Bewertung: 3.5 / 5
Für die die es eventuell nicht mitbekommen haben. Die Serie Watchmen ist eine Fortsetzung des Comics Watchmen, und hat prinzipiell nicht viel mit der Verfilmung von Zack Snyder gemein. Wer nur den Film kennt, dürfte ein paar inhaltliche Probleme bekommen, aber irgendwann wird trotzdem alles haarklein so erklärt, dass so ziemlich jeder versteht was vor sich geht.
Als es hiess, Damon Lindeloff würde eine Serie namens Watchmen machen, war ich sofort misstrauisch. Nicht dass ich dem Mann kein Talent zugestehen würde, nein, er war mir zu glatt, und war für mich mittlerweile das Synonym für es allen recht machen müssen (und damit sind die Studio-Oberen und deren Meinung, was richtig ist) und dadurch es der Qualität nicht recht machen. So hat dieser Mann im Alleingang für mich als Skript-Doktor sowohl World War Z als auch Prometheus komplett zerstört, zudem hat er das Ende von Lost in den Sand gesetzt und sich dann jahrelang als mißverstandenes Opfer in den Medien zelebriert. Wenn er nur einmal den Mumm hätte, das Ding komplett und rigoros durchzuziehen, wie es auch qualitativ funktioniert, dann wäre ich prinzpiell wieder voll da. Dennoch ein Riesenzweifel, was diesen Typen angeht, war immer noch gegeben.
Trailer zu Watchmen
Dann kam der erste Trailer und die ersten Informationen: Es würde ganz offensichtlich eine allegorische Erzählung zum zeitgenössischen Amerika werden, so wie es die Comic-Vorlage damals war. Also musste ein akutes Thema herangezogen werden. Und welches Thema ist gerade nunmal schwer angesagt, dass es für so ziemlich jede Serie mittlerweile gefühlt missbraucht wird: Ganz richtig. Rassismus! Als hätten wir gerade nicht genug solcher Serien, die sich dieses Themas durchaus auch ambivalent annehmen und etwas brauchbares daraus machen (When they see us) oder einfach mal das Thema über die Handlung stülpen, nur um gerade auf den zeitgeist aufzuspringen (The Man in the High Castle, wo in der letzten Staffel plötzlich, die im Handlungsgerüst komplett aus dem Nichts kommende Black Power Bewegung die Japaner besiegt!). Aber nein, auch im Filmwesen wird derzeit gefühlt jeder Film zu diesem Thema frenetisch abgefeiert: Green Book, Black Panther, Blakkklansman, The People vs OJ Simpson, Sorry to bother you, Dear White People, Slim and Queenie, American Son, Fruitvale Station, Get Out und und und). Und tatsächlich hat jeder dieser Filme und Serien irgendwo ihre Daseinsberechtigung. Denn wie bei einer Zwiebel gibt es nicht nur eine Schale und etwas darunter, sondern Schicht um Schicht, Sicht um Sicht wird dadurch ein Kaleidoskop freigelegt, dass deutlich aufzeigt, dass Rassismus und der Umgang damit keine Einbahnstrasse.ist. Gerade in den letzten Jahren hat die schwarze Künstlerseele mal aufrichtig zu sich mainstreamtauglich zu sich gefunden (Childish Gambino als prominentes Beispiel und sein absolut überragendes This is America, das in sehr vielen Ländern auch sehr sensationell gecovered wurde -> wenn ihr mich fragt, finde ich beispielsweise das Cover von Falz - This is Nigeria sogar noch besser!) oder geheuchelt (Man denke nur an die selbst ernannte Queen Bee und ihren Milliardärsgöttergatten). Was den meisten (ja eigentlich allen) diesen Werken gemein ist, ist das sie von schwarzen Künstlern stammen und daher auch die mannigfaltigen Facetten aufgedeckt werden konnten.
Und jetzt kommt der weisse Lindeloff, sieht die Zeichen der Zeit, und nimmt sich dieses Themas an, indem er eines der schwärzesten (ironischerweise in diesem Kontext das komplett falsche Wort) Kapitel der USa aufgreift: Das Massaker an der schwarzen Bevölkerung in Tulsa und die fast 100 Jahre dauernde Vertuschung und Totschweigung seitens der Stadt, den menschen und der Regierung. Das ist schonmal ein harter Einstieg.
Und Lindeloff legt diese harte Gangart erst mal fest, indem er sein rassistisches Thema mit solcher Vehemenz und Innbrunst breit tritt, das man wirklich das Gefühl bekommt, dass die Watchmen als Titel nur benutzt wurden, damit dieses wichtige Stück Geschichte sein Echo in der medialen Aufmerksamkeit bekommt. Bis hierhin könnte es irgendeine Vigilanten-Comic-Verfilmung sein und wäre kein Deut schlechter (beispielweise ein The Boys als Anti-Marvel-Serie funktioniert auch extrem gut, also wieso nicht einfach irgendeinen anderen Titel wähnen!). Im Gegenteil, mit zunehmender Dauer wird diese Anti-Watchmen-Fortsetzung tatsächlich immer besser, weil sie einfach fokussiert auf ihr Thema bleibt, und ganz klar aufzeigt, warum die aufgestaute Wut so berechtigt ist. Und mit der Folge 6 wird ein Stück Seriengeschichte erzählt, wie ich es als Filmjunkie oder Serienjunkie noch nicht gesehen habe. Das ist ganz große Kunst und pure Magie. Hier wird DC Comics, die Watchmen Comics und das Rassenthema so miteinander verwoben, dass ich diese Folge zu der besten Serienfolge des abgelaufenen Jahrzehnts krönen möchte (zugegeben etwas übertrieben, aber ihr merkt, was ich meine!).
Und dann verliert Lindeloff seinen Mut, hängt ein paar Folgen ran, die die Watchmen ins Zentrum rücken (zumindest wird so getan als ob), das Rassenthema wird ein bißchen auf Sparflamme zurück gefahren, ein Gott komplett degradiert, die Wut zurück gefahren und alles irgendwie zum Wohlgefallen aller aufgelöst. Und sollte es tatsächlich weiter gehen, hätten nun also eine schwarze Göttin - wie Zeitgeist.
Dieses Ende, was - so mein Gefühl - alle zufrieden zurück lässt, ist eine einzige Mogelpackung, und genauso verhält es sich mit Manhattans Aktionismus, er agiert nur, um die Story dahin zu bringen, wo Lindeloff und Team ihn haben wollen, Sein Charakter wird komplett verbraten.
Das Rassismusthema ist ein valides Thema, das mit Tulsa zudem auch noch eine reale Hintergrundgeschichte hat, wird aber nur halbherzig zu Ende gedacht.
Die Watchmen sind am Ende zwar da, aber für diese Story, wie sie 7-8 Folgen lang vorbereitet wurde, sind sie nicht wirklich hilfreich. Und ja, ich bin ir sehr wohl bewußt, dass es den einen oder anderen interessanten nebenhandlungsstarng gab, die aber auch genauso gut solche hätten bleiben dürfen für zukünftige andere Staffeln. So hätte man diese Figuren besser platzieren können.
Was also für mich zurück bleibt ist eine extrem interessante und unerwartet gute und überragende wütende erste 60-70%, welches allerdings durch dieses halbgare Ende mit einem völlig out-of-character blue god komplett aus dem Gleichgewicht gerät und dann mit diesem versöhnlichen Finale komplett aus dem Ruder läuft.
Sehenswert allemal, da wie gesagt, Folge 6 eine Wucht ist, und ab Folge 8 kommen die Watchmen und damit der KonforMIST (Absicht!) Lindeloff wieder zum Vorschein!
Insgesamt bekommt die Serie daher 7 Punkte von mir - und sollte es eine Fortsetzung geben, die inständige Bitte an WB und HBO, jemand anderen als Lindeloff da ran zu lassen!