Bewertung: 3.5 / 5
Unsane - Ausgeliefert, eine beklemmende realistische Erfahrung, die sich mit zunehmender Laufzeit aber in zu vielen Themen verzettelt und gegen Ende viel von dem zuvor aufgebauten Mysterium für eine recht konventionelle Geschichte opfert. Dennoch bietet der Film dem Zuschauer viele aufregende Momente in einer Anstalt, die man selbst so nicht erleben möchte und die durchaus die Frage aufwerfen, ob man wirklich verrückt ist oder erst verrückt gemacht wird.
Unsane Kritik
Die Angestellte Sawyer Valentini (Claire Foy) hat ihr Leben komplett umgestellt, nachdem sie lange Zeit von einem Stalker verfolgt wurde. Doch noch immer haben die damaligen Ereignisse Einfluss auf ihren Alltag. Als sie daraufhin in einer Therapieeinrichtung Hilfe sucht, wird sie kurz darauf unfreiwillig eingewiesen. Zu ihrem eigenen Schutz, wie ihr eingeredet wird. Doch Sawyer will nur raus, zurück in die Freiheit. Als sie dann in einem der Pfleger den Mann zu erkennen glaubt, der einst ihr Stalker war, nehmen die Ereignisse eine dramatische Wendung. Ist Sawyer zu Recht in dieser Anstalt und bildet sich alles nur ein, oder wird hier ein böses Spiel mit ihr gespielt?
Trailer zu Unsane - Ausgeliefert
Steven Soderbergh liebt Experimente und mit Unsane - Ausgeliefert hat er sich wieder einmal an eins gewagt. Hier versuchte er, einen Film in kürzester Zeit mit einem iPhone 7 zu drehen, vermutlich um die Stalker-Thematik zu unterstreichen. Die ungewöhnliche Technik gibt dem Film dann auch seinen ungewöhnlichen Look, denn Unsane - Ausgeliefert präsentiert sich auf den ersten Blick erstaunlich bodenständig, versucht ein sehr realistisches Bild zu zeichnen von einer Frau, die von ihrer Vergangenheit geplagt wird. Doch dieser Umstand erschließt sich dem Zuschauer erst nach und nach, denn Soderbergh legt bei diesem Thriller Wert auf einen langsamen Storyaufbau und entsprechend umfassend werden die Figuren vorgestellt.
Wohin die Reise geht, dies merkt der Zuschauer erst mit der Zeit und gerade dieser Aufbau, in Kombination mit der Optik und der Wahl der Schauspieler, ist die große Stärke von Unsane - Ausgeliefert. Fast durch die Bank weg unverbrauchte Gesichter, die zwar bereits einige Produktionen bewältigt haben, aber nie im Rampenlicht standen, vermitteln den Eindruck, einer zuweilen sehr glaubwürdigen Geschichte. Zwar darf ein kurzer Gastauftritt von einem von Soderberghs Lieblingen nicht fehlen, aber dies "verzeiht" man als Zuschauer gern. Denn vor allem die erste Hälfte von Unsane - Ausgeliefert ist sehr beklemmend, weil es fesselt, was mit Protagonistin Sawyer passiert. Als Zuschauer fragt man sich nicht selten, ob dies alles real ist oder sie sich alles nur einbildet. Ist sie wirklich verrückt oder wird sie verrückt gemacht? Wie würde ich mich in dieser Situation fühlen, verhalten?
Erst in der zweiten Hälfte kippt dieser Eindruck etwas, denn diese wirkt im direkten Vergleich deutlich schwächer. Statt weiter an den Stärken des Films festzuhalten und von der Ungewissheit zu profitieren, verliert sich Unsane - Ausgeliefert zusehends in einer recht konventionellen Geschichte, die aus den üblichen Versatzstücken besteht. Hier wirkt das Gezeigte auch deutlich konstruierter, auch wenn es immer wieder durchaus sehenswerte und überraschende Höhepunkte gibt. Dass dabei der Film an Fahrt verliert, ist jedoch unverkennbar. Dennoch schaffen es die Darsteller auch diese im Vergleich vorhandene Durststrecke durch gutes Schauspiel zu überwinden und den Zuschauer zufriedenzustellen.
Gerade mit der Stalker-Thematik wagt sich Steven Soderbergh in ein spannendes Gebiet vor, schweift aber mit seiner Aufmerksamkeit immer wieder zu anderen Themen ab. So sind die Randthemen, wie der im Film dargestellte investigative Journalismus, der Betrug an Versicherungen und Umgang mit womöglich gesunden Patienten alle hochgradig spannend, nur für einen neunzigminütigen Film einfach zu viel, vor allem weil jedes Thema einen eigenen Film rechtfertigen könnte. Trotz dieser Umstände bleibt Unsane - Ausgeliefert ein spannender Thriller, der sein volles Potential aber nicht auszuschöpfen vermag.