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Melancholia

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Schönes Ende

Melancholia Kritik

Melancholia Kritik
0 Kommentare - 02.10.2011 von FBW
Hierbei handelt es sich um eine Kritik der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW).

Bewertung: 4.5 / 5

In Lars von Triers Melancholia ist die Apokalypse nah, sehr nah. Wie bei Titanic stehen die Zeichen von Anfang an auf Untergang. Lächerlichkeiten wie Familienscharmützel bei einer Hochzeit dienen nur zur Überbrückung bis zur vernichtenden Kollision der Erde mit einem größeren Planeten. Romantisches Schwelgen in Wagner-Musik statt Krachbumm-Action, Ästhetik statt Aliens - Lars von Trier gelingt der optisch attraktivste Weltuntergangsfilm aller Zeiten. Dabei entdeckt er zudem die Schönheit einer depressiven Seele.

Von der Bedrohung aus dem All ahnen die Hochzeitsgäste von Justine (Kirsten Dunst, beim Filmfestival in Cannes als beste Darstellerin ausgezeichnet) und Michael (Alexander Skarsgard) noch nichts. Justines Schwester Claire (Charlotte Gainsbourg) und deren Mann John (Kiefer Sutherland) haben auf ihr prächtiges Schloss geladen. Mit dem riesigen Golfplatz als einem Stück überkultivierter Natur davor erscheint das Gemäuer überirdisch schön. Ganz so fein geht es drinnen nicht zu. Gerade tritt die Brautmutter (Charlotte Rampling) derb in alle Fettnäpfe und vermiest die Stimmung. Eine nervöse Handkamera transportiert die angespannte Atmosphäre: Alle versuchen, sich wieder zusammenzureißen. Doch Claire sorgt sich nicht nur um ihre Schwester, weil sich einige Gäste danebenbenehmen. Für die depressive Braut stellt die ganze Feier eine Herausforderung dar. Sie unterwirft sich einem gesellschaftlichen Ritual, um Normalität in ihrem Leben herzustellen. Je weiter die Feier fortschreitet, stellt sie jedoch fest, dass weder das Fest noch ihre Beziehung zu Michael ihr Halt geben können. Ihre innere Dunkelheit nimmt immer mehr zu. Das führt nach allerhand verbalen Gemeinheiten dazu, dass der Bräutigam seine Braut noch in derselben Nacht verlässt.

Lars von Trier strukturiert seinen Film in zwei Kapitel, die den beiden ungleichen Schwestern gewidmet sind. Nach "Justine" rückt nun "Claire" in den Mittelpunkt, die als "Normale" mit einer psychisch extrem labilen und aggressiven Schwester gestraft zu sein scheint. Claires Mann beobachtet derweil begeistert den Planeten Melancholia durchs Fernrohr und geht davon aus, dass er nach wissenschaftlichen Berechnungen bald knapp an der Erde vorbeiziehen wird. Justine dagegen fühlt den großen Knall kommen und bereitet sich auf ihre Weise darauf vor. Nackt im Mondlicht nimmt sie Kontakt zum Planeten auf und fühlt sich, während Claire von Ängsten gepeinigt wird, ganz ruhig.

Immer wieder bescheinigten in der Geistesgeschichte Philosophen den Melancholikern - seit dem 19. Jahrhundert werden sie weniger wohlklingend bisweilen als Depressive bezeichnet - eine besondere Fähigkeit zur Erkenntnis des Elends, das der endlichen menschlichen Existenz innewohnt. Dieser Gemütszustand regte Künstler dazu an, sich in Bildern und Texten damit auseinanderzusetzen, ihn darzustellen und besser zu verstehen zu versuchen.

Referenzen zur Kunstgeschichte finden sich bei Lars von Triers Film viele. Er erschafft elegante Bilder mit visionärer Kraft, begleitet von dem wehmütigen Vorspiel aus Wagners Oper "Tristan und Isolde". Seine Ouvertüre, bei der Blitze aus Justines Fingern steigen, ein Rappe versinkt und Vögel vom Himmel fallen, erweist sich als ein düsteres ästhetisches Spektakel, dessen Faszination man sich nicht ganz entziehen kann. Schön mag er wirklich sein, dieser Weltuntergang. Aber das Erschauern vor dem Ende und das Mitfühlen mit der vor Angst fast gelähmten Claire setzen dem Zuschauer zu. Zumal Lars von Trier anders als Terence Malick in The Tree of Life kein spirituelles Hintertürchen bietet, sondern seinem Nihilismus freien Lauf lässt.

Melancholia bekommt 4,5 von 5 Hüten.


(Quelle: teleschau - der mediendienst | Diemuth Schmidt)

Melancholia Bewertung
Bewertung des Films
910

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