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Fitzcarraldo

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Guter Film, erschreckende Hintergrundgeschichte

Fitzcarraldo Kritik

Fitzcarraldo Kritik
0 Kommentare - 09.09.2016 von luhp92
In dieser Userkritik verrät euch luhp92, wie gut "Fitzcarraldo" ist.

Bewertung: 4 / 5

Ehrlich gesagt weiß ich nicht so Recht, wie ich diesen Film bewerten soll. Und das bezieht sich nicht darauf, dass Werner Herzogs erneuter Dschungelausflug schwer zugänglich oder schwer zu verstehen ist, sondern darauf, dass die Hintergrundgeschichte einen bitteren Nachgeschmack herbeiführt.

Wie schon "Aguirre" stellte sich auch der Dreh von "Fitzcarraldo" als exotisch und Gewaltakt heraus. Mit Oscarpreisträger Jason Robards, Mick Jagger und Mario Adorf war der Film schon zur Hälfte abgedreht, als Robards für längere Zeit erkrankte. Jagger reiste wegen einer Stones-Tournee ab, Adorf kehrte nach Europa zurück und unterschrieb irgendwann für einen anderen Film. Danach erst wurde Kinski engagiert (Wutanfälle inbegriffen) und das Drehbuch nochmal umgeschrieben. Darüberhinaus geschahen mehrere leichte bis tödliche Unfälle während des Drehs. Die Hand des Kameramanns wurde zwischen Ring- und kleinem Finger aufgerissen, ein Setarbeiter schnitt sich nach einem Schlangenbiss mit einer Motorsäge den Fuß ab und das Set wurde einmal von einem Ureinwohnerstamm angegriffen. Bei einem Flugzeugabsturz starben mehrere Menschen.
Trotz aller Tragik wäre dies nur halb so schlimm, wenn sich Herzog in Interviews (siehe z.B. "Mein liebster Feind) nicht so selbstverliebt darüber äußern würde, als sei dies nur ein großer Spaß gewesen. Teilweise war er es selbst, welcher die Menschen bewusst der Gefahr aussetzte, zudem ließ er wohl Hunderte von Regenwaldbäumen fällen. Mit Bulldozern fuhr er durch den Regenwald, um ein Schiff über einen Hügel zu ziehen, Fitzcarraldos größenwahnsinnige Aufgabe eignete sich Herzog am Set irgendwann selbst an. All dies trübt den Blick auf den ansonsten guten Film und man fragt sich unweigerlich: "War es das wirklich alles wert?"

Die 8/10 Punkten, die ich hier vergebe, beziehen sich also nur auf die Qualitäten des Films, nicht aber auf meinen Gesamteindruck, welcher die Hintergründe miteinbezieht. Das soll jeder für sich selbst entscheiden.

Zu Beginn des Films erscheint ein Zitat, welches die Schöpfungsgeschichte der Indios erläutert. Gott habe das Land vor Vollendung seiner Schöpfung verlassen und werde erst wieder zurückkehren, wenn die Menschen verschwunden sind. Dieses Zitat zieht sich als Motiv durch die gesamte Handlung. Fitzcarraldo möchte die unvollendete Schöpfung nach seinen Vorstellungen vollenden. Der Bau einer Oper mitten im Dschungel, das ist sein großer Lebenstraum. Dieses möchte er durch Kautschukverkauf finanzieren. Also haut der das Vermögen seiner Geliebten (gespielt von Claudia Cardinale) auf den Kopf, kauft sich ein unzugängliches Kautschukgebiet, eine Yacht und stellt eine Mannschaft zusammen. All dies gipfelt in dem wahnwitzigen Versuch, die Yacht über einen Hügel zu transportieren, um in das Kautschukgebiet zu gelangen. Fitzcarraldo ist ein Träumer, ein Größenwahnsinniger, welcher den Geist der Kolonisationszeit atmet, sich durch nichts aufhalten lässt und alles Menschenerdenkliche tut, um an sein Ziel zu gelangen. Klaus Kinski ist diese Rolle auf den Leib geschnitten, er geht darin voll auf. Und da Herzog ihm eine detaillierte Charakterzeichnung an die Hand gibt, wirkt Kinskis Spiel weniger wie das typische Kinski-Klischee sondern sehr glaubwürdig. Sowohl in den ruhigen als auch den lauten Momenten.

Zugegeben, dies habe ich in einer anderen Kritik gelesen, aber folgende Zitate umschreiben den Charakter und den Film Fitzcarraldo perfekt:

  • "Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg zum Propheten kommen." (Mohammed)
  • "Das muss das Boot abkönnen." (Das Boot)

Die Einleitung in die Geschichte geschieht meiner Meinung nach etwas holprig und langatmig, mit dem Ablegen der Yacht hat sie mich jedoch unweigerlich in ihren Bann gezogen. Hier zeigt sich Herzogs Gespür für große, atmosphärische Bilder. So wie hier präsentiert, könnte ich der Yacht stundenlang dabei zusehen, wie sie gemächtlich durch die Dschungelflüsse tuckert, zwischen den Blättern verschwindet und wieder auftaucht! Musikalisch werden die Bilder inhaltsbezogen oftmals durch Operngesang untermalt, was die mitreißende, magische Atmosphäre noch weiter verstärkt. Darüberhinaus ist Herzog mit der Zusammenarbeit mit den peruanischen Ureinwohnern ein echter Glücksgriff gelungen. Sie kennen sich im Dschungel aus, wuseln herum und sprechen in ihrer Muttersprache. Der Geschichte verleiht dies im späteren Verlauf einen authentischen Unterbau und dem ohnehin schon spannenden Schiffstransport über den Berg zusätzlichen Biss.

Insgesamt und vor allem im Bezug auf die letzten 30 Minuten des Films ist Herzog mit "Fitzcarraldo" ein großartiger und kritischer Kommentar zum Kolonialismus in Südamerika gelungen. Leider wird dies wie oben beschrieben durch die Hintergründe des Drehs getrübt.

Fitzcarraldo Bewertung
Bewertung des Films
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