört, wenn er denn überhaupt jemandem gehört, ist ein weiteres zentrales Thema, was der Film gekonnt aufgreift. Ironischerweise konnte man in der Produktion diese Erkenntnis aber nur damit erlangen, daß Hauptdarstellerin Anamaria Vartolomei ihren eigenen Körper komplett preisgibt. Die Figur sucht dann nach einer Erkenntnis am eigenen Leib und scheint mit dem Greifen und den Versuchen, den Fötus irgendwie loszuwerden, auch die Kontrolle zurückerlangen zu wollen. Nun könnte man dem Film hier natürlich einen sehr neoliberalen Stempel aufdrücken, indem das Kapital wesentlich wichtiger erscheint, als das Leben. Doch das ist es nicht, es ist viel mehr ein äußerer Druck und das Unverständnis über den eigenen Zustand, die die Figur dazu zwingen.

Und überhaupt ist der Film auch in politischer Hinsicht relativ intelligent. Denn obwohl er in einer weit entfernten Vergangenheit spielt, nimmt er sich zentrale Fragen aus unserer aktuellen Zeit und beantwortet diese weise, ohne großartige Wertung und vermutlich mit der einzigen Antwort, die authentisch ist. Nämlich dieser, daß nach Erfolg strebende Menschen in unserer Gesellschaft, nicht den Beruf und die Familie in dieser Form übereinbringen können. Die Frage, ob die werdende Mutter denn auch das Kind möchte, ist eine Frage, die in diesen Zeiten eigentlich kaum eine Rolle spielt. Nicht, weil sie nicht wichtig wäre, sondern weil das Beziehungsgefüge vergangener wie moderner Zeiten hier anders gedacht ist. Interessant ist natürlich, eine solche Geschichte in einer eher als freizügig bekannten Epoche wie den 1960er Jahren anzusiedeln. Wenn man dann den Umstand bedenkt, daß sich das in so ziemlich jedem Belang auch noch auf unsere heutige Zeit übertragen ließe, wird deutlich, wie wenig der Mensch in seinen wirklich wichtigen Revolutionen und Bewegungen eigentlich erreicht hat. Gerade passt dieses Kind nicht, daß ist es, was die Hauptfigur dabei immer wiederholt. Einer grundsätzlichen Schwangerschaft ist man dann nicht abgeneigt, doch warum ein Kind dann nicht passen kann, lässt sich eben dann nur noch durch äußere, also systemische Umstände erklären.

Natürlich entstehen durch eine Geburt erstmal Veränderungen und man weiß nie, ob man für diese Form von Veränderung jemals bereit ist. Man will sich auch da kein Urteil erlauben, was der Film im übrigen auch nicht tut. Klar kommen da Gefühle hoch und Fragen stehen im Raum. In etwa wie man damit umgeht, wie man ein Kind ganz salopp gesagt auch bezahlen kann und wie es erziehen soll. Es sind natürlich endlose Fragen und niemand wäre ehrlich, wenn man sagte, man habe die einzige und richtige Lösung dessen gefunden. Gleichsam weiß Anne auch nie genau, mit wem sie nun rechnen kann und mit wem nicht. Und das ist ein weiterer Grund, warum der Film so beklemmend ist. Sicherlich ist er in seiner Drastik auch manchmal nahe an einem Nymphomaniac (2013), wenngleich das Werk von Regisseurin Diwan mehr Subtilität und damit eine andere Form von Provokation aufweist. Indessen verschmerzt man so auch ein wenig die Wiederholungen, die der Film an den Tag legt.

Ein behutsamer, schwerer und gleichzeitig expliziter Film ist Das Ereignis geworden. Intelligent erzählt fallen nur wenige Schwächen auf, wenngleich diese am Ruhm kratzen. Insbesondere Hauptdarstellerin Anamaria Vartolomei überzeugt durch eine eindringliche Leistung, die auch die Angst vor den Obrigkeiten ziemlich stark verdeutlicht. Dabei gehört der Film vollends ihr und greift Themen wie Freiheit über Körper und Geist, Zukunftsplanung aber auch reine Emanzipation gekonnt auf, wodurch ein starker Eindruck verbleibt.

Das Ereignis Bewertung
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