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Toast

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Krieg unter Küchenfeen

Toast Kritik

Toast Kritik
0 Kommentare - 25.08.2011 von FBW
Hierbei handelt es sich um eine Kritik der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW).

Bewertung: 3.5 / 5

Genau das, was man als Kind nicht hatte, will man als erwachsener Mensch. Nigel Slater wurde Koch, weil er als kleiner Junge ernährungstechnisch im einfallslosen England der 60er-Jahre darben musste. Bei ihm zu Hause gab es nichts Genießbares. Nie. Dies und viel mehr aus der Kindheit des heutigen Promi-Kochs erzählt Toast, mit Helena Bonham Carter als Nigels Stiefmutter prominent besetzt.

Die Ähnlichkeiten zu Billy Elliot kommen nicht von ungefähr. Der Drehbuchschreiber ist der gleiche. Lee Hall hat viele Elemente seiner erfolgreichen Feel-Good-Dramödie aus dem Jahr 2000 übernommen, sich allerdings diesmal weiter aus dem Fenster gelehnt. Beide Jungs haben gemeinsam, dass sie sich nicht für typische Jungsbeschäftigungen interessieren. Billy wollte tanzen, Nigel kochen.

Ein süßer Junge (Oscar Kennedy, später Freddie Highmore) war er. Und sehr begeisterungsfähig, was den kleinen Lebensmittelladen in der Stadt anging. Für Nigel offenbar das Paradies, aus dem er immer wieder staunend fortgezogen wurde. Frische Zutaten sind doch Unsinn, wo die Konserve erfunden ist.

Oft steht der Kleine mit seiner Mutter (Victoria Hamilton) in der Küche. Doch außer dem praktischen Dosenfutter und verbranntem Kuchen gibt es dort nicht viel zu sehen. Wenn gar nichts geht, gibt es Toast. Keine Kunst, doch dafür liebt Nigel seine Mama. Ansonsten schwelgt er heimlich im Bett in Kochbüchern und träumt von gutem Essen. Einmal darf er seinen Eltern Spaghetti kochen, eine neumodische Sache aus einem anderen Land. Lob erhält er dafür nicht.

Als seine Mutter stirbt, ist er ein Steppke, der die Welt nicht mehr versteht. Mit dem ohnehin gefühlsarmen Vater (Ken Stott) weiß er wenig anzufangen, umgekehrt sieht es genauso traurig aus. Nach dem Tod der Frau zieht sich der Vater komplett zurück. Bis Mrs. Potter (Helena Bonham Carter) ins Haus kommt. Sie putzt und kocht und erregt mit diesen Tätigkeiten die Aufmerksamkeit von Slater senior. Doch Nigel akzeptiert den Eindringling nicht: Sie werden keine Freunde, im Gegenteil. Kriegsähnliche Szenen spielen sich in der gemütlichen Küche ab. Jeder versucht, dem Familienoberhaupt mit seiner Kochkunst zu imponieren und den anderen zu übertrumpfen.

Fast alle Szenen, in denen sich Helena Bonham Carter an den beiden Slater-Männern reibt, sind grandios überzogen. Dieser dreiste Slapstick im Gewand der 60-er ist nicht jedermanns Sache. Doch wäre diese Kindheit in einem ernsteren Kontext zu ertragen? Schwerlich.

Dennoch zögerten Nigels Stiefschwestern nicht lange, sich öffentlich über die Darstellung ihrer Mutter zu beschweren. Durchaus verständlich: Helena Bonham Carter spielt die gewiefte Unterschicht-Putzfrau mit spitzer Zunge, hat immer eine Zigarette im Mundwinkel, trägt sehr kurze Röcke und High Heels bei der Arbeit. Nichts von alldem ist wahr, echauffierten sich die Töchter.

Für einen TV-Film (wurde bereits bei der BBC ausgestrahlt) ist Toast erstaunlich liebevoll ausgestattet. Schon der Vorspann gönnt allen Beteiligten einen Auftritt auf einem Markenprodukt. Immer wieder überrollt die Komödie den Zuschauer, begräbt ihn unter Zuckerschichten und altbackenem Dekor. Heute würde niemand mehr so etwas servieren.

Dennoch kann man der Regisseurin S. J. Clarkson ihre skurrilen Bilder nachsehen. Oberflächlich betrachtet ist die Biografie humorvoll, in ihrem Inneren heiter bis zynisch, bisweilen ausgestattet mit einer Hysterie, wie man sie aus Doris-Day-Filmen kennt. Doch die allermeisten Handlungsstränge sind traurig. Und hoffentlich überspitzt erzählt.

Toast bekommt 3,5 von 5 Hüten.


(Quelle: teleschau - der mediendienst | Claudia Nitsche)

Toast Bewertung
Bewertung des Films
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